Langewiesche,
Dieter, Europa zwischen Restauration und Revolution 1815-1849 (= Oldenbourg
Grundriss der Geschichte 13) 4. Aufl. Oldenbourg, München 2004. 256 S. 3 Kart.
Dieter Langewiesche nimmt sich mit diesem Band der Phase zwischen dem
Wiener Kongress und der Revolutionswelle von 1848 an, welche die Epoche der
„bürgerlichen Revolution“ beendete (S. 5). Der Wiener Kongress erscheint dabei
in durchaus positivem Licht, da sein Werk „die Grundlage für ein
funktionsfähiges Mächtesystem“ bildete, das „Kriege zwischen den europäischen
Großmächten vermeiden half“ (S. 3).
Eine große Qualität des Buches ist, wie trotz der
vielen Unterschiede zwischen den europäischen Staaten gemeinsame
Entwicklungslinien und Tendenzen, aber auch regionale Besonderheiten deutlich
herausgearbeitet sind, so das west-östliche Modernisierungsgefälle auf dem
Kontinent (S. 37) zwischen den „Eckpolen“ England und Russland (S. 115)
hinsichtlich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft; oder die Beobachtung, dass
die nationalen und liberalen Bewegungen vor 1848 keine substantiellen Reformen
erzwingen konnten, wenn die staatliche Zentralgewalt sich solchen verschloss.
Dies gilt beispielsweise für die Habsburger Monarchie, wobei Langewiesche deren
„unproduktive“ Politik nicht allein auf das Versagen einzelner Personen, z. B.
v. Metternichs, reduzieren möchte (S. 122).
Einige Länder werden eingehender beleuchtet als
andere: Frankreich, England und der Deutsche Bund. Die „Brüche in der Geschichte
Preußens im 19. Jahrhundert“ erschweren eine bündige Darstellung seines
Entwicklungsprozesses (S. 129). Für die Geschichtswissenschaft entsteht die
Gefahr, „politisierte ‚Identifikationsangebote’ bereitzustellen, die aus der
vielschichtigen preußischen Geschichte herausgreifen, was gerade opportun
erscheint“ (S. 129). Langewiesche prangert die damit verbundene „Verpreußung“
der deutschen Geschichte an (S. 130).
Breiten Raum in der Darstellung nehmen die
Revolutionen von 1848 und die Erforschung der Ursachen von deren Scheitern ein.
Hier geht der Autor zusätzlich zu den oben genannten Ländern ausführlich auf
Italien, Ungarn und die slawischen Landesteile Österreich-Ungarns ein. England
unterstützte aus der Überzeugung, ein starkes Österreich sei zur Machtbalance
auf dem Kontinent notwendig, die dortigen Revolutionen nicht. Russland leistete
der Gegenrevolution in Ungarn Waffenhilfe, Neapel, Spanien und Frankreich in
Rom: Langewiesche spricht von einem „Wettlauf europäischer Mächte“, zu Gunsten
des Papstes einzugreifen (S. 106).
Der Verfasser fordert, den Begriff „Bürgerliche
Revolution“ zu modifizieren, denn dieser trifft das Geschehen nur auf
institutioneller Ebene, nicht aber hinsichtlich der spontanen Bewegungen.
Trotzdem waren die europäischen Revolutionen „in ihrer Endphase ‚bürgerlicher’
als zu Beginn. Die spontane Revolution mit ihrer eigensinnigen Logik verlor an
Kraft, das Leitbild ‚bürgerliche Gesellschaft’ rückte in den Mittelpunkt. [...]
Es setzte sich in den beiden Revolutionsjahren als dominierendes Gegenmodell
zur vorrevolutionären Staats- und Gesellschaftsordnung durch. Dies dürfte die
bedeutendste, nicht mehr umkehrbare Folge der europäischen Revolutionen von
1848 gewesen sein.“ (S. 175)
Wie bei den anderen Bänden dieser Reihe geht der Autor
nach einer straffen und auch für historische Laien mit Gewinn lesbaren
Übersicht ausführlich auf die Kontroversen der Forschung ein. In diesem zweiten
Teil des Buches finden sich Kapitel zur Rolle des Staates im Modernisierungsprozess,
zu den politischen Bewegungen, zu den Unterschichten, dann natürlich zu den
Revolutionen und schließlich zur Internationalen Politik.
Anschau Eva
Lacour