Miller, Matthias, Mit Brief und Revers.
Das Lehenswesen Württembergs im Spätmittelalter. Quellen – Funktion –
Topographie (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 52). DRW-Verlag,
Leinfelden-Echterdingen 2004. X, 214 S. 11183
Die Tübinger Dissertation
stellt sich in den Kontext jüngerer Arbeiten zum spätmittelalterlichen
Lehnswesen in einzelnen Territorien und geht einen methodisch vergleichbaren
Weg, „um damit weiße Flecken des Lehnswesens des späten Mittelalters auf den
Landkarten zu tilgen“. Chronologisch erstreckt sich die Arbeit vom ersten
Auftreten der Lehnsurkunden im 13. Jahrhundert bis zu den Neubelehnungen im
Gefolge des Amtsantritts Herzog Ulrichs im Jahr 1498. Zur Entlastung des Bandes
ist ein Katalog der württembergischen Lehen bis zum Jahr 1500 auf CD-Rom
beigelegt.
Zunächst werden die
Quellen zum württembergischen Lehnswesen vorgestellt. Der erste Lehnsbrief
datiert von 1270, der erste Lehnsrevers von 1300, doch sind die originalen
Lehnsurkunden erst seit 1380 in reichlichem Maß überliefert. Als weitere
wichtige Quelle sind die Lehnsbücher zu nennen, die bis zur Archivzerstörung im
Jahr 1944 lückenlos von 1344 bis 1627 erhalten waren. Die acht verbrannten
Lehnsbücher für die Jahre 1344 bis 1485 sind jedoch durch Reportoriumseinträge
zumindest dem Inhalt nach bekannt. Die Dissertation kann sich auf insgesamt
rund 5.000 Quellenbelege stützen.
Im ersten
Untersuchungsschritt widmet sich der Autor dem Formular der Lehnsurkunden, das
vergleichbar mit anderen Territorien immer stärker verfeinert und präzisiert
wurde, um die Position der Lehnsherren zu stärken. Dieser Prozeß war 1413
abgeschlossen, so daß bis 1500 keine neuen Urkundenelemente mehr aufgenommen
wurden. Die Formularentwicklung läßt sich mit der in der Grafschaft
Katzenelnbogen vergleichen, während die Pfalzgrafen bei Rhein einen deutlichen
Vorsprung aufweisen. Leider hat der Autor das 2000 erschienene Buch von Peter
Johannes Schuler über das Formular der württembergischen Vertragsurkunden von
1325 bis 1392 nicht benutzt und kann somit seine Ergebnisse nicht in die
allgemeine Kanzleientwicklung einordnen.
Anschließend geht es um
die Lehnsobjekte, die das im Spätmittelalter übliche Spektrum unter Einschluß
der territorialpolitisch bedeutsamen Burgen aufweisen, und dann um die
Vasallen, die in zwei Ausnahmefällen standesgleiche Grafen, ansonsten zu zwei
Dritteln Ritteradlige und zu einem Drittel Bürger der benachbarten Reichsstädte
und württembergischen Landstädte umfaßten. Bemerkenswert ist der Versuch eines
Querschnittes durch den Lehnshof im 14. und im 15. Jahrhundert. Verfügte Graf
Eberhard II. (1344-1391) über rund 500, so verlieren sich die Spuren der Hälfte
dieser Lehen bereits unter Eberhard III. (1392-1417), doch kamen wiederum rund
240 neue Lehen hinzu. Nicht nur die Anzahl der Lehen schwankte beträchtlich,
sondern auch der Umfang der Lehnsmannschaft. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts
hatte sich die Zahl der Versallen trotz ständiger Neuzugänge im Vergleich zu
der für 1392 geschätzten Zahl von 500 insgesamt deutlich verringert. Im Gefolge
der Landesteilung von 1442 wurden insgesamt rund 350 Vasallen erfaßt. Man muß
deshalb von großen Schwankungen im Lehnshof ausgehen, die ganz unterschiedliche
Gründe, wie z. B. Lehnsverschweigung oder Gesamthandbelehnung haben können.
Abschließend wird anhand
von circa 60 Fällen das württembergische Lehnsgerichtswesen behandelt. Wie in
anderen Territorien auch drangen im Verlauf des 15. Jahrhunderts besoldete
Amtleute in die Mannengerichte ein und stärkten die Position des Lehnsherrn.
Der Autor hat den „weißen
Flecken“ für Württemberg solide ausgefüllt und dabei erwartungsgemäß keine
aufsehenerregenden Entdeckungen gemacht, weil die Nachbarterritorien bereits
erkundet waren. Tiefgreifende Ergebnisse wären zu erwarten gewesen, wenn er die
Bestandsveränderungen im Lehnshof während des 14. und 15. Jahrhunderts genauer
analysiert hätte..
Greifswald Karl-Heinz
Spieß