Meyer, Steffen-Werner, Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck (= Rechtshistorische Reihe 291). Lang, Frankfurt am Main 2004. XXVI, 177 S.

 

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts veränderte sich in den deutschen Territorien der literarische Markt. Eine Diskussion um die Berechtigung von Druckerprivilegien entwickelte sich, in deren Mittelpunkt die Frage einer rechtstheoretischen Neubegründung von Nachdruckverboten stand. In dieser Debatte wurde die Fragen des Zugangs zu Wissen und die Sicherstellung eines Anreizes zur Produktion und Transformation desselben diskutiert. Während die Diskussion zunächst primär die Interessen der Drucker gegen die Forderungen der sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft auf einen möglichst bezahlbaren Zugang zu Wissen abwog, bezog sie – insbesondere im Gefolge der Aufklärung und des Idealismus – zunehmend auch die Frage eines Schutzes der Autoren mit ein.

 

Steffen-Werner Meyers Arbeit über die „Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck. Anläßlich der Wahlkapitulation Leopolds II. aus dem Jahre 1790“ führt mitten in diese Zeit. Die bei Elmar Wadle entstandene Dissertation leitet hinein in die „Rechtswirklichkeit“ dieser Debatte, welche in den deutschen Territorien ihre besondere Komplexität aus einer Verbindung mit kompetenzrechtlichen Fragen erhielt, die sich aus der schleichenden Erosion der Reichsgewalt ergaben. Einer Reichsregalie entstammend war die Kompetenz für die Erteilung von Druckerprivilegien ab der Mitte des 17. Jahrhunderts nach und nach auch auf die Territorialherren übergegangen. Die Folge war eine unübersichtliche Gemengelage zwischen kaiserlichen und landesherrlichen Privilegien, die in ihren Auswirkungen den Nachdruck letztlich teilweise beförderte. Dass – in der Begrifflichkeit der neueren Institutionenökonomik – hohe Transaktionskosten zur Wahrung der Druckerrechte notwendig wurden, macht die eher theorieferne Arbeit von Meyer sehr schön deutlich.

 

Der Verdienst von Meyers Archivstudie liegt in der Verbindung von rechtshistorischer und sozialhistorischer Herangehensweise, welche die buchhändlerische Realität, insbesondere die Entwicklung des Verlags- und des Sortimentsbuchhandels, die aggressive Preispolitik der Leipziger Buchhändler sowie den langsamen Niedergang der Messestadt Frankfurt zur Theorie der Schriften gegen den Büchernachdruck aus dieser Zeit in Beziehung setzt. So bildete sich 1790 auf der Leipziger Ostermesse eine Assoziation norddeutscher und süddeutscher Buchhändler, die selbstbewusst den Kampf gegen den Büchernachdruck aufnahm. Diese Verbindung, die letztlich zur Bildung des „Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig“ im Jahre 1825 führte, versuchte über die Verbindung von lokalen Verlegern zu den Territorialherrn Einfluss auf die Wahlkapitulation aus dem Jahre 1790 zu nehmen. Meyer setzt hier bei den Forschungen Ludwig Giesekes[1] an und weist anhand der von ihm untersuchten Quellen nach, dass die Buchhändler eine deutlich aktivere Rolle beim Zustandekommen dieser Wahlkapitulation hatten als bislang angenommen [134].

 

In seinem vierten Kapitel zeigt Meyer die widerstreitenden Interessen der beteiligten Akteure anlässlich des Zustandekommens von Artikel VII § 1 der Wahlkapitulation Leopolds II. Diese Regelung bestätigte grundsätzlich einen Artikel aus der Wahlkapitulation Josephs II., sie wurde aber um einen entscheidenden Punkt ergänzt. Er betraf die Einholung eines Reichsgutachtens hinsichtlich der Förderung des „für Deutschland wichtigen“ Buchhandels und die Frage, „wie fern dieser Handlungszweig durch die völlige Unterdrückung des Nachdrucks, und durch die Herstellung billiger Buchpreise vor dem jetzigen Verfalle zu retten sey“. Erneut erwies sich die Verbindung von materiellen und kompetenzrechtlichen Fragen als ein großes Problem, das letztlich durch eine Delegation der Nachdruckfrage an den Reichstag externalisiert wurde. Durch Meyers Studie wird überzeugend vor Augen geführt, warum das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zwischen den Individualinteressen der Territorialherrn und dem sich mit Macht zu Wort meldenden (Wirtschafts-)Bürgertum mit seinen neuen Organisations- und Kommunikationsmöglichkeiten letztlich zerrieben wurde. Die Arbeit verdeutlicht die Bedeutung von Messen (namentlich der Leipziger Messe) und neuen Formen der Vernetzung und führt damit auch die Transformation von staatlicher und gesellschaftlicher Wissenskommunikation vor Augen. In einem weiteren Kapitel zeigt die Arbeit schließlich, wie die Debatten über den Büchernachdruck auch nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation anlässlich der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte von 1815 wieder aufgegriffen wurden und auch dort zu keiner Lösung geführt werden konnten, die den widerstreitenden Interessen gerecht geworden wäre.

 

Meyer macht es seinen Lesern jedoch nicht immer leicht. Dies resultiert daraus, dass er sich nicht eindeutig für ein Lesepublikum entschieden hat und allen gerecht zu werden versucht. In vielen schüchternen Formulierungen scheint er sich den nicht-rechtshistorischen Rezipienten gegenüber für den seine Arbeit prägenden Gutachtenstil förmlich entschuldigen zu wollen: so etwa, wenn er in seinem Vorwort schreibt, dass sich „ein jeder vorstellen“ könne, dass „bei einer Arbeit über einen mehr als 200 Jahre zurückliegenden Vorgang naturgemäß einige Hindernisse zu überwinden“ seien. Seine Einleitung beginnt mit den Worten, dass so „manch einer [...] an dieser Stelle erwarten“ werde, dass „eine Beziehung zu einer aktuellen Thematik hergestellt“ werde, was er – unter Hinweis auf die Bedeutung des historischen Arguments bei der Beratung von Urheberrechtsreformen – jedoch nicht tun wolle. Dieses Spiel mit den Erwartungen der Leser wird durch einen juristischen Nominalstil ergänzt, der in seiner Verknappung manchmal kaum noch verständlich ist („heiligen römischen Kaiser“ [150]) oder früheren Forschungen – insbesondere denen Ludwig Giesekes – gegenüber nahezu gönnerhaft wirkt ( „Im Ergebnis“ könne man also festhalten, so lautet die Bilanz seines fünften Kapitels, „daß zumindest der Hergang auf der neunten Wahlkonferenz in der Literatur richtig dargestellt“ worden sei, „jedenfalls soweit dieser bekannt“ gewesen sei [134]). Die Bilanzen bleiben eher schlank und wurden zugunsten eines anteilmäßig recht umfangreichen Quellenanhangs mit chronologischen Übersichten zurückgestellt. Ein Personenverzeichnis und ein Sachverzeichnis hätten die „Benutzerfreundlichkeit“ der Arbeit erhöht.

 

Der besondere Reiz an Meyers Studie liegt neben der Quellenarbeit in ihrer „rechtsrealistischen“ Zugangsweise, die die Theorie des Kampfes gegen das Nachdruckverbot mit den Bedingungen des literarischen Marktes in Beziehung setzt. Ein gleiches gilt grundsätzlich auch für die reichsstaatsrechtliche Literatur, bei der Meyer jedoch dazu neigt, die – oftmals in polemischer Absicht formulierte – Theorie für das praktizierte Reichsstaatsrecht zu nehmen.

 

Anhand der von Meyer beschriebenen Diskussionen wird die von Samuel Pufendorf beklagte „Monstrosität“ des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ebenso eindrucksvoll vor Augen geführt wie die Transformation von Kommunikation infolge des Buchdrucks. Auch wenn die Arbeit viele Ansätze zu einem Aufgreifen der Debatte um die Konstitution einer literarischen Öffentlichkeit, von medientheoretischen Fragestellungen, der Netzwerkforschung oder von aktuellen wirtschaftstheoretischen Debatten geboten hätte, sind ihre Verdienste in ihrer quellennahen Zugangsweise zu einem hochkomplexen Thema nicht zu unterschätzen.

 

Speyer                                                                                                           Margrit Seckelmann



[1] Ludwig Gieseke, Die geschichtliche Entwicklung des Deutschen Urheberrechts, Göttingen 1957, insbesondere 110–112.