Boundaries of the Law. Geography, Gender and Jurisdiction in Medieval and Early Modern Law, hg. v. Musson, Anthony. Ashgate, Aldershot 2005. X, 196 S.

 

Die qualitativ sehr unterschiedlichen Aufsätze in diesem Sammelband gehen auf Vorträge zurück, die auf der Second International Legal History Conference zum Thema Mapping the Law im April 2003 an der Universität von Exeter gehalten wurden. Auf die Einleitung von Anthony Mussen (S. 1-6) folgen elf Beiträge, von denen sich acht mit dem (vornehmlich englischen) Mittelalter beschäftigen. W. M. Ormrod (Law in the Landscape: Criminality, Outlawry and Regional Identity in Late Medieval England, S. 7-20) betrachtet das 13.-15. Jahrhundert unter dem Aspekt der konträren Rechtsinteressen von Krone und lokalen Eliten. Der Notwendigkeit, standardisierte Verfahrensvorschriften zu erlassen, stand der Wille gegenüber, Auseinandersetzungen unter eigener (lokaler) Ägide zu regeln. Wie tief dass königliches Recht (royal justice) im englischen Spätmittelalter verwurzelt war, bestimmten nach Ormrod die einzelnen Regionen, nicht die Zentralregierung. Thomas Gergen (The Geographical and Practical Legal Impact of the Peace of God in Eleventh Century Aquitaine, S. 21-29) will mit drei Beispielen seine These belegen, dass die 989 in Charroux ausgerufenen statuta pacis bis 1147 angewandt wurden. Trisha Olson (Sanctuary and Penitential Rebirth in the Central Middle Ages, S. 38-52) unterstreicht, dass das mittelalterliche Kirchenasyl aus zeitgenössischer Sichtweise durchaus mit der Auffassung von Recht und Gerechtigkeit kompatibel war. Catherine Rider (Between Theology and Popular Practice: Medieval Canonists on Magic and Impotence, S. 53-66) beschäftigt sich mit der durch Magie hervorgerufenen Impotenz, gibt einen gelungenen Überblick über die Behandlung dieses Themas im Kirchenrecht und Alltag und weist auf seine Bedeutung für den Umgang mit ketzerischen Anschauungen hin. Sara M. Butler (Maintenance Agreements and Male Responsibulity in Late Medieval England, S. 67-83) untersucht die Position von Kirche und Krone zu Unterhaltsansprüchen einer getrennt lebenden oder geschiedenen Frau an ihren Ex-Ehemann und gibt Auskunft über Höhe und Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche. Anthony Musson (Crossing Boundaries: Attitudes to Rape in Late Medieval England, S. 84-101) betont zunächst, wie wichtig Quellenkritik auch im Bereich der (interdisziplinären) Rechtsgeschichte ist und kündigt eine größere Studie der Vergewaltigungsdelikte auf der Grundlage der Gaol Delivery-, oyer et terminer- sowie keeper/justices of the peace-Gerichtsakten an, dessen vorläufige Ergebnisse allerdings bereits weitgehend bekannt sind. Mia Korpiola (Rethinking Incest and Heinous Sexual Crime: Changing Boundaries of Secular and Ecclesiastical Jurisdiction in Late Medieval Sweden, S. 102-117) skizziert unter besonderer Berücksichtigung des Statute of Heinous Crime von 1439, wie die weltlichen Gerichte die (zunehmend schärfere) Bestrafung von schweren Sexualdelikten (Sodomie, Bigamie, Ehebruch, Inzest mit Verwandten ersten Grades) von der Kirche übernahmen, der ein Anteil an den Geldstrafen zuerkannt wurde, was vermutlich dafür sorgte, dass keine starke Rivalität zwischen den beiden Jurisdiktionen in diesem Bereich aufkam. Dirk Heirbaut (Rules for Solving Conflicts of Law in the Middle Ages: Part of the Solution, Part of the Problem, S. 118-129) beschäftigt sich mit Aspekten des flämischen Feudalrechts im Hochmittelalter und argumentiert, dass die Regeln zur Konfliktbewältigung vornehmlich als Machtinstrument anzusehen sind und daher nur bei solchen Konflikten erfolgreich waren, wo sich das Lehen und der Gerichtshof in verschiedenen Teilen Flanderns befanden und somit nur verschiedene lokale flämische Gesetze in Einklang miteinander gebracht werden mussten. Louis A. Knafla (The Geographical, Jurisdictional and Jurisprudential Boundaries of English Litigation in the Early Seventeenth Century, S. 130-148) argumentiert, dass die Gerichtsakten auf lokaler wie zentraler Ebene gemeinsam untersucht werden müssen, um ein vollständiges Bild vom Zusammenspiel der verschiedenen Jurisdiktionen und ihrer Rolle in der Gemeinschaft gewinnen zu können, und demonstriert dies anhand der Grafschaft Kent, wo für die Zeit vom Oster-Quartal 1598 bis zum Hilary-Quartal 1603 im Rahmen eines umfangreicheren Forschungsprojekts Quellen unterschiedlichster Art analysiert wurden. Daniel Klerman (Jurisdictional Competition and the Evolution of the Common Law: An Hypothesis, S. 149-168) präsentiert die gewagte Hypothese, dass die Konkurrenz der Gerichte untereinander zu einer für den Kläger vorteilhaften Schieflage (pro-plaintiff bias) im Common Law führte, und sieht diesen Wettbewerb als Motor des Rechtsentwicklung an. Die (fiktive) Bill of Middlesex wird als Erfindung des chief clerks John Rooper (seit 1498) dargestellt, obwohl Beispiele von diesen Bills bereits seit den 1450er Jahren in den Gerichtsakten zu finden sind. Jonathan Rose (English Legal History and Interdisciplinary Legal Studies, S. 169-186) gibt einen allgemeinen Überblick über die mittelalterliche und frühneuzeitliche englische Rechtsgeschichte und die Möglichkeiten zu interdisziplinärer Forschung. Der etwas enttäuschende Band wird durch einen Index erschlossen.

 

Fürth                                                                                                                         Susanne Jenks