Weller, Tobias, Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (= Rheinisches Archiv 149). Böhlau, Köln 2004. XII, 975, 18 genealogische Taf.

 

Weller greift in seiner Dissertation aus der Bonner Schule Theo Kölzers Themen wieder auf, die in der Forschung seit den grundlegenden Werken Julius Fickers seit 1861, (fortgeführt von Paul Puntschart bis 1923) oftmals behandelt wurden. Genannt seien aus der Liste der hier zu Nennenden etwa Gerd Tellenbach (1943) und Edmund E. Stengel (1948) als Vertretern einer Zwischengeneration, denen Hans Werle (1956 und 1962) mit regionalbezogenen Untersuchungen zuzuordnen ist. Aus jüngster Stufe der Erörterungen seien genannt Ernst Schubert (1979) und Karl-Heinz Spieß (1993). Eine lückenlose Übersicht über die deutsche und die wichtigste Literatur in Nachbarländern bieten die Verzeichnisse der Quellen und Literatur (S. 844-939), in denen sich wie in den Fußnoten eine hohe Forscherleistung widerspiegeln.

 

Der Verfasser setzt sich zum Ziel, „das fürstliche Heiratsverhalten während des 12. Jhs. in umfassender Weise zu untersuchen und in die Verfassungsentwicklung der Zeit einzubetten". Er nimmt neben den realisierten Eheprojekten auch Absprachen, deren Verwirklichung nicht erreicht werden konnte, aber auch Scheidungen in den Blick, doch leider wird „auf die grundsätzliche Entwicklung von Ehe, Eheformen und Ehevorstellungen im Mittelalter und speziell während des 12. Jhs. dabei nicht weiter eingegangen" (S. 7 und 9). Kirchenrechtliche Fragen werden meist nur gestreift, weil diese nach des Verfassers Meinung in ihrer Formalisierung erst in nachmittelalterlicher Zeit Bedeutung gewannen. Die Räume, in denen die behandelten 22 als reichsfürstlich angesehenen weltlichen Großen aus 15 Familien wirkten, reichen von Lothringen, Hennegau und Brabant bis nach Böhmen und Österreich, von den Welfenlanden bis nach Kärnten und zur Steiermark. Weller will keine Territorialgeschichte bieten. Für ihn sind Fragen von Besitz und Einflußzonen, Hintergrund, oft nur Beiwerk im Blick auf Eheschlüsse oder Eheprojekte. Die Untersuchungen ergeben eine Vielfalt von Modellen, wie sie bislang in solcher Systematik nicht vorhanden war (hierzu die Zusammenfassung S. 797-837). Dynastien werden nach einheitlichem Schema behandelt. An den Anfang wird meist ein Fürst gestellt, dessen nachweisbare Lebensdaten an der Wende vom 11. zum folgenden Jahrhundert stehen. Umgangen wird so die oft unerquickliche Suche nach einem sogenannten Begründer oder ,Urahn’. Von jenem Fürsten an werden in dessen Dynastie alle Ehen oder eheähnlichen Verbindungen, die meist in erzählenden Quellen erwähnten Heiratsprojekte ebenso wie Ehescheidungen oder die Verstoßung einer Gemahlin berücksichtigt. Natürlich spielt bei allen Überlegungen die alte Frage nach der Entstehung des in der Forschung oft sogenannten Reichsfürstenstandes eine Rolle, doch diese allein ist nicht das beherrschende Motiv seiner breit angelegten Untersuchungen. Bei Heiraten sind für ihn weniger die persönlichen Schicksale der Partner von Bedeutung, als die Frage nach dem Wert von Verbindungen von Familien in der Anfangsphase der allenthalben sich anbahnenden Territorialisierung. Sehr dienlich sind die im Anhang gebrachten dynastischen Übersichten, mit denen manche ältere Stammbäume verbessert werden, doch hier wären Karten mindestens ebenso zweckmäßig gewesen, auch wenn man nicht gerade einen formvollendeten Atlas erwartet hätte. Mit Heiraten konnten bestehende Konstellationen gefestigt, alte Streitigkeiten ausgeräumt, das Ansehen eines Partners erhöht oder gemindert werden mit jeweils weiterer Wirkung im Bereich der hochadligen Gesellschaft. Der Verfasser legt eine wahre Fülle von genealogischen Einzelheiten vor. Für den Aufstieg als Fürst waren meist die positiven Vorentwicklungen im eigenen Verhalten, auch das gewachsene Ansehen der Sippe maßgebend. Nähe zum Kronträger und Einsatz im Dienst für ihn sind nicht selten Ursachen der Standeserhebung. Das sind Leitlinien für die genealogischen Untersuchungen der einzelnen Familien mit dem dominierenden Aspekt der Heiraten. Ein umfassendes Quellen- und Literaturverzeichnis und das mustergültige Personenregister erschließen die sich oft überkreuzenden Genealogien der Familien.

 

An die erste Stelle der Dynastien setzt Weller mit gutem Grund die Staufer (S. 11-195). Sie bieten Musterbeispiele für sein Anliegen. Nach ihrem Misserfolg im Anspruch als Nachfolger der Salier in der anormalen Mainzer Wahl von 1125 erst 1138 durch die Erhebung Konrads III. in Koblenz zur Regierung gelangt, folgte diesem in nicht ganz problemloser Weise 1152 Friedrich 1. Barbarossa. Bei beiden läßt sich die Heiratspolitik beinahe schulmäßig verfolgen. Vermählt mit der Gräfin Bertha von Sulzbach, hatte Konrad zwei Söhne, von denen einer frühzeitig starb, der andere mit einer Tochter Herzogs Heinrichs des Löwen vermählt war, jedoch in kinderloser Ehe 1167 in Italien einer Seuche erlag. Bereits während des Witwerstandes Konrads III. hatte es Sondierungen über eine Heirat am oströmischen Hof gegeben, die ergebnislos blieben. Weller diskutiert in diesem Zusammenhang die Forschungen von Ferdinand Chalandon, Ralph-Johannes Lilie, Hanna Vollrath und Jean Paul Niederkorn. Friedrichs I. Barbarossa Heiraten zeigen einen ganz spezifischen Wandel: Nach der Erhebung vom Herzog zum König und bald darauf zum Kaiser kam die Trennung von Adela von Vohburg und die Höherstufung der Suche nach jetzt rangmäßig entsprechender Gemahlin, die in Ostrom fehlschlug, doch in Burgund die Erfüllung fand. Aus der Ehe entsprossen neben anderen Geschwistern Kaiser Heinrich Vl. und Herzog Friedrich von Schwaben, von 1198 an König Philipp im Thronstreit. Weller diskutiert mit Gerhard Banken die Einordnung der Kinder, die wegen des Namenswechsels bei den Söhnen Friedrich und Konrad nicht einfach darstellbar ist. Verwirrungen in der älteren Literatur werden behoben. Muster für den Wandel von Erwartungen bieten sich im Blick auf den Mailänder Eheschluß mit Konstanze von Sizilien, den Weller als ,Rekonziliationsheirat’ bezeichnet (S .801). Die Verbindung Philipps mit der oströmischen Kaisertochter Eirene (Maria) wurde ermöglicht nach der eigenen Erhebung. Wie eine Farce wirkt daneben das 1188 vereinbarte Eheprojekt für Herzog Konrad von Schwaben und Berengaria von Kastilien, von dem man alsbald wieder Abstand nahm.

 

Zu begrüßen ist ein Exkurs (S. 196-226) über den von Hansmartin Decker-Hauff 1977 für den dritten Band zur Stuttgarter Staufer-Ausstellung erstellten Stammbaum. Weller bietet eine Heerschau über die dort angestellten Kombinationen und Spekulationen sowie eine Nachsuche in der Literatur, um bedenkliche Rezeptionen jener Genealogie aufzuzeigen. Er beschäftigt sich eigens mit der Nachkommenschaft des Schwabenherzogs Friedrich I. und der Salierin Gisela, dann mit König Konrad III. und dem 1195 verstorbenen Pfalzgrafen Konrad. Lebensdaten werden überprüft, Heiratsangaben und auch die Verstoßung von Frauen behandelt. Doch am Ende urteilt Weiler, „daß es nach wie vor keine zuverlässige, modernen Ansprüchen genügende Hausgenealogie zur Stauferfamilie gibt. Sie zu erstellen, bleibt somit ein dringendes Desiderat der Forschung“ (S. 226). Wer aber kann sich an eine solche Aufgabe heranwagen?

 

In einer Rezension auf alle in diesem Werk auftretenden Dynastien des 12. Jahrhunderts gleich breit wie bei den Staufern eingehen zu wollen, würde deren Umfang sprengen. Gewisse Beschränkungen sind nötig. Das gilt schon hinsichtlich der Welfen (S. 227-326), die aus schwäbischen Anfängen in Sachsen und Bayern ihren unvergleichlichen Aufstieg nahmen. Hingewiesen sei auf die umfängliche Forschung mit den Namen Hans Patze, Ernst Boshof, Odilo Engels und Werner Hechberger. Für den Aufstieg entscheidend waren die Herzöge Heinrich der Stolze zunächst in Sachsen und Bayern und Heinrich der Löwe in Sachsen. Beider Heiratspolitik war stets auf Ranggleichheit ausgerichtet. Das kann man auch für die später wieder aufgelöste Ehe des schwäbischen Welf V. mit Markgräfin Mathilde von Tuszien sagen, deren Verbindung aus biologischer Überfälligkeit und Unzulänglichkeit beider Partner problematisch war, wie Wilhelm Störmer und Elke Goez zeigen. Auf ,gesunde’ Zustände trifft man in den folgenden Entwicklungen der Heirats- und mit ihr gestalteten Machtpolitik, wie bei der Auflösung der Ehe Heinrichs des Löwen mit Clementia von Zähringen. Die Trennung machte Heinrich den Weg frei für die Verbindung mit der englischen Königstochter Mathilde. Die Vorgänge wurden begleitet von der Ausformung starken dynastischen Bewußtseins der Welfen (bes. S. 317f. und 322ff.). Vorausgegangen war in der ersten Jahrhunderthälfte deren Verhaltensweise in Schwaben, wo man die Rivalität mit Staufern und Zähringern hintan hielt und sich nicht in regionale Streitigkeiten des Adels einließ, um der großen Ziele im Reich willen. Die Heiraten im zweiten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts haben mit wechselseitigen Verbindungen der drei ,großen’ Dynastien hierfür die Voraussetzung gebracht. Die Funktion der Welfen in Schwaben während der biographisch tristen Zeit Welfs VI. hat Karin Feldmann dargestellt. Nach Welfs VI. Tod 1191 konnte in Süddeutschland nur noch vom zersplitterten Erbe dieses Familienzweiges die Rede sein. Dem vermochte die ihn überlebende Uta, Tochter des Pfalzgrafen Gottfried von Calw nicht zu steuern. Das Verflochtensein in Konstellationen großen Maßstabes brachte das Zerwürfnis Friedrichs I. Barbarossa mit Heinrich dem Löwen und dessen Absetzung 1180. Weiterhin ist auf Ottos IV. Ehen hinzuweisen. Er kam 1198 ins Reich ohne Bindung. Nach König Philipps Tod sollte die Ehe mit dessen Tochter Beatrix den Brückenschlag zwischen den verfeindeten Sippen bringen. Ulrich Hucker und Bernd Schütte haben das hierzu Nötige dokumentiert. Weller analysiert die diplomatischen und kanonistischen Schwierigkeiten vor der Verlobung (S. 294ff.). Der Tod der Frau kurz nach der Hochzeit hat alle Hoffnungen zunichte gemacht.

 

Am Beispiel der (jüngeren) Babenberger weist der Verfasser (S. 326-393) auf die schlechte Quellenlage hin, übt besonders Kritik am Aussagewert des Landbuches von Österreich und Steiermark (hierzu der Exkurs S. 343ff.). Hervorgekehrt werden das Wirken des Herzogs Heinrich Jasomirgott, dessen Heirat mit der Byzantinerin Theodora und die politische Gesamtlage, besonders die Trennung der Markgrafschaft Österreich von Bayern unter Erhebung zum eigenen Herzogtum 1156. Die Verehelichungen babenbergischer Töchter in Süddeutschland und in Böhmen, Ungarn und Italien zeigen andere Bestimmungskräfte für Gattenwahlen an. Zutreffend weist der Verfasser darauf hin, daß der Dienst in Reichsangelegenheiten unter König Konrad III. Gelegenheit bot sich zu profilieren, das Ansehen zu heben. So erreichte er die Anerkennung als Herzog, wenn auch nicht in Bayern, so doch 1156 in Österreich. In der nächsten Generation konnte Leopold Vl. durch seine Ehe mit einer Enkelin des Kaisers in Byzanz seinen Rang hervorkehren. Doch der Radius der Eheverbindungen schrumpfte bald infolge der Minderung des reichspolitischen Engagements. „Territorialpolitische Gesichtpunkte spielen nunmehr eine größere Rolle, denn vor diesem Hintergrund versprachen sehr weitreichende Heiratverbindungen keinen großen Vorteil“ (S. 393). Die Regionalisierung bestimmte die Gattenwahlen wie etwa bei den Wettinern auch bei den Babenbergern (S. 804). Hier wie bei anderen Gelegenheiten ist die Bezeichnung ,Erwerbsheirat’ angezeigt (dazu S. 805). Was aber weiß man aus jener Zeit etwa über die Brautausstattung? Besitzänderungen sind oft nur im Rückschlussverfahren aus späteren Quellen ermittelbar. Weller ist die Sprödigkeit der Überlieferungen wohlbekannt, er erliegt aber nie lückenfüllenden Spekulationen (vgl. S. 806ff.).

 

Ein besonderes Bild bietet die Heiratspolitik der Zähringer (S. 394-437). Die Dynastie hat jüngst bis in erbrechtliche Einzelheiten hinein Hartmut Heinemann dargestellt. Aufgetreten in Schwaben in wachsender Rivalität mit Staufern und wohl auch Welfen, verlagerte sich der Wirkraum der Zähringer in die heutige Nordschweiz. Ambitionen in Burgund wurden durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa abgewehrt. Intentionen aus dem relativ engen Raum als Grundlage für den merkwürdigen Titel ,Rektor’, der seinem Träger immerhin einen fürstlichen Rang gab, richteten sich auf so ferne Herrschaften wie Hennegau, Rethel und Luxemburg. Der Versuch 1160 das Erzbistum Mainz zu erlangen schlug fehl. Die Errichtung der Markgrafschaft Namur 1184 brachte die Sperre für Versuche derartiger Einflussnahmen. Spiegelbild des Abgleitens sind die nach der Jahrhundertmitte eingegangenen Ehen mit Grafen. Das Geschlecht erlosch mit dem Tod des Herzogs Berthold V. 1218. Zu ergänzen ist, daß die brüchige Hinterlassenschaft Erwerbsobjekte bot hauptsächlich für Grafensippen in der heutigen Nordschweiz und am Oberrhein.

 

Mit der für jene Zeit ungewohnten ,neuen’ Markgrafschaft Namur führt der Verfasser in den Raum, in dem Löwen und Brabant bestimmende Faktoren geworden waren, Flandern, das Streitobjekt zwischen dem Reich und Frankreich wurde (S. 438-512). Dort bieten Frühstufen der Territorialisierung den Hintergrund für die Suche nach Ehepartnern. Nicht mehr nur die Ebenbürtigkeit steht im Vordergrund, sondern wohl gleichermaßen das Streben nach Besitz und Machtgewinn. Erstgeborene Söhne vermählte man mit Töchtern vornehmer Häuser, Jüngere wurden mit solchen aus tieferer Stufe der Gesellschaft versorgt. Das Wirken des Hauses Limburg (S. 513-535) ist gekennzeichnet durch das Streben nach dem Herzogstitel und dessen Behauptung. Das heiratspolitische Bild ist nicht allzu glanzvoll wohl infolge mangelnder Resonanz bei den in Aussicht genommenen Familien. Ähnliche Symptome wie das Haus Limburg bietet die Familie Chatenois-Oberlothringen (S. 535-575), die infolge der Ehe des Herzogs Matthäus I. von Oberlothringen mit einer Schwester Kaisers Friedrichs I. in der Mitte des 12. Jh.s hohes Ansehen hatte. Die dynastischen Beziehungen schrumpften dann jedoch auf rangniedere Sippen hauptsächlich im westlichen Grenzgebiet des Reiches.

 

In andere Gefilde führen die Abschnitte über mitteldeutsche Dynastien. Dort wurden die Anfänge der Ludowinger als regionale Führungskraft bestimmt durch Beziehungen zum Adel in Thüringen (S. 576-626). Die Heiraten der Töchter Ludwig des Springers folgten aber dann der Einordnung in eine antisalische Konstellation, die gefestigt wurde durch das Erbe der Gisonen in Oberhessen, am Rhein und an der unteren Lahn. Damit ist ein Ansatz geboten für die hessische Landesgeschichtsforschung von Edmund E. Stengel bis Fred Schwind. Mit der Erhebung als Landgraf von Thüringen gelang 1131 Ludwig I. der Aufstieg zum Fürsten. Seine Position blieb unangefochten, doch musste sie 1190 gegen das brutale Erwerbsstreben Kaiser Heinrichs Vl. behauptet werden. In den Ehen des nach 1198 mehr als wetterwendigen Landgrafen Hermann I. zunächst mit der Witwe des Grafen Heinrich von Wettin, dann der Tochter Sophia des Herzogs Otto I. von Bayern spiegelt sich dessen Streben nach Ansehen als Aufsteiger. Die Tochter Agnes aus zweiter Ehe wurde verheiratet mit Herzögen zunächst von Österreich, dann von Sachsen, Irmgard bekam als Gemahl den Grafen von Anhalt. Zu nennen bleibt als Sproß aus der zweiten Ehe der zu kurzem Gegenkönigtum gelangte Landgraf Heinrich Raspe IV. Töchter aus erster Ehe des Landgrafen Hermann hatten als Ehepartner einen Markgrafen von Meißen und einen Grafen von Orlamünde erhalten, womit sich schon früh dessen Anspruchsdenken ankündigte.

 

Von ähnlichem Format war die Heiratspolitik der Wettiner (S. 627-697). Sie wirkten zunächst eingeordnet in ein sächsisches Adelsnetz. Doch dann haben sich die Einbeziehung in die Opposition gegen die Salier, weiter Begünstigung durch Lothar III., schließlich der Anschluß an den ersten staufischen Herrscher fördernd ausgewirkt. Der 1157 verstorbene Markgraf Konrad von Meißen und der Ostmark galt in der späteren Familientradition sogar als Ahnherr des Kurfürstentums Sachsen. Heinrichs des Löwen Absicht, seine Herrschaft nach Süden zu erweitern, wurde durch die Wettiner vereitelt. In Konrads Generation spielen Ehen mit Polen und Böhmen eine hervorragende Rolle, einer Verbindung mit den Andechs-Meraniern kam keine Bedeutung zu. Die Beziehungen der Wettiner mit den Przemysliden wurden gegen Ende des 12. Jahrhunderts zur Last infolge deren Verstrickung mit den Schwierigkeiten in Ungarn. Die Darstellung der politischen Händel während des Thronstreits nach 1198 und der störenden Einwirkungen des Papstes Innozenz III. ist hervorzuheben. Die damals gewonnen Erfahrungen führten in der Heiratspolitik zu engeren territorialen Zielen, die später das Haus zu bedeutender Macht in Mitteldeutschland aufsteigen ließen.

 

Zu schwierigen Aufgaben landesgeschichtlicher Forschung gehört die Geschichte der Andechs-Meranier (S. 698-750). Die Streuung von Besitz in Oberbayern, Tirol und Franken, die Betrauung mit Rechten in Küstenbereichen der nördlichen Adria, erbrachte differenzierte Arbeitsansätze. Zusammenfassungen bietet der dritte Band des Handbuchs der bayerischen Geschichte von Max Spindler und Andreas Kraus (1996) mit den Beiträgen von Wilhelm Störmer und der zur Bamberger Ausstellung über die Andechs-Meranier 1998 erschienene Katalog. Aus der Heiratspolitik des 1151 verstorbenen Grafen Berthold II. erwuchsen Ansprüche aus der Ehe mit der Tochter Sophie des Markgrafen Poppo II. von Istrien aus dem Hause Weimar-Orlamünde. Kuniza von Giech brachte nach der Scheidung vom Grafen Poppo I. ihr Eigen der Bamberger Kirche zu, doch die unterstand der Andechser Vogtei. Der Rückhalt an den Staufern bot Sicherheit für die Stellung des Hauses in Franken. Als Graf Bertold III. 1173 die Markgrafschaft Istrien erhielt von Kaiser Friedrich I., erlangte das Haus Fürstenrang, der durch die Belehnung Bertolds IV. als Herzog von Meranien und Dalmatien 1180 im Zug der Neuordnung der bayerischen Verhältnisse weiter gefestigt wurde (dazu S. 835). Von realer Herrschaft dort kann nicht gesprochen werden, Venedig, Ungarn und die Städte waren bestimmend. Immerhin brachten die Erhöhungen wertmäßigen Zuwachs der Verbindungen: Agnes wurde vom verheirateten König Philipp II. August von Frankreich 1196 als Frau genommen, eine für das fränkische Haus bis 1200 hochbeachtliche Beziehung, zumal der Papst die drei Kinder 120l legitimierte, Schwester Gertrud wurde Königin von Ungarn, die 1276 heiliggesprochene Hedwig Herzogin in Schlesien. Alle drei Frauen gewannen im Familiengedächtnis gleich hohe Bedeutung. Das Geschlecht der Andechs-Meranier starb 1248 aus., einer der Ausnahmefälle im Kreis des hochfürstlichen Adels des 12. Jahrhunderts und eine auffällige Parallele zum Erlöschen von Grafen- und Freiensippen in Bayern um jene Zeit.

 

Die Wittelsbacher sind als Fürstendynastie eine Späterscheinung des Jahrhunderts (S. 751-778). Ihnen wurde in der Forschung überdurchschnittliche landes- wie reichgeschichtliche Berücksichtigung zuteil. Nach den überwiegend dynastisch und biographisch gestalteten Studien brachten die beiden ersten Bände des Handbuches von Max Spindler die große Zusammenfassung, Untersuchungen von Karl Bosl wiesen Wege in rechts-, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Frageansätze. Weller geht davon aus, daß die bayerische Pfalzgrafenwürde seit 1120 nachweisbar ist, jedoch keinen fürstlichen Rang brachte und Amtsaufgaben nicht erkennbar sind. Die Benennung nach Burg Wittelsbach ist 1116 erstmals nachweisbar. Heiraten sind, abgesehen von der Verbindung Ottos III. mit Heilica von Lengenfeld, unbekannt. Das wird nur wenig anders in der nächsten Generation mit der Ehe einer Tochter aus dem Grafenhaus Loon-Rieneck sowie mit Beziehungen zu den Grafen von Wolfratshausen und zum Landgrafen von Steffling. Bei Pfalzgraf Otto VI. kennt man nur den Frauennamen Benedicta. Von weit überdurchschnittlicher Bedeutung war nur der zum Erzbischof von Mainz und zeitweise von Salzburg aufgestiegene Konrad von Wittelsbach. Den Weg zum rasanten Aufstieg ebnete Otto V. durch seinen rastlosen Dienst in Italien für Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Dieser erhob ihn 1180 zum Herzog von Bayern nach der Absetzung Heinrichs des Löwen. Wohl nicht erst diese Rangerhöhung, sondern das zuvor gewachsene Ansehen als Helfer des Herrschers brachte auch in dieser Dynastie die Ausweitung der Heiratspolitik. Eine böhmische Prinzessin, Landgraf Hermann I. von Thüringen, der Markgraf von Vohburg, die Grafen von Wasserburg, Plain, Geldern und Dillingen bestimmen das Bild. Ludwig I., einer der großen Reichspolitiker als rheinischer Pfalzgraf seit 1214 und als Herzog von Bayern, fiel 1231 einem nicht aufklärbaren Mordanschlag bei Kelheim zum Opfer. Der vom Verfasser sich selbst gesetzte Schluß seiner Untersuchungen an der Jahrhundertwende verhindert leider den Ausblick auf eine Dynastie, die mit bestimmend wurde im Alten Reich.

 

Ein anders geartetes Beispiel für den Aufstieg zum Fürstentum, bewußt vorbereitet durch nie unter dem Stand geschlossene Ehen, vom Glück begünstigte Akkumulationen von Besitz und Rechtsansprüchen, bieten die in der Genealogie von Hans Pirchegger fassbaren steierischen Otakare (S. 779-785). Aus ihrer Markgrafschaft, griffen sie mit Heiraten aus nach dem benachbarten Österreich, in der zweiten Generation nach dem damals noch welfischen Bayern, verheirateten zwei Töchter mit Grafen von Formbach-Neuburg und von Spanheim-Trixen. Später wurde eine Tochter aus der Markgrafschaft Cham-Vohburg zur Frau genommen, eine andere nach deren Ehe mit dem allzu weit im Norden des Reiches ansässigen Grafen von Stade als Witwe dem benachbarten Herzog Heinrich V. von Kärnten als Gemahlin gegeben. So wurde der territoriale Charakter ihrer zum Herzogtums aufsteigenden Machtposition vorbereitet.

 

Völlig anders verlief das Geschick der Diepoldinger, der letzten von Weller in ihrer Heiratspolitik analysierten Sippe (S. 786-796) Aus Schwaben kommend, wurde ihnen von Kaiser Heinrich IV. das Amt des Markgrafen im bayerischen Nordgau übertragen. Diepolds III. Kinder wurden standesbewußt verheiratet. Adela war die erste Gemahlin des Herzogs Friedrich von Schwaben, der sich als Kaiser wieder von ihr trennte, die Töchter aus drei Ehen Diepolds III. wurden verehelicht mit Grafen von Winzenburg, Lechsgemünd, Lauf, Peilstein, einem Regensburger Domvogt und einem Markgrafen von Steiermark. Auf die selbe Anspruchshöhe legten Wert die Söhne. Doch der Verlust des Egerlandes im Zuge der Reichslandpolitik Kaiser Friedrichs 1. führte zu raschem Prestigeschwund, zum Niedergang des Ansehens im Kreise der Großen Deutschlands, schließlich in völlig andere Wirkfelder in Italien und dort zum Verlöschen als eigene Dynastie.

 

Wiesbaden                                                                                                                   Alois Gerlich