WesenerSpann20050502 Nr. 11239 ZRG GA
123 (2006) 07
Spann, Michael, Der Haftungszugriff auf den
Schuldner zwischen Personal- und Vermögensvollstreckung. Eine exemplarische
Untersuchung der geschichtlichen Rechtsquellen ausgehend vom römischen Recht
bis ins 21. Jh. unter besonderer Berücksichtigung bayerischer Quellen (=
Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 1). LIT-Verlag, Münster 2004. XXXII,
300 S.
In seiner Augsburger Dissertation
behandelt Michael Spann, ein Schüler Christoph Beckers, die
Entwicklung der Vollstreckung von Ansprüchen von der Personal- zur
Vermögensexekution, ausgehend vom römischen Recht bis herauf zum geltenden
Recht. Untersucht wird für jede Epoche die „Durchsetzung der Haftung“ und das
Verhältnis der Vollstreckungsarten zueinander.
Das erste Kapitel (S. 3-68) ist der
Entwicklung der Vermögenshaftung aus der Personalexekution heraus im römischen
Recht gewidmet. Sehr eingehend werden die Exekutionsmöglichkeiten im alten Legisaktionenprozess,
im Formularverfahren und im Kognitionsprozess dargestellt. In der
Generalexekution (missio in bona - venditio bonorum) lebt die Personalexekution
fort, welche die ganze Person erfasst (S. 34). Eine Gesamtvollstreckung im Wege
der „Einzelversilberung“ (distractio
bonorum) ist zunächst auf Sonderfälle beschränkt (S. 41ff.). Im
nachklassischen Recht wird die distractio
bonorum zum Konkursverfahren bei
Gläubigermehrheit und Überschuldung. Als regelmäßige Exekutionsform findet sich
nun die Pfändung einzelner Gegenstände (pignus
in causa iudicati captum). Aber
auch die Personalexekution besteht fort; es kommt zur gerichtlich angeordneten
Festnahme des Schuldners und gegebenenfalls zur Schuldhaft (S. 57, 65).
Das zweite Kapitel (S. 69-164) hat
die „Pfandnahme als Zwang zur Leistung“ im frühen Mittelalter zum Gegenstand. In
germanischen Volksrechten finden sich Verbote der zwangsweisen Verknechtung des
Schuldners zur Vollstreckung der Schuld durch Abarbeitung (S. 70ff.). Auch die
formlose Festnahme als Akt der Selbsthilfe wird verboten (S. 74f.). An ihre
Stelle tritt die Pfandnahme unter richterlicher Erlaubnis (etwa Pactus legis
Salicae §50; Verf. S. 75ff.). Als Grundlage der Pfändung dient vielfach ein
Wettvertrag (Wadiation), am besten für das langobardische Recht dokumentiert
(S. 86ff.). Der Wettvertrag ist auf Vermögenshaftung angelegt, die ihrerseits
durch Pfandnahme realisiert werden muss (S. 86). Nach salfränkischem Recht
kommt es bei Verweigerung eines Erfüllungsgelöbnisses (fides facta) oder bei Ladungsungehorsam zur Ächtung des Schuldners
(S. 91ff.). Die Fronung ist als Fortbildung der Acht bei Säumnis des Beklagten
anzusehen (S. 100). Weiterentwickelt wurde das Vollstreckungsrecht durch Kapitularien
unter Karl dem Großen (S. 98ff.).
Das dritte Kapitel (S. 105-171)
befasst sich mit dem Vollstreckungsrecht ab dem 12. Jahrhundert unter dem
Einfluss der Rezeption; eine starke Rechtszersplitterung erscheint gegeben. Eine
außerprozessuale Pfändung ist noch zwischen verschiedenen Gerichtsbezirken
zulässig (S. 107f.), innerhalb desselben Gerichtsbezirkes nur mehr in
Ausnahmefällen (S. 110ff.). Der Mainzer Reichslandfriede Friedrichs II. von 1235
(Tit. 27) verbietet die Pfandnahme „an des richters urlob“ und stellt sie dem
Raub gleich (S. 109). Für Kärnten etwa verbietet ein Privileg Rudolfs I. vom 3.
November 1276 (Landhandfeste 2ff.) die eigenmächtige Pfändung ohne richterliche
Genehmigung[1]. Eine Pfändungsklausel kann
vertraglich vereinbart werden (S. 113f.)[2]. Als
Mittel der Personalexekution für die oberen Gesellschaftsschichten findet sich
das Institut des Einlagers (S. 132ff.). Eingehend behandelt werden die
verschiedenen Arten des Arrestverfahrens, das „als Befriedigungsverfahren
zwischen Personal- und Vermögenshaftung“ anzusehen ist (S. 136ff.), so der
Fugitivenarrest und der Fremdenarrest (S. 147ff.)[3].
Ein weitgehend einheitliches
Zwangsvollstreckungsrecht findet sich in den schwäbischen Stadtrechten
(Augsburg 1276, Ulm 1376). Große Bedeutung kommt der Augsburger Gantordnung von
1447 zu, einer geschlossenen Darstellung des Vollstreckungsverfahrens (S.
163ff.; abgedruckt im Anhang S. 275-279).
Das vierte Kapitel (S. 173-186)
behandelt die Nürnberger Reformation von 1479 und 1564 „als Vorbild einer
systematischen Kodifikation des Vollstreckungsrechts für die spätere bayerische
Landrechtsentwicklung“ (S. 173). In der Reformation von 1565 (Tit. XI, 2)
findet sich bereits ein entwickeltes Gantverfahren.
Das Kernstück der Arbeit bildet das
fünfte Kapitel (S. 187-243), welches die Vollstreckung im bayerischen Landesrecht
vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert zum Gegenstand hat.
Bereits die Bairische Landesordnung von 1501 sieht eine ausschließliche
Pfändung durch Amtspersonen vor (S. 187)[4]. Die
Vermögensexekution stellt ab Beginn des 16. Jahrhunderts den Regelfall dar (S.
191ff.). Regelungen finden sich in der Gerichtsordnung von 1520[5] und
in der Gerichtsordnung von 1616[6].
Die umfassende Gantprozessordnung von
1616 regelt nicht bloß die öffentliche Versteigerung, sondern das gesamte
Verfahren zur Rechtsdurchsetzung (S. 202)[7]. Zu
Unrecht spricht der Verfasser (S. 203) vom „Landrecht von 1578“ (richtig S. 281
„Der Fürstlichen Bayrischen Landßordnung weitere erclerung ... Auffgerichtet im
Jar 1578“); es handelt sich hierbei um eine Revision der Landesordnung von 1553[8].
Der Codex iuris Bavarici iudiciarii
von 1753 (c. 18 und 19) sieht bereits eine Trennung von Zwangsvollstreckung und
Konkurs vor (S. 220ff.). Unterschieden wird ferner zwischen Partikular- und
Universalkonkursprozess (S. 229ff.). Voraussetzung für einen Universalkonkurs ist
Insolvenz des Schuldners und Gläubigermehrheit.
Im Folgenden behandelt der Verfasser im
sechsten Kapitel (S. 245-254) die Vollstreckung nach der Bayerischen
Prozessordnung vom 1. Februar 1869, im siebenten Kapitel (S. 255-266) die
Reichsgesetzgebung von 1877 (Reichszivilprozessordnung und Konkursordnung).
Im achten Kapitel (S. 267-2273)
werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Zu Recht hebt Spann
die Ausbildung des Schuldnerschutzes im Zusammenhang mit dem Erstarken der
Rechtspflege hervor (S. 273).
Die Untersuchung bietet ein
umfassendes, klares Bild der Entwicklung des Vollstreckungsverfahrens von der
Antike bis zum modernen Recht. Die allmähliche Zurückdrängung der Personalexekution
durch die Vermögensexekution sowie die
Scheidung zwischen Einzelexekution und Konkursverfahren werden deutlich
gemacht.
Die starke Gliederung der Arbeit und das
sehr detaillierte Inhaltsverzeichnis (pp. XIII-XXX) erweisen sich als höchst zweckmäßig
und nützlich[9].
Graz Gunter Wesener
[1] K. Torggler, Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt (Klagenfurt 1937) S. 100 Anm. VI 12.
[2] Zum „Landschadenbund“ in den innerösterreichischen Ländern, der auf die Pfändungsklausel zurückgeht vgl. G. Wesener, Das innerösterreichische Landschrannenverfahren im 16. und 17. Jahrhundert (Graz 1963) 50f.; S. Vilfan, Rechtsgeschichte der Slowenen (Graz 1968) 155.
[3] Dazu H. Planitz, Grundlagen des deutschen Arrestprozesses. Ein Beitrag zur deutschen Prozessgeschichte (Leipzig 1922).
[4] Zur Bayerischen Landesordnung von 1516/1520 nun M. R. Franz, Die Landesordnung von 1516/1520. Landesherrliche Gesetzgebung im Herzogtum Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (München 2003); dazu G. Wesener, ZRG G 122 (2005) .
[5] Dazu G. Wesener, Römisch-kanonisches Prozeßrecht in der Bayerischen Landrechtsreformation von 1518 und in der Gerichtsordnung von 1520, in: Arbeiten zur Rechtsgeschichte. FS G. K. Schmelzeisen (Stuttgart 1980) 360ff.
[6] Dazu H. Günter (Hg.), Das Bayerische Landrecht von 1616 (München 1969) 138ff.
[7] Zum
Konkursrecht in Österreich A. Skedl, Die Grundlagen des österreichischen
Konkursrechtes in ihrer historischen Entwicklung, in: FS A. Wach III (Leipzig
1913) 227ff.; dazu G. Kisch, ZRG G 35 (1914) 603ff.;
G. Wesener, Zur Entwicklung des Konkursrechtes in den altösterreichischen
Ländern, vornehmlich im 16. und 17. Jahrhundert, in: FS H. Baltl zum 60.
Geburtstag (Innsbruck 1978) 535ff. - Vgl. ferner S. Hofer, „So haben wir zu
Beförderung des Credits vor nöthig befunden (...)“ - Kreditsteuerung durch Konkursrecht
in der frühen Neuzeit, ZNR 26 (2004) 177ff.
[8] Vgl. H. Günter (Hg.), Das Bayerische Landrecht (o. Anm. 6) 130.
[9] Störend sind mehrere Schreibfehler, vor allem in lateinischen Texten.