Köbler, Gerhard, Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte, 3. Aufl. (730. Fassung). Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft Verlag, Gießen an der Lahn. 2005. XVI, 884 S.

 

Wie das Gehirn des Menschen Wissen speichert, ist auch nach mehrtausendjährigen Bemühungen menschlicher Wissenschaft im Grunde noch ziemlich ungewiss. Klar ist nur, dass der Mensch Wissen für sich und andere außerhalb seines Gehirns in verschiedener Weise übersichtlich und verständlich zu ordnen und darzustellen vermag. Als zwei allgemein anerkannte Arten der Wissensordnung haben sich dabei im Laufe der Zeit die systematische Darstellung, die einem Wissenselement den systematisch besten Platz einräumt, und die alphabetische Ordnung der Wissenselemente nach dem formalen Prinzip der in unbekannter Vorzeit ohne inhaltliche Überzeugungskraft entstandenen und bis in die Gegenwart eigentlich ohne grundlegende Abänderung fortgeführten Alpha-Beta-Gamma-Delta-Reihenfolge (bzw. ABC-Reihenfolge) der Anfangsbuchstaben von Wörtern durchgesetzt.

 

Aus diesem Grund ist schon im Altertum neben das systematische Lehrbuch das alphabetisch geordnete Lexikon getreten. Mit der allmählichen Zunahme des Wissens in das Unermessliche ist seine Bedeutung noch gewachsen. Das gesamte Wissen der Menschheit ist spätestens seit der frühen Neuzeit nicht mehr systematisch vollständig darstellbar, weshalb im 18. Jahrhundert das alphabetische Universallexikon geschaffen wurde.

 

Dabei umfasste das große vollständige Universallexikon aller Wissenschaften und Künste des an dieser Last wirtschaftlich zerbrechenden Verlegers Johann Heinrich Zedler (1706-1751) in Leipzig 64 Bände und vier Ergänzungsbände, ohne seinen Anspruch der Vollständigkeit wirklich einlösen zu können. Wegen dieser mit der raschen Zunahme des Wissens immer leichter einsehbaren Unmöglichkeit ist neben einem vielbändigen Universallexikon inzwischen auch ein einbändiges Universallexikon möglich geworden. Dieses kann selbverständlich nicht tatsächlich alles aufnehmen, sondern nur alles besonders Wichtige.

 

Das wohl umfassendste alphabetische Lexikon für den Wissenschaftsteil Rechtswissenschaft in deutscher Sprache ist ein Jahrhundert nach Zedler in dem von Julius Weiske (1801-1877) zwischen 1840 und 1862 redigierten fünfzehnbändigen Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten enthaltend die gesamte Rechtswissenschaft geschaffen worden. Nochmals ein gutes Jahrhundert später ist von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann in Einsicht in die Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit einer vollständigen systematischen Darstellung der Rechtsgeschichte (durch einen oder durch mehrere Bearbeiter) auch für den rechtsgeschichtlichen Teilbereich des Wissenschaftsgebiets Rechtswissenschaft nach philologischem Rat und Vorbild das von vielen Gelehrten mit den Herausgebern und für die Herausgeber erarbeitete fünfbändige Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte vorgelegt worden. Nach seiner Vollendung hat die folgende Forschergeneration soeben mit seiner zweiten Auflage begonnen.

 

Wie sich schon bei den allgemeinen Lexika gezeigt hat und wie auch die allgemeinen rechtswissenschaftlichen Lexika erweisen, bewirken aber die Individualität des Menschen und die Begrenztheit ihrer verfügbaren Mittel die unterschiedlichsten Bedürfnisse. Deswegen ist neben einem vielbändigen Detailwerk und neben der umfassenden oder grundlegenden systematischen Darstellung immer auch ein einbändiges alphabetisch ordnendes Kernwerk möglich und sinnvoll. Dieses Ziel hat sich das deutsches Recht, römisches Recht, kirchliches Recht und europäisches Recht ihrer Bedeutung entsprechend verwertende Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte gesetzt.

 

Nach Erschöpfung seiner zweiten, unter dem Titel Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte veröffentlichten Auflage wird nunmehr die dritte Auflage vorgelegt. Sie bezieht insbesondere den gesamten Inhalt der germanistischen Abteilung der Zeitschrift für Rechtsgeschichte ein, wodurch sich die Zahl seiner Artikel und Verweise auf die geschätzte Zahl von mehr als 6000 und die geschätzte Zahl seiner Literaturhinweise auf vielleicht 30000 erhöht haben dürfte. Damit dürfte sie das – aus deutschsprachiger Sicht - wesentliche rechtsgeschichtliche Wissen in der einem einbändigen Werk möglichen Art und Weise auf neuestem Stand erfasst haben, das nach Belieben im hoffentlich rasch fortschreitenden Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte und in der Gesamtheit der angeführten Literatur vertieft werden kann.

 

Frei einsehbar ist dabei sein Inhalt im Internet. Ihm dienen zahlreiche Aktualisierungen in jeweils neueren Fassungen. Angesichts der Volatilität des elektrischen Stromes mag gleichwohl auch der Druck auf Papier seinen gewissen Wert behalten, zumal er die freie Verfügbarkeit des Wissens auch ohne Elektrizität sichert.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler