Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig 1879-2004. 125 Jahre Oberlandesgericht und Rechtsanwaltskammer Braunschweig, hg. v. Isermann, Edgar/Schlüter, Michael. Meyer, Braunschweig 2004. 235S., Ill., Kt.

 

Bereits die Festschrift des Oberlandesgerichts Braunschweig „Justiz im Wandel der Zeit“ (hrsg. von Rudolf Wassermann; Redaktion: Reiner Nichterlein) von 1989 brachte eine detaillierte Geschichte des OLG Braunschweig (S. 11-110) sowie Beiträge über die Anwaltschaft am OLG, die Referendarausbildung, die Rechtsprechung bis 1936 im Spiegel der „Braunschweigischen Zeitschrift für Rechtspflege“ sowie Biographien über die OLG-Präsidenten Albert Schmidt, Bruno Heusinger und über die Braunschweiger Juristenfamilie Mansfeld und die Baugeschichte des OLG-Gebäudes. Der neue Band beschränkt sich nicht mehr auf das OLG, sondern geht auch ausführlich auf die Geschichte der Rechtsanwaltskammer Braunschweig (S. 64ff.; M. Schlüter) und die Biographien ihrer Präsidenten von 1879 an (S. 170ff.) ein. Ausführliche Biographien bringen M. Schlüter über Otto Haeusler, den ersten Kammerpräsidenten von 1879-1890 (S. 201ff.), D. Miosge über Victor Heymann, Kammerpräsident von 1920-1924 (auch Stadtrat; S. 207ff.), W. Knauer über Oskar Kahn, der in zahlreichen Sondergerichtsverfahren den Angeklagten das Leben rettete, und über den jüdischen Rechtsanwalt und Braunschweiger Politiker Norbert Regensburger, der Ende April 1933 den Freitod gewählt hatte (S. 218ff.); B. Schmidt beschreibt ferner die Karriere des Rechtsanwalts und DDP-Politikers Otto Bracke, der 1933 das Notaramt verlor (S. 97ff.). Neben Kartenmaterial (OLG-Bezirk Braunschweig 1879, 1978 und 1998) bringt der Band erstmals eine zusammenfassende Geschichte der Gerichte im Herzogtum und Land Braunschweig und im heutigen Landgerichtsbezirk Braunschweig (K. Meyer, S. 21ff. mit Abbildungen der Amtsgerichtsgebäude) sowie eine Geschichte der Gerichte im LG-Bezirk Göttingen, der 1998 zum OLG-Bezirk Braunschweig kam (M. Flotho, S. 57ff. über das „Justizhistorische Drama“ dieser Gliederung). Erstmals werden auch die Biographien der Präsidenten des LG Braunschweig und die Baugeschichte dieses Gerichts (S. 17ff., 154; S. 195ff. ausführliche Würdigung des LG-Präsidenten Adolf Dedekind, LG-Präsident von 1892-1905 durch B. Schmidt) und die Baugeschichte des LG-Gebäudes erschlossen (S. 17ff.; S. Hausmann).

 

Im Übrigen bringt der Band weitere Bausteine zur Geschichte des OLG Braunschweig: W. Knauer macht auf die „Lageberichte“ des Braunschweiger OLG-Präsidenten aufmerksam, von denen Texte von 1936, 1941 und 1944 mitgeteilt werden (S. 110ff.). S. 131ff. finden sich ausführliche Biographien der Präsidenten des OLG Braunschweig von 1879 bis 2001 (darunter diejenigen von Albert Schmidt, des ersten OLG-Präsidenten, eines ehemals radikalen Burschenschaftlers der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts, und von Louis Levin [1922-1930], einem engagierten Republikaner und Rechtsreformer, über den Wassermann 1988 eine „biographische Skizze“ vorgelegt hat), S. 191ff. die Ansprache von D. Miosge, Vorsitzender des Richterrats, anlässlich der Verabschiedung des Präsidenten Rudolf Wassermann und S. 181ff. die Biographien von Spitzenbeamten des Justizverwaltungsdienstes im OLG Braunschweig. Der Band wird abgeschlossen mit einer Bibliographie zur Braunschweiger Justizgeschichte. Leider bringt der Band keine neuen Beiträge mehr zur Rechtsprechungsgeschichte des OLG Braunschweig insbesondere für die Zeit nach 1945, was allerdings voraussetzen würde, dass die Urteile archivalisch aufbewahrt werden, wozu der Band keine Angaben enthält. Insgesamt sind Justizfestschriften eine unverzichtbare Grundlage für die neuere deutsche Justizgeschichte, zu welcher der neue Jubiläumsband zusammen mit der Festschrift von 1989 einen guten Beitrag liefert.

 

Kiel

Werner Schubert