Schröder, Jan, „Gesetz“ und „Naturgesetz“ in der frühen Neuzeit (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse Jahrgang 2004 Nr. 1). Steiner, Stuttgart 2004. 35 S.

 

Zu den zentralen Erscheinungen der Geschichte des Rechts gehört der rationalisierende Übergang von einfacher, allmählich entstehender Gewohnheit und daraus formlos erwachsendem Gewohnheitsrecht zum bewusst und gewollt in besonderer Form geschaffenen Gesetz. Deswegen hat die Geschichte der Gesetzgebung bereits früher das Interesse der rechtsgeschichtlichen Forschung gefunden. Die Begriffsgeschichte des Gesetzes ist demgegenüber bisher weniger beachtet geworden, so dass der Verfasser im Eingang seiner tiefgründigen Studie zu Recht feststellen kann, dass eine umfassende und zufriedenstellende Darstellung der Geschichte des Gesetzesbegriffs nicht besteht und wesentliche Zusammenhänge noch im Dunkeln liegen.

 

Eine im Rahmen einer Arbeitsgruppe (sog. Naturgesetzgruppe) behandelte Einzelfrage versucht der Verfasser zu klären. Er geht dabei davon aus, dass bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ein einheitlicher Gesetzesbegriff bestanden hat. Danach ist das Gesetz die Anordnung, das Gebot oder der Befehl des Gesetzgebers, die bzw. das bzw. der gerecht, vernünftig oder doch wenigstens zweckmäßig ist, was alles auch für das (rechtlich-moralische) Naturgesetz gilt.

 

Von hier aus wendet sich der Verfasser dem physikalischen Naturgesetz zu, dessen Begriffsgeschichte ebenfalls noch unbefriedigend geklärt ist. Auf der Grundlage antiker und mittelalterlicher Vorstufen erweist er die Vorstellung eines physikalischen Gesetzes als jedenfalls dem 16. Jahrhundert geläufig. Auch für sie hält er Setzung (Gottes) und Gerechtigkeit für wesentlich.

 

Gegenüber dieser Einheitlichkeit erkennt er in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine bedeutsame, schon bei Jean Bodin (1576) angelegte Veränderung. Danach kommt es für das Gesetz (bzw. das Naturgesetzes) nur noch auf die Setzung (bzw. göttliche Setzung) an. Die Gerechtigkeit bzw. Vernünftigkeit wird nicht mehr betont oder gefordert.

 

Auf einer dritten Entwicklungsstufe sieht er auch das Merkmal des gesetzgeberischen Gebots entfallen. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts verschwindet Gott als Gesetzgeber sowohl aus dem rechtlich-moralischen wie auch aus dem physikalischen Naturgesetz. Am Ende des 18. Jahrhunderts ist Gott nicht mehr wirklicher Gesetzgeber, sondern nur noch moralisches Postulat.

 

Damit sieht der Verfasser zwei unterschiedliche Gesetzesbegriffe einander gegenübergestellt. Es sind dies das Gebot des Gesetzgebers als positives Gesetz und die als beobachtete oder durch die Vernunft erschlossene allgemeine Regelmäßigkeit des juristisch-moralischen und physikalischen Naturgesetzes. Das positive Gesetz ist nicht notwendig gerecht oder vernünftig, das juristisch-moralische Naturgesetz und das physikalische Naturgesetz haben keinen Gesetzgeber.

 

Am Ende des 18. Jahrhunderts ist damit nur noch ein inhaltsleerer allgemeiner Gesetzesbegriff möglich. Das Gesetz ist nur noch die allgemeine Regel, wobei jetzt das Naturgesetz den physikalischen Gesetzen vorbehalten wird. Umso wichtiger wird das positive Gesetz für die Wirklichkeit des im 19. Jahrhundert entstehenden Rechtsstaats.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler