Schneidewin, Johannes, In quatuor institutionum Justiniani libros commentarii. Rihelius, Straßburg 1575, Neudruck mit einer Einleitung v. Wesener, Gunter. Vico Verlag, Frankfurt am Main 2004. XXIII, (10), 1143, (72 S.)

 

SCHNEIDEWIN (OENITOMUS), Johann, Prof. Dr.; geb. Stollberg 04. 12. 1519; gest. Zerbst 1568; WG.: wuchs ab 1530 bei Luther in Wittenberg auf, Studium Rechtswissenschaft, 1544 Lizentiat Rechtswissenschaft, Kanzler, 1548 Prof. Univ. Wittenberg, 1550 Promotion Univ. Wittenberg, Beisitzer Hofgericht, Konsulent, kurfürstlicher Rat – so lautete bisher ein Eintrag in Wer war wer im deutschen Recht. Demgegenüber zählt eine Ius commune betitelte Neuausgabe den Gelehrten zu den Klassikern der europäischen Rechtsgeschichte. Möge der Organisator der Nachlässigkeit der bisherigen Literatur mit großzügiger Nachsicht begegnen, hatten doch Wesenberg/Wesener bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Vermittler für die Übernahme des römisch-gemeinen Rechts nach Österreich im 17. Jahrhundert insbesondere der Institutionenkommentar Johannes Schneideweins gewesen war.

 

Gunter Wesener rückt das Werk nunmehr dankenswerterweise in das ihm gebührende Licht. In seiner auch ins Neuenglische übersetzten Einleitung des Neudrucks widmet er sich zunächst dem Lebenslauf dieses sächsischen protestantischen Juristen, den er zu den bedeutenden Vertretern des frühen usus modernus pandectarum zählt. Als Sohn des Leiters der gräflich-stolberischen Bergwerke und als langjähriger Hausgenosse Martin Luthers hatte der mit zehn Jahren an der Universität Wittenberg eingeschriebene Schneidewin beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Laufbahn, die ihn mit 30 Jahren auf die Wittenberger Institutionenprofessur führte.

 

Der bei seinem ziemlich frühen Tod fast vollständige Kommentar der Institutionen Justinians wurde von Matthaeus Wesenbeck (1531-1586) als seinem Nachfolger auf der Professur fertiggestellt und (1571 in Straßburg?, 1573 in Wittenberg und Leiden und Straßburg? - so die Einleitung -, 1575 in Straßburg – so die Titelei - und bis 1762 (Venedig) von unterschiedlichen Betreuern insgesamt mindestens 80mal herausgegeben. Das damit offensichtlich äußerst begehrte Werk folgt grundsätzlich dem Aufbau der justinianischen Institutionen und weicht nur innerhalb der Titel von der vorgegebenen Reihenfolge der Gesetze ab, zieht aber auch kirchliches Recht, Konsilien und Präjudizien sowie Reichsabschiede, Peinliche Gerichtsordnung Karls V. und sächsisches Recht heran. Es geht damit weit über ein einfaches Lehrbuch hinaus.

 

Im Grundsatz will Schneidewin einen Mittelweg einschlagen zwischen denen, die Glossen und Kommentare völlig verachten, und denen, die sich in ihre Erörterung verlieren. Dabei stellt er an den Anfang jedes Titels eine Übersicht, zeigt den systematischen Zusammenhang auf und erörtert dann den Inhalt in einer zusammenhängenden Darstellung. Mit seiner Verbindung des analytischen Elements mit systematischen Gesichtspunkten wirkt er auf Rechtswissenschaft (Schwartzenthaler, Beckmann) wie Gesetzgebung (kursächsische Konstitutionen von 1572, württembergisches Landrecht 1610) erfolgreich ein.

 

Besonders hebt der Herausgeber in der Einleitung das Eherecht als eine nach der Reformation besonders wichtige Privatrechtsmaterie hervor. Zusätzlich weist er aber auch auf die Positionen Schneidewins im Schuldrecht und Erbrecht hin. Zusammenfassend ist ihm sehr dafür zu danken, dass er erneut sachkundig und nachdrücklich auf diesen frühneuzeitlichen Gelehrten aufmerksam macht.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler