Weis, Eberhard, Montgelas. Band 2 Der Architekt des modernen bayerischen Staates 1799-1838. Beck- München 2005. XXIV, 872 S.
Nach dem ersten Band der Montgelas-Biographie (1971; 2. Aufl. 1988) von Weis liegt nunmehr der zweite abschließende Band zum Leben und Werk von Joseph Maximilian Graf v. Montgelas (1749-1838), des Begründers des modernen bayerischen Staates unter dem König Max Joseph vor. Montgelas, dessen aus einer Familie aus dem Herzogtum Savoyen stammender Vater 1742 in den kurbayerischen Militärdienst getreten war, war nach dem Studium der Rechte in Straßburg und Ingolstadt ebenfalls in bayerische Dienste getreten und hatte bereits als 19jähriger Hofrat einen Plan zur Ablösung der Grundherrschaft vorgelegt. 1776 trat er in den Dienst der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, unter denen er Reformpläne für die künftige Entwicklung Bayerns aufstellte. Herzog Max Joseph von Pfalz-Zweibrücken, der 1799 das Kurfürstentum Pfalz-Bayern übernahm, kam mit Montgelas nach München und übertrug ihm zunächst das Außenministerium; seit 1806 war Montgelas auch Innen- sowie von 1803-1806 und seit 1809 auch Finanzminister. Aufgrund eines vom Kronprinzen Ludwig, dem späteren bayerischen König Ludwig I., angeführten Komplotts entließ der König Max Joseph Montgelas am 2. 2. 1817. Da die bayerische Außen- und Innenpolitik zwischen 1799 und 1816 oft bis in die Einzelheiten das Werk von Montgelas darstellt, ist seine Biographie zugleich ein Beitrag zur Geschichte Bayerns und Deutschlands in der napoleonischen Zeit und während der Zeit des Wiener Kongresses.
Weis beschreibt in 31 Abschnitten die Tätigkeitsfelder von Montgelas, so den zweiten Koalitionskrieg (1799-1801), die Abwehr republikanischer Umsturzpläne in München (1800-1802), die territorialen Entschädigungen Bayerns (einschließlich der Säkularisation der Klöster), das Militärbündnis mit Frankreich (1805), den Bündniswechsel 1813 sowie das Ringen um die Bewahrung der vollen Souveränität Bayerns nach den Freiheitskriegen. Außer auf die Politikgeschichte und die biographischen Details über Montgelas’ Münchner Leben und seine Stellung in der dortigen Gesellschaft geht Weis in breitem Umfang auch auf das innenpolitische Reformwerk von Montgelas ein, das zu großen Teilen auf der Konstitution von 1808 und den diese begleitenden organischen Edikten beruhte. Ausführlich behandelt Weis das Zustandekommen der Konstitution von 1808 (S. 370ff.), welche die Beseitigung des Steuerprivilegs des Adels (1807) festschrieb, weitere Privilegien einzelner Stände, Familien, Provinzen und Städte grundsätzlich aufhob, die durch die vorangegangenen Reformgesetze hergestellten „bürgerlichen Freiheiten“ sicherte und vor allem einer zentralistischen Gestaltung des Rheinbundstatuts und einer Einmischung Napoleons in die bayerische Innenpolitik entgegenwirken sollte (S. 380f.). In den vom französischen Außenminister Champigny ausgearbeiteten Entwürfen zu einer Rheinbundverfassung (Februar 1808) war noch die Übernahme des Code Napoléon (C. N.) vorgesehen, ein Anliegen, das Napoleon auf der Mailänder Konferenz Ende 1807 dem König und Montgelas dringend nahe legte. Auf Antrag von Montgelas genehmigte der König im Januar 1808 die Übernahme des C. N. als bayerisches Zivilrecht mit den für Bayern für notwendig gehaltenen Modifikationen. Ein von Feuerbach ausgearbeiteter Entwurf scheiterte insbesondere an den Vertretern der adligen Großgrundbesitzer im Staatsrat bereits Ende 1810, nachdem der Druck Frankreichs auf Einführung des C. N. sich erheblich abgeschwächt hatte. Außer auf die gescheiterten Versuche zur Vereinheitlichung des Zivilrechts geht Weis auch auf die Strafrechtsreform (Abschaffung der Folter 1806; Strafgesetzbuch von 1813) und auf die Neuordnung der Gerichtsverfassung (Trennung von Justiz und Verwaltung auf der oberen und mittleren Ebene; erhebliche Einschränkung der Patrimonialgerichtsbarkeit) ein (S. 555ff.).
Weitere Abschnitte, die oft auch auf die rechtlichen Details einschließen, befassen sich mit den Reformen in Regierung und Verwaltung (S. 503ff.), mit der Kommunalverfassung (S. 519ff.), der Rechtsstellung des Adels insbesondere als Grundherrn (S. 555ff.), der Finanzverfassung, der Wirtschaftspolitik (Entscheidung für den Freihandel; erst ab 1810 Schutzzölle; Gewerbereform, die jedoch weniger weitgehend war als die preußischen Maßnahmen), die Anfänge der Judenemanzipation (Edikt von 1813) und die Herstellung der konfessionellen Parität. Weitere Reformbereiche waren die Heeresreform (Einführung der Wehrpflicht), die Armen- und Krankenfürsorge, die Brandversicherung, die Pressepolitik sowie das Beamtenrecht, das Leistung und Qualifikation in den Mittelpunkt stellte. Alle diese Reformen beruhten auf der aufgeklärt-absolutistischen Auffassung von Montgelas, der von 1814 an national-liberalen Bestrebungen sehr reserviert gegenüber stand. Von 1810 an trug er der konservativen Entwicklung innerhalb Bayerns insbesondere durch Einschränkung einiger Reformen von 1808/09 Rechnung. Immerhin geht im Wesentlichen auf ihn die Entscheidung zurück, dass die linksrheinische Pfalz das französische Recht und die freiheitlichen Institutionen behielt. Insgesamt stehen die bayerischen Reformen ebenbürtig neben den preußischen Reformen von 1807/11, auf die Weis zum Vergleich wiederholt hinweist, wenn sie sich auch in einigen Punkten erheblich unterscheiden. Das auf die Beiträge von Montgelas zur Politik- und Reformgeschichte Bayerns zentrierte Werk von Weis, das zwar ein Personenregister, aber leider kein Sachregister enthält, ist zugleich eine nahezu alle wichtigen Rechtsgebiete umfassende bayerisch-deutsche Rechtsgeschichte der Rheinbundzeit, deren Folgewirkungen auf die deutsche Rechtsentwicklung weit in das 19. Jahrhundert hineinreichen.
Kiel |
Werner Schubert |