Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern. Band 1 Das erste und zweite Staatssekretariat Schmid 1945-1947, Redaktion Romeis, Wilma, bearb. v. Raberg, Frank (= Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern 1945-1952, hg. v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Teil III). Kohlhammer, Stuttgart 2004. CXXII, 546 S.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft teilten die Besatzungsmächte die alten Länder Württemberg und Baden in Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern auf. Nachdem die Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg in bislang fünf Bänden die Protokolle der Verfassung gebenden Versammlungen dieser Nachkriegsländer herausgegeben hat, werden nunmehr unter dem Reihentitel: „Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern 1945-1952“ die Kabinettsprotokolle der genannten Länder herausgegeben. Der Band 1 für Württemberg-Hohenzollern enthält die Protokolle der Landesdirektoren bzw. (seit dem 18. 1. 1946) des Direktoriums unter dem Vorsitz des Staatsrats und Landesdirektors Carlo Schmid. Lediglich aufgrund der logistischen Bedürfnisse der US-Besatzungsmacht, welche die Autobahn nach München beanspruchte, war der Südwesten auf der Linie Karlsruhe-Pforzheim-Stuttgart-Ulm halbiert worden. Mit dieser Zonengrenze war ein „geographisch, wirtschaftlich, landsmannschaftlich und historisch eng zusammengehörendes Gebiet“ (S. XVII) zerrissen worden. Die von den Deutschen gewünschte und von den Franzosen gebilligte Verwaltungseinheit mit dem nördlichen Württemberg kam nicht zustande, so dass am 16. 10. 1946 für das südliche Württemberg als deutsche Verwaltungskopfstelle ein „Staatssekretariat“ geschaffen wurde. Begriffe wie „Regierung“ oder „Ministerium“ wurden vermieden, um einerseits die „Inferiorität des Administrativkollegiums gegenüber der ,wahren’ württembergischen Regierung in Stuttgart herauszustellen, andererseits aber auch auf ihre Vorläufigkeit hinzuweisen“. Der Arbeitsweise, Amts- und Selbstverständnis des Staatssekretariats entscheidend prägende Carlo Schmid hielt stets daran fest, „die neu geschaffene zentrale Administrativbehörde sei ,eine Art von Abwesenheitspfleger der eigentlichen, jedoch an der Ausübung ihrer Funktionen im südlichen Landesteil behinderten Landesregierung’“(S. XXXf.). Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass für den Verwaltungsbereich – das spätere Land Württemberg-Hohenzollern – 1946/47 eine Verfassung ausgearbeitet wurde, die mit der Wahl des ersten Landtags am 18. 5. 1947 von der Bevölkerung angenommen wurde (S. LXIV).
Der vorliegende Band enthält die Protokolle des
„Staatssekretariats“ (der Beratungen der Direktoren), dessen letzte (133.)
Sitzung am 11. 7. 1947 stattfand. Der Band wird eingeleitet mit einer
lesenswerten Einleitung des Herausgebers Raberg über die Anfänge des
Landes Württemberg-Hohenzollern bis zu seiner verfassungsmäßigen
Konstituierung. Behandelt werden u. a. die ersten Wahlen zu den Gemeinde- und
Kreisversammlungen, aus denen die 68 Mitglieder der verfassungsberatenden
Landesversammlung gewählt wurden, die Entstehung der Verfassung des neuen
Landes, die Wahlen des ersten Landtags und die Bildung der ersten
verfassungsmäßigen Regierung unter Lorenz Bock als Staatspräsident
(Ministerpräsident). Es folgen Biographien der Mitglieder des
Staatssekretariats, dem als Landesdirektor für Wirtschaft der Verleger Gustav
Kilpper angehörte, der von 1934-1940 den Ausschuss für Urheber- und
Verlagsrecht der Akademie für Deutsches Recht leitete (hierzu W. Schubert
[Hrsg.], Bd. 9 der Protokolle der Ausschüsse der Akademie für Deutsches Recht,
Frankfurt a.M. 1999, S. 38ff., 534ff.). Der Inhalt der Protokolle wird gut erschlossen
durch ein Personen-, Orts- und ein aussagekräftiges Sachregister.
Beratungsgegenstände der Landesdirektoren waren vornehmlich die politischen
Säuberungen (Sonderweg für die Entnazifizierung bis Juli 1947), die Ernährungs-
und Flüchtlingsfrage, die Versorgung der entlassenen Kriegsgefangenen, die
Landwirtschaft, die Bodenreform und die Hohenzollernfrage. Auch der
Wiederaufbau der Justiz kam wiederholt zur Sprache (Errichtung des Oberlandesgerichts
Tübingen, Wiedereröffnung der Landgerichte, Neubegründung einer
Verwaltungsrechtspflege und Arbeitsgerichtsbarkeit, „Ergänzung der bestehenden
Strafgesetze“, Neuorganisation der Rechtsanwaltschaft und des Notariats). Ein
wichtiger Beratungsgegenstand war auch das Kommunalrecht (Gemeindeordnung). Die
Protokolle behandeln die einzelnen Tagesordnungspunkte in der Regel sehr knapp.
Z. B. wurde in der Sitzung vom 25. 9. 1946 die Rechtsanordnung über eine
„vorläufige Regelung auf dem Gebiete des Erbhofrechts“ beraten. Im Protokoll
heißt es hierzu lediglich: „Die von der Landesdirektion für Justiz vorgelegte
Rechtsanordnung wird beschlossen“ (S. 276). Hier und an vergleichbaren Stellen
vor allem für den Justizbereich wäre eine kurze Kennzeichnung des Inhalts dieser
Rechtsanordnung in der Fußnote (evtl. mit Hinweis auf evtl. archivalische
Überlieferung) nützlich gewesen. Auf diese Weise hätten die Protokolle an
Anschaulichkeit gewonnen. Auch die Einleitung des Herausgebers geht leider
nicht näher auf die wichtigsten Beratungsgegenstände ein. So fehlen etwa
detailliertere Informationen zur Bodenreform und zur Neuordnung des
Kommunalrechts. Insgesamt zeigt bereits der vorliegende Band, dass die
Kabinettsprotokolle für die drei südwestdeutschen Länder auch von
übergreifendem rechts- und verfassungshistorischem Interesse sind für die
unmittelbare Nachkriegszeit – aus Württemberg-Hohenzollern kamen die
Nachkriegszeit und die frühe Bundesrepublik so prägende Politiker wie Carlo
Schmid und Gebhard Müller, in welcher die Länder insgesamt einen
wichtigen Beitrag zur rechtlichen Neuordnung Deutschland leisteten.
Kiel |
Werner Schubert |