Rill, Gerhard, Fürst und Hof in Österreich von den habsburgischen Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohács (1521/22 bis 1526). Bd. 2 Gabriel von Salamanca; Zentralverwaltung und Finanzen. Von den habsburgischen Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohács (1521/22 bis 1526) (= Forschungen zur europäischen und vergleichenden Rechtsgeschichte 7/2). Böhlau, Wien 2003. 528 S., 8 Abb., 1 Graph., Stammtaf.
Bei dem Band handelt es sich um den zweiten Teil einer umfangreichen Studie des österreichischen Historikers Gerhard Rill, von 1987 bis 1991 Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien, über die ersten Regierungsjahre Ferdinands I. Den zeitlichen Anfang bilden die Teilungsverträge von Worms und Brüssel 1521/22 über die Abtretung der Erblande von Karl V. an dessen jüngeren Bruder Ferdinand I., das Ende die Wahlen Ferdinands zum König von Böhmen und Ungarn 1526/27. Zu den wichtigsten Merkmalen dieses Zeitraums zählen die Schwierigkeiten des Habsburgers, von den selbstbewusst auftretenden Ständen als Landesfürst anerkannt zu werden und die erfolgreiche Stabilisierung seiner Herrschaft durch die Schaffung von Zentralbehörden. Während sich der bereits 1993 erschienene erste Teil der Studie auf die Bereiche Außenpolitik und Diplomatie konzentrierte, stehen nun Finanzen und Verwaltung sowie Gabriel de Salamanca, der Favorit und der Generalschatzmeister Ferdinands, im Mittelpunkt.
Der Band ist in drei große Abschnitte gegliedert: 1. Hof und Zentralverwaltung (S. 15-103), 2. Gabriel de Salamanca (S. 105-238) und 3. Finanzen (S. 239-392). Jeder Abschnitt enthält am Ende eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse. Ein Epilog, der das Leben Salamancas von 1526 bis zu dessen Ableben 1539 umreißt, und ein Annex runden den Text ab. Im ersten Abschnitt über Hof und Zentralverwaltung werden zunächst die höfischen Rahmenbedingungen dargestellt, dann rücken die zentralen Gremien und Behörden (Geheimer Rat, Regimenter und Hofräte, Kanzleiwesen) und organisatorische Fragen in den Mittelpunkt. Die finanzielle Verwaltung wird dabei ausgeklammert. Der Verfasser kommt hier zu dem Schluss, dass diese Epoche im Hinblick auf den Aufbau einer Zentralverwaltung entgegen der vorherrschenden Meinung nicht als Zeitraum der Stagnation betrachtet werden könne. Kennzeichnend sei vielmehr eine kontinuierliche Fortsetzung der von Maximilian I. eingeleiteten Reformen. Im Zentrum des zweiten Abschnitts steht der Günstling des Landesfürsten, Gabriel de Salamanca, eine charismatische Persönlichkeit, die bereits die Zeitgenossen polarisierte. Dargestellt werden die Herkunft und das soziale Umfeld Salamancas, Karriere und Vermögensentwicklung sowie Personen seiner Umgebung. Besonders viel Raum wird der Anklageschrift geschenkt, die Ferdinand von ständischen Ausschüssen vorgelegt wurde und zur Amtsenthebung Salamancas 1526 beitrug. Hauptanlass sei der übermäßige Einfluss des Günstlings gewesen. Für die zeitgenössischen Betrugs- und Korruptionsvorwürfe könnten jedoch keine Belege gefunden werden. Der dritte Teil des Buches untersucht das landesfürstliche Finanzwesen und die Amtsführung Salamancas als Schatzmeister. Dabei wird auch der schwierige Versuch unternommen, das Budget des Landesfürsten zu rekonstruieren.
Die Stärken der Studie sind die Quellennähe, denn es werden zahlreiche, bislang großteils unverwertete Akten wie die sogenannten Rechnungsbücher Salamancas benutzt, und sein Faktenreichtum. Das Buch wird dadurch zu einem wertvollen Bezugspunkt für weitere Analysen und Interpretationen dieser Frühphase der Habsburgermonarchie. Auf eine tief gehende theoretische oder methodische Durchdringung der Thematik, von ihm als „meist in Vorworten oder Einleitungen angesiedelte Auswüchse einer überstrapazierten Methodologie“ und als „verunklärend-schmückendes Beiwerk“ (S. 10) abgewertet, legte der Autor bewusst keinen Wert. Sie hätte es ihm freilich ermöglicht, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und die einzelnen Hauptabschnitte durch ein aus der aktuellen Forschung abgeleitetes Erkenntnisinteresse oder eine These deutlicher zu verbinden. Der Verfasser meinte selbst, es bereite ihm „kein Kopfzerbrechen“, ob die Studie „den ‚Restschollen einer versunkenen Epoche in der geistigen Landschaft der Moderne’“ zugehören werde, „oder am Ende gar von dem ‚geistig-sprachlichen Kontinuum der ihre eigene Vergangenheit reflektierenden Menschheit’“ (S. 10) ausgeschlossen bleibe. Er hatte wohl seine Gründe, so pessimistisch zu sein. Bleibt zu hoffen, dass er damit nicht Recht behält, denn das hätte sein Buch nicht verdient.
Bonn Arno Strohmeyer