In eigener Sache. Frauen vor den höchsten Gerichten des alten Reiches, hg. v. Westphal, Siegrid. Böhlau, Köln 2005. VI, 273 S.

 

In eigener Sache schreiben hier 10 Frauen und ein Mann über Frauen vor den höchsten Gerichten des alten Reiches. Ohne die älteren juristischen Standardwerke unmittelbar zu zitieren, geht es ihnen um die Überprüfung der dort vertretenen Ansicht von der allgemeinen Unterordnung der Frau unter den Mann in der frühen Neuzeit. Weil jüngere Untersuchungen daran Zweifel aufkommen lassen, hat sich die Nachwuchsgruppe Eigentums- und Besitzrechte von Frauen in der Rechtspraxis des alten Reiches (1648-1806) vom 15. bis 16. November 2002 in Jena zu einem Workshop Frauen vor den höchsten Gerichten des alten Reiches getroffen und hat die Herausgeberin die dort vorgetragenen Studien zu einem interessanten Sammelband vereinigt.

 

Zunächst referiert die Herausgeberin neuere Erkenntnisse, die das herkömmliche Bild für den Bereich des Strafrechts, auf dem die Frau schon immer Opfer und Täter sein konnte, korrigieren. Danach weist sie auf die Aufgabe hin, den Blick auf die Frauen zu richten, die Gerichte in Fragen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei streitigem Zivilrecht aus eigenem Antrieb in Anspruch nehmen. Schließlich legt sie als bereits allgemein bekannt die Tatsache dar, dass die grundsätzliche Einschränkung der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit aller Frauen im Verlauf der frühen Neuzeit für Unverheiratete, Verwitwete und Geschiedene wohl wegen der ökonomischen Funktion der Frau zurückging.

 

Die dieser Einführung folgenden elf Beiträge sind in vier Gruppen gegliedert. Die Inanspruchnahme der höchsten Gerichte auf breiterer Quellengrundlage behandeln Irene Jung (Wetzlarer Frauen vor dem Reichskammergericht) und Siegrid Westphal (Die Inanspruchnahme des Reichshofrats durch Frauen.). Irene Jung ermittelt in 935 Prozessen 144 Fälle von Frauen als Klägerinnen, von denen immerhin ein Viertel verheiratet war, Siegrid Westphal in rund 46000 Fällen rund 7800 Fälle mit Beteiligung von Frauen, wobei die Frauen in zwei Dritteln der Fälle klagen und in 12 Prozent der Fälle verheiratet sind.

 

Durch alle Instanzen verfolgen drei Studien die Frauen (meist in einem einzelnen Verfahren) vor Gericht (Ralf-Peter Fuchs, Der lange Kampf der Catharina von Dahlhausen um ihre Ehre, Hendrijke Carius, Von einem thüringischen Patrimonial- zum Reichskammergericht, Nicole Grochowina, Die höchste Gerichtsbarkeit und der Jenaer Schöppenstuhl). Geld und Geschäfte betrachten Anette Baumann (Klagen auf Unterhaltssicherung von Frauen), Anja Amend (Frauen in der handelsrechtlichen Jurisdiktion) und Barbara Staudinger (In puncto debiti). Um Streit in Ehe und Familie geht es bei Eva Ortlieb (Eine Fürstin verteidigt sich vor dem Kaiser), Pauline Puppel (Recht gegen Gewalt) und Dagmar Freist (Der Fall von Albini).

 

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Frauen in der frühen Neuzeit in allen Ständen und Gebieten Rechte hatten, auf die sie vor Gericht klagen und die sie mit Hilfe von Urteilen durchsetzen konnten. Anscheinend spielte das Geschlecht in der Gerichtsbarkeit im Verhältnis zu anderen Entscheidungskriterien nur eine nachgeordnete Rolle. Diese wichtigen Erkenntnisse sind zwar überwiegend nur mit Hilfe von Suchschnitten erzielt worden, doch dürfte der mit einem Verzeichnis der rund 200 beteiligten Einzelpersonen ausgestattete Tagungsband deutlich die Richtung weisen, in der umfassende Untersuchungen allgemeinere und stärker abgesicherte Ergebnisse finden können.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler