Martino, Antonio, Spanien zwischen Regionalismus und Föderalismus. Entstehung und Entwicklung des Staates der Autonomien (Estado de las Autonomías) als historischer Prozess (= Rechts- und Sozialwissenschaftliche Reihe 31). Lang, Frankfurt am Main 2004. 332 S.

 

Die hauptsächlich von Wilhelm Brauneder betreute Wiener Dissertation trägt nicht nur zu einem wesentlich besseren Verständnis der aktuellen spanischen Verfassung und der Statuten der autonomen Gemeinschaften (Comunidades Autónomas) bei, die sich häufig auf die Geschichte ihrer Territorien berufen, um alte Institutionen wieder herstellen zu dürfen, sondern sie ermöglicht auch eine tiefere und exaktere Analyse der gegenwärtigen gespannten Lage sowie Prognosen über die Zukunft der territorialen Organisation Spaniens. Martino gliedert sein Werk in drei Kapitel. Nachdem er im ersten Kapitel die territoriale und administrative Zersplitterung in der Epoche der „Reconquista“ bis zu den zentralistischen Verfassungen des 19. Jahrhunderts gezielt und prägnant dargestellt hat, widmet er sich im zweiten Kapitel den regionalistischen Bewegungen um 1900 bis zur Diktatur von Francisco Franco. Der erste Schwerpunkt liegt hier bei der Verfassung von 1931, der zweite wurde vom Autor auf die Demokratisierung bzw. Übergangsphase („transición“) und die Errichtung des Staates der Autonomien durch die Verfassung von 1978 gesetzt. Dabei werden etliche Quellen, viel Forschungsliteratur und nicht zuletzt Meldungen aus den wichtigsten Tageszeitungen Spaniens für die Forschung nutzbar gemacht [S. 299-332].

 

Zu Recht sieht Martino die „Reconquista“ als Ursache für die rechtliche und administrative Heterogenität Spaniens, denn während des fast acht Jahrhunderte dauernden Kampfes gegen die Herrschaft der Araber bildeten sich verschiedene Königreiche und Grafschaften, die so genannten Taifenreiche (Almería, Valencia, Granada, Málaga, Algeciras, Ronda, Murcia, Sevilla, Toledo, Zaragoza und Córdoba), die allmählich der Krone Kastiliens als Königreiche einverleibt wurden. Die „Briefe zur Wiederbevölkerung“ (Cartas pueblas) und die Stadtverfassungen (Fueros municipales) förderten das demografische und ökonomische Anwachsen von bereits bestehenden oder neu gegründeten Städten. Diese Rechtsquellen gewährten nicht nur Freiheiten, Privilegien und steuerliche Befreiungen, sondern enthielten ebenfalls Regelungen zur Ausübung der Gerichtsbarkeit und das gesamte Lokalrecht. Sie schufen die Voraussetzungen für die zukünftigen regionalistischen und föderalistischen Tendenzen.

 

Philipp V. versuchte, ab 1700 einen einheitlichen, ja zentralisierten Staat nach dem Modell des französischen Staates unter Ludwig XIV. aufzubauen, indem er mit einer Reihe von Dekreten von 1707 bis 1716 sämtliche Lokalrechte und die regionalen Regierungen und Autonomien aufhob. Das Recht wurde vereinheitlicht, indem Aragonien und Valencia das kastilische Recht aufgezwungen und Spanien in Provinzen eingeteilt wurde, deren Leitung Intendanten einnahmen. Da Navarra und das Baskenland ihre Privilegien bzw. Fueros behielten, gelang die politische Zentralisation Spaniens nach französischem Muster nicht gänzlich. Gleichwohl bildete dieser Ansatz die Grundlage für den Versuch, im 19. Jahrhundert einen Nationalstaat einzurichten. Die Verfassung von Cádiz aus dem Jahre 1812 strebte eine stark zentralisierte Organisation des Landes an, indem sie sich der spanischen historischen Tradition der Fueros und der städtischen und regionalen Autonomien schroff entgegen warf, die Einheitlichkeit der Gesetzbücher und der Rechtsprechung anordnete und den „jakobinischen Zentralismus“ einführte. Der Autor betont zu Recht, dass die Provinzialvertretungen wie auch die Rathäuser von der Regierung sehr stark kontrolliert wurden. Die Verfassung vom 30. Juni 1876, die bis 1931 in Kraft blieb, ignorierte völlig die föderalistischen und regionalistischen Bestrebungen und stützte ein zentralisiertes Regime, das sich auf das korrupte System der lokalen Klientelen der Honoratioren gründete, was man mit „Caciquismo“ bezeichnet. Die „Caciques“ führten nämlich durch Wahlbetrug wechselnde Parlamentsmehrheiten herbei und trugen auf diese Weise zum Militärputsch von Primo de Rivera im Jahre 1923 sowie zum Untergang der liberalen monarchischen Regierung (1931) bei.

 

Der Zweiten Republik (1931-1936) widmet Martino besonderes Augenmerk, ohne die Darstellung des politischen Regionalismus im Laufe des 19. Jahrhunderts zu vergessen, der von literarischen Bewegungen in Katalonien oder Galicien, die sich um die Wiederbelebung der katalanischen bzw. galicischen Literatursprachen bemühten, sowie von Geschichtsschreibung und Rechtsgeschichte mächtige Impulse erhielt. Gerade mittels Publikation der städtischen und territorialen rechtlichen Quellen, den Cartas Pueblas und regionalen Fueros wurden Begehrlichkeiten geweckt, alte Autonomien aufzufrischen. In den letzten zwei Jahrzehnten des 19. und in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erhielt der Regionalismus einen kräftigen Schub vom „Regeneracionismo“, einer umfangreichen kulturellen Bewegung, die die Wiedergeburt Spaniens durch eine radikale Dezentralisierung des Staates, die Abschaffung der Provinzen und die Wiederherstellung der historischen Regionen mit ihren autonomen Versammlungen und Vertretungen erreichen wollte. Diese Epoche war gekennzeichnet durch einen sozialen Wandel, der den Prozess der Industrialisierung begleitete und den verlorenen Krieg gegen die USA, der den Verlust der letzten Überseekolonien wie Kuba, Puerto Rico und die Philippinen zur Konsequenz hatte. Dabei fanden die regionalistischen Parteien einen ständig anwachsenden Zustrom von Anhängern und verbuchten große Erfolge bei den Wahlen. Der katalanischen „Lliga Regionalista“ gelang es, auch die Errichtung einer wichtigen Institution mit regionaler Gewalt durchzusetzen, denn 1913 erlaubte die Madrider Regierung den vier katalanischen Provinzen, sich zu ausschließlich administrativen Zwecken zu vereinigen und die „Mancomunitat de Catalunya“ zu bilden. 1919 wurde von der Mancomunitat sogar der Entwurf zu einem katalanischen Statut verabschiedet, der eine politische Autonomie vorsah, die eher der Autonomie eines Gliedstaats eines Bundesstaates als jener einer autonomen Region glich. Als es am 11. September 1923 zu Kundgebungen der katalanischen, baskischen und galicischen Separatisten in Barcelona kam, bot dies dem General Primo de Rivera den Anlass zu einem Staatsstreich. Der General errichtete eine Diktatur, die jedwede autonomistische Bewegung bekämpfte, sodass die Mancomunitat aufgelöst und alle regionalistischen und nationalistischen Parteien für illegal erklärt, die Verwendung der katalanischen Sprache im amtlichen Gebrauch und der Gebrauch nicht-spanischer Flaggen verboten wurden. Primo de Rivera trat Anfang 1930 zurück. Nachdem die Monarchisten bei den Gemeindewahlen von 1931 eine vernichtende Niederlage erlitten hatten, verließ König Alfons XIII. Spanien, sodass am 14. April 1931 die Zweite Republik ausgerufen wurde. Die Zentralregierung vereinbarte mit Barcelona die Einrichtung eines autonomen katalanischen Regierungsorgans der „Generalitat de Catalunya“ und die Ausarbeitung eines Autonomiestatuts, das zuerst einer Volksabstimmung in Katalonien und danach der Abstimmung in der Verfassunggebenden Nationalversammlung unterzogen werden musste. Die Ausrufung der baskischen Republik am 17. April 1931 scheiterte unterdessen durch das bewaffnete Aufgebot der provisorischen Zentralregierung in Guernica.

 

Martino kommt sodann zu einem ebenfalls spannenden Thema, nämlich zu der am 9. Dezember 1931 ausgerufenen Verfassung, die maßgeblich von der Weimarer Reichsverfassung von 1919 beeinflusst war. Spanien wurde als „integraler Staat“ eingerichtet. Mit dem auf den Regeneracionismo und die Staatslehre von Hugo Preuß und Rudolf Smend zurückzuführenden Begriff des „Integralstaates“, unter dem ein organischer Komplex verstanden wurde, der in der Lage war, autonome Gebietskörperschaften zu koordinieren, glaubte die Verfassunggebende Nationalversammlung, die ideale Formel gefunden zu haben, das heikle Problem der territorialen Organisation des Staates zukünftig lösen zu können. Die Verfassung von 1931 sah drei Gebietskörperschaften vor: Gemeinden, Provinzen und Regionen. Sie präzisierte ferner in ihrem ersten Titel die Mechanismen, durch die die Harmonisierung des Prinzips der Einheit und „Integralität“ des Staates mit jenem der gemeindlichen und regionalen Autonomie erreicht werden sollte. Um eine politisch-administrative Einheit innerhalb des spanischen Staates zu bilden, konnten aneinander angrenzende Provinzen mit gemeinsamen geschichtlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Merkmalen die Einrichtung einer Autonomen Region beschließen. Gleichwohl behielt der Zentralstaat ein großes, die Kompetenzen der Regionen beschneidendes Eingriffsrecht in die Verwaltung der Regionen. Der Öffentlichrechtler Francisco Ayala von der Universität Madrid gab im Vorwort zu seiner im Jahr 1934 erschienenen Übersetzung der Verfassungslehre von Carl Schmitt folgende griffige Definition des Integralstaates: „Convivencia y coordinación de cuerpos autónomos y centros de poder político dentro de un complejo orgánico“. Indes wurden die Fragen und Probleme der katalanischen und baskischen Autonomie eine der wichtigsten Ursachen für die Instabilität der Zweiten Republik, denn zwischen dem 16. Dezember 1933 und dem 30. Dezember 1935 wurden allein zehn verschiedene Regierungen gebildet. Zusehends verschlechterten sich die Beziehungen zu Katalonien. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung und Katalonien mündete schließlich in der Ausrufung der katalanischen Republik, als im Oktober 1934 in ganz Spanien revolutionäre Aufstände ausbrachen. Nach der Niederschlagung dieser „Oktoberrevolution“ intensivierten die Rechtsregierungen den Prozess der Berichtigung der Reformen und versuchten, die Verfassung zu ändern. Das Statut von Katalonien wurde am 2. Januar 1935 suspendiert, das katalanische Parlament geschlossen und die Generalitat de Catalunya jeglicher Kompetenz enthoben. Zudem wurde ein Generalgouverneur von der Zentralregierung eingesetzt.

 

Nachdem der Bürgerkrieg, der am 17. Juli 1936 ausgebrochen war und bis zum 1. April 1939 gedauert hatte, mit dem Sieg der von General Franco angeführten „Nationalen“ über die „Republikaner“ beendet war, rückte der spanisch-zentralistisch geführte Nationalstaat wieder in den Vordergrund, wenngleich die Existenz anderer Nationen und Völker innerhalb des Landes noch nicht einmal erwähnt wurde, weil die nationale Einheit und Integrität unantastbar und die Machtstrukturen hierarchisch und absolut vertikal aufgebaut waren. Wie der katalanische so wurde auch der baskische Nationalismus vom Franco-Regime unerbittlich verfolgt. Der Partido Nacionalista Vasco (PNV) überlebte im Exil und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Verfechter des Europagedankens, weil er für den Aufbau einer europäischen Föderation eintrat, die mehr auf den Völkern als auf den Staaten basieren sollte und nach einem unabhängigen Staat (Euskadi) in einem vereinten Europa strebte. Die Aufgabe des aktiven Widerstands gegen das Franco-Regime wurde von der 1959 gegründeten revolutionären Organisation ETA übernommen, deren Namen „Baskenland und Freiheit“ (Euskadi ta Askatasuna) bedeutet und die sich als Ziel die Erlangung der Unabhängigkeit des Baskenlandes gesetzt hatte und vor Gewaltanwendung und Terrorismus nicht Halt machte.

 

Die Verfassung vom 31. Oktober 1978 bekräftigt das Primat des Staates, denn der Staat, der sich territorial in Gemeinden, Provinzen und autonome Gemeinschaften aufgliedert, garantiert die Umsetzung des Prinzips der interregionalen Solidarität und schützt die Rechte aller Spanier. Wie schon 1931 entwirft die Verfassung von 1978 keine „Landkarte“ der autonomen Gemeinschaften. Die tatsächliche Bildung der autonomen Gemeinschaften war und ist immer noch der Initiative der Provinzen selbst überlassen. Die „historischen Territorien“ wie Katalonien, das Baskenland und Galicien hatten allerdings den unmittelbaren und sofortigen Zugang zur „vollen“ Autonomie. Die übrigen Gemeinschaften erlangten die „volle“ Autonomie langsam und lediglich schrittweise. Nur Andalusien wurde gestattet, die „volle“ Autonomie bereits 1981 zu erlangen.

 

Indes blieb der Verfassungsgerichtshof von Anfang an bemüht, die Tragweite der Anerkennung dieser Rechte zu schmälern, da man fürchtete, dass die Anerkennung der historischen Rechte Bestrebungen und Wünsche nach Separatismus, Föderalismus oder Selbstbestimmung hätte wecken können. So gab es bloß eine Anerkennung der historischen Rechte auf das Zivilrecht (Foralidad civil), während die „Foralidad política“ aus den historischen Rechten ausgeklammert wurde. Autonomiekonflikte, die vor dem Verfassungsgerichtshof zwischen autonomer Gemeinschaft und Zentralstaat ausgefochten wurden, gab es zuhauf: 54 in den Jahren 1981 bis 1983, 100 in den Jahren 1984 bis 1987.

 

Die spanische Verfassung von 1978 entwirft eine territoriale Organisationsstruktur, die ein Mittelding zwischen Zentralismus und Föderalismus ist. Martino stellt sehr eindrucksvoll heraus, dass der Staat der Autonomien einen Mischcharakter hat, der sich in der manchmal vollkommen inkohärenten Kombination aus Eigenschaften teils des zentralistischen, teils des föderalistischen Modells manifestiert. Sicherlich orientierte sich die Einführung der politischen und administrativen Autonomie über die institutionelle Form der autonomen Gemeinschaft an einem föderalistischen Staatsmodell; doch das föderalistische Modell der territorialen Staatsorganisation wurde zum großen Teil durch die vollständige Ablehnung einer „vertikalen“ Aufteilung der Souveränität, die Beibehaltung der alten Provinzstruktur, das Fehlen eines Organs für Koordination und Dialog zwischen den autonomen Gemeinschaften und der Zentralgewalt sowie durch die Geringfügigkeit der fiskalischen und finanziellen Autonomie vernichtet. Viel Unklarheit herrscht aufgrund der Zweideutigkeiten bei der Verteilung von Kompetenzen zwischen autonomen Gemeinschaften und dem Zentralstaat, wobei ein Teil dieser Zweideutigkeiten seinen Ursprung in den konkreten historischen Umständen hat. Strichen einige der Gemeinschaften ihre Kompetenzen anhand ihrer historischen Gemeinschaft heraus, waren andere bemüht, sich eine eigene historische, sprachliche und kulturelle Identität zu konstruieren. Katalonien, das Baskenland und Galicien streben immer wieder von neuem eine grundlegende Reform ihres Autonomiestatuts und eine Neugestaltung der Beziehungen zu Spanien an. Über diesen Punkt sind sich auch die großen Volksparteien Spaniens nicht immer einig. Martino unterstreicht zurecht, dass der Beitritt Spaniens zur EU auch keine Lösung der brisanten Frage des territorialen Aufbaus und der Beziehungen zwischen Zentralstaat und peripheren Regionen herbeigeführt hat. Die Verfechter des Einheitsstaates, die die spanische Nation als die einzige Trägerin der Souveränität betrachten, hatten gehofft, dass die EU – als eine Gemeinschaft von Staaten – ein geeignetes Mittel wäre, um die regionalen Nationalismen auszuschalten und ihr Streben nach geteilter Souveränität oder gar nach Unabhängigkeit aufzuhalten. Zur Erreichung dieses Ziels akzeptierten sie sogar, dass Spanien einen Teil seiner eigenen Souveränität an die EU abtrat.

 

Dagegen hatten die Anhänger eines „plurinationalen“ Spaniens, also eines Staates mit verschiedenen Trägern der Souveränität, erwartet, dass diese Abtretung von Souveränität günstige Bedingungen für die Bildung eines „Europa der Völker“ oder eines „Europa der Regionen“ schaffen könnte. Der Faktor Europa konnte also weder die eine noch die andere Seite in ihren Erwartungen befriedigen. Die EU hat zwar dazu beigetragen, die alten Unabhängigkeitsbestrebungen der regionalen Nationalitäten zu hemmen, auf der anderen Seite hat sie aber auch die Radikalisierung der traditionellen föderalistischen Standpunkte der „historischen Territorien“ indirekt wie direkt begünstigt. Indirekt begünstigt deshalb, weil der Vereinigungsprozess der europäischen Staaten, der zu einer neuen, wachsenden politischen und administrativen Zentralisierung tendiert, automatisch entsprechende wachsende Forderungen nach Dezentralisierung hervorruft, d. h. Forderungen, die nur die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften befriedigen können. Eine direkte Begünstigung fand durch die Errichtung von Institutionen wie der Versammlung der Regionen Europas, der Konferenz „Europa der Regionen“ oder dem Ausschuss der Regionen statt. Noch immer hofft man, dass sich gerade der „Ausschuss der Regionen“ zur echten „Regionalkammer“ der EU entwickelt. Allerdings sind immer noch die Mitgliedsstaaten, also die Nationalstaaten, die einzigen Herren der Verträge und damit auch über den Ausschuss der Regionen! Die Nationalstaaten fungieren als die einzigen Hauptakteure des Völkerrechts und bestimmen über die historischen Territorien. Der Schutz der Existenz und der nationalen oder ethnischen, kulturellen, religiösen und sprachlichen Identität der Minderheiten wird außerdem noch in der Erklärung über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören, aus dem Jahre 1992 nur den Staaten anvertraut, in denen solche Minderheiten leben. Sollte – so schlussfolgert Martino – in Zukunft das Prinzip des „inneren“ Selbstbestimmungsrechts explizit von den Vereinten Nationen anerkannt werden, so wären es nicht mehr alle Spanier, die über das Schicksal der Katalanen, Basken und Galicier zu entscheiden hätten, sondern diese Völker selbst!

 

Martino hat eine äußerst lesenswerte und Erkenntnis erhellende Dissertation vorgelegt. Diese enthält nicht zuletzt wichtige und sehr brauchbare Aufstellungen, wie etwa eine Liste der in den Parlamenten der autonomen Gemeinschaften vertretenen Parteien oder Koalitionen, die nationalistische oder regionalistische Ziele verfolgen [S. 254] oder die Aufstellung über die Regelungsbereiche, die die autonomen Gemeinschaften selbst regeln dürfen, wie Sprache, Zivilrecht, Polizei oder ökonomisch-fiskales System [S. 250-251]. Wenngleich der Verfasser durchgehend gute Übersetzungen ins Deutsche bietet, begegnen dem Leser an einigen Stellen Textpassagen bzw. ganze Absätze in kastilischer oder katalanischer Sprache, die er ohne die entsprechenden Sprachkenntnisse nicht immer ohne Weiteres versteht [vgl. etwa S. 99-103]. Ohne jeden Zweifel hat Martino aber insgesamt gesehen eine klar und stringent gegliederte, sich streng an die Quellen haltende, flüssig geschriebene und sorgfältig gearbeitete Abhandlung über die neuere und neueste Verfassungsgeschichte Spaniens geschrieben.

 

Saarbrücken                                                                                                  Thomas Gergen