Der Privatbankier. Nischenstrategien in Geschichte und Gegenwart. 14. Wissenschaftliches Kolloquium am 29. November 2001 im Städelschen Kunstinstitut und Städtische Galerie, Frankfurt am Main, auf Einladung der Gontard & MetallBank AG , hg. v. Institut für bankhistorische Forschung (= Bankhistorisches Archiv, Beiheft 41). Steiner, Stuttgart 2003. 146 S., 22 Abb.

 

Ohne spezifisch rechtshistorische Fragestellungen, wohl aber von wirtschafts- und allgemeingeschichtlichem Interesse ist ein Heft mit Beiträgen zur Situation der Privatbanken seit 1870. Da die Privatbanken nie ohne ihr Pendant, die Aktienbanken, zu sehen sind, erweist sich das Thema „Privatbankiers“ als ein Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Banken aus einer speziellen, reizvollen Perspektive. Zwei Aufsätze zur aktuellen Einschätzung der Privatbanken und das Protokoll einer Podiumsdiskussion vervollständigen den Band.

 

Drei Beiträge sind historisch angelegt. Morten Reitmayer, Dieter Ziegler sowie Christoph Kaserer und Marlise Berner behandeln das sich verändernde wirtschaftliche Umfeld vor, zwischen und nach den Weltkriegen, in dem die deutschen Privatbanken sich in den Nischen zurechtzufinden und einzurichten suchten, in welche die erstarkenden Aktienbanken sie mehr und mehr verdrängten. Dabei waren es die Privatbanken selbst gewesen, die die Konkurrenz ins Leben gerufen hatten. Nach der Liberalisierung des Aktienrechts (Übergang zum System der Normativbestimmungen im Jahre 1870) hatten die Privatbankiers den Plan verfolgt, Aktienbanken zu gründen und eine Reihe besonders riskanter Geschäftsfelder auf sie zu übertragen – eine Art Outsourcing der Gründerzeit. Doch bereits wenige Jahre später, in dem sich verschärfenden Umfeld der Gründerkrise, gingen die Aktienbanken entweder ein oder aber ihre Vorstände brachen aus dem engen Terrain aus, in das die Privatbankiers in ihren Aufsichtsräten sie einzuhegen versuchten. Räumlich ging dies Hand in Hand mit einer Verlagerung der wichtigsten Bankengeschäfte von Frankfurt am Main in die Reichshauptstadt Berlin, wo bald die Aktienbanken den Ton angaben und die Privatbanken überflügelten: Eine Machtverschiebung von den Eigentümern zu den Managern. Auch wenn die Privatbanken nun langsamer wuchsen als ihre selbst geschaffene Konkurrenz, ließ die insgesamt rasch weiter wachsende Ökonomie des Kaiserreichs auch ihnen noch Expansionspotential. Auch nach 1918 behielten die Privatbankiers, die zu einem bedeutenden Teil Juden oder jüdischer Abstammung waren, zunächst eine große wirtschaftliche Bedeutung, vor allem bei der Betreuung von finanzstarken Kunden, während die Aktienbanken das Massengeschäft übernahmen. Opportunistisch schalteten die Nationalsozialisten nach 1933 auch die als jüdisch geltenden Bankhäuser ein, um von deren guten internationalen Kontakten zu profitieren und auch so den gewaltigen Kapitalbedarf zur Kriegsvorbereitung zu befriedigen. 1938 war diese relative Schonfrist vorbei. Die „jüdischen“ Privatbanken mussten die Tore schließen oder wurden unter erpresserischen Umständen oder zumindest unter Ausnutzung der Notlage der Eigentümer „arisiert“. So verloren die Privatbanken auch insgesamt weiter an Bedeutung, die sie auch nach dem Krieg nicht wiedererlangten. Nach 1945 und dann im friedlicheren Fahrwasser der Bundesrepublik sind vor allem die Entnazifizierung der Privatbanken und die Restitutionsfragen noch von Interesse.

 

Frankfurt am Main                                                                                         Albrecht Cordes