Zettler, Alfons, Geschichte des Herzogtums Schwaben. Kohlhammer, Stuttgart 2003. 272 S.

 

Das Herzogtum Schwaben zählt zu den großen Themen der hochmittelalterlichen Landesgeschichte Südwestdeutschlands. Die verfassungs-, rechts- und ideengeschichtlichen Dimensionen der Herzogsherrschaft waren bereits Gegenstand einer umfassenden modernen Analyse (Maurer, Helmut, Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer, salischer und staufischer Zeit. Thorbecke, Sigmaringen 1978). Die seitherige Zunahme unseres Wissens über das frühe und hohe Mittelalter im Südwesten (etwa durch die Arbeiten von M. Borgolte, D. Geuenich, K. Schmid, Th. Zotz) rechtfertigt eine neue monographische Bearbeitung durch Alfons Zettler, den Inhaber des Lehrstuhls für mittelalterliche Geschichte der Universität Dortmund. Zettler möchte sich nicht auf die die Zeit der schwäbischen Herzöge beschränken (um 911 bis 1268), sondern bezieht die Vorgeschichte und das Nachleben des Herzogtumes Schwaben in seine Darstellung mit ein.

 

Die Quellenlage für die schwäbisch-alemannische Frühgeschichte ist bekanntermaßen unbefriedigend; gleichwohl kann Zettler – nicht zuletzt vor dem Hintergrund jüngerer archäologischer Forschungen – einige Vorbedingungen für die hochmittelalterliche Entwicklung plausibel herausarbeiten, namentlich die Ethnogenese der Alemannen in der Spätzeit des römischen Reiches und unter fränkischer Oberherrschaft, die Entstehung bis in die Neuzeit wirksamer kirchlicher Strukturen in der Merowingerzeit, die Stabilisierung einer alemannischen Identität im Hochadel Alemanniens und schließlich die Wahrnehmung Alemanniens als herrschaftliche Einheit in der Karolingerzeit. Einmal mehr erweisen sich die spätantiken Gegebenheiten in Südwestdeutschland nicht als bloße Vorgeschichte, sondern als prägend für das gesamte weitere Mittelalter. Eine nachträgliche Bestätigung erfährt Zettler darin durch die aktuellen archäologischen Ausgrabungen am Konstanzer Münsterhügel, welche endlich definitiv beweisen, daß dieser wichtigste schwäbische Bischofssitz in der Tradition einer spätantiken Militärsiedlung steht.

 

Die eigentliche Geschichte des Herzogtumes Schwaben beginnt im frühen 10. Jahrhundert. Nach dem Erlöschen des Karolingerhauses setzten einheimische Adelige die Herzogsherrschaft gegen den Widerstand des Bischofs Salomo III. von Konstanz durch, der als Vertreter der Reichsgewalt handelte. Zettler zeigt, daß starke Elemente der Kontinuität diesen Bruch begleiteten: Der alemannische Hochadel hatte schon zuvor herrschaftliche Funktionen im Auftrag der Karolinger übernommen gehabt; zudem zeichnet sich bereits für die frühottonische Zeit die charakteristische enge Einbindung des Herzogtumes in die Reichspolitik ab. Zettler greift prosopographisch und genealogisch auf sein Thema zu: Die Geschichte des Herzogtumes wird weitgehend als Geschichte der Herzöge, ihrer Abstammung, ihrer Heiraten und ihrer sonstigen Verwandtschaftsbeziehungen rekonstruiert. Dieser Fokus auf die personale Seite der herzoglichen Herrschaft erhellt die Außenbeziehungen der Herzöge ins Reich, nach Italien und nach Burgund. Die rechtlichen und materiellen Grundlagen des Herzogtumes, die Mechanismen der herzoglichen Herrschaft, ihre strukturellen Möglichkeiten und Begrenzungen bleiben demgegenüber ausgeblendet. Zettler rechtfertigt dies mit dem Hinweis auf die hierzu bereits vorhandene Literatur (S. 13); dem ambitionierten Titel seines Buches wird er damit nicht gerecht.

 

Das letzte Kapitel behandelt auf eben einmal zehn Seiten das Nachleben des Herzogtumes Schwaben, wobei das Hauptaugenmerk dem Interregnum und der Zeit Rudolfs von Habsburg gilt. Diese Lakonik mag sachlich gerechtfertigt sein, weil das Herzogtum Schwaben von 1268 an dem Reich inkorporiert war und somit nur mehr ein verfassungsrechtliches Dasein führte. Sie steht jedoch im Widerspruch zum Einleitungskapitel; dort kündigt Zettler das „Nachleben des Herzogtums“ als Gegenstand der Darstellung an und betont die Bedeutung des Herzogtumes Schwaben für die Identität des modernen Bundeslandes Baden-Württemberg und des Volkes im deutschen Südwesten. Indes beschließt er die Darstellung mit dem Jahr 1495, als König Maximilian I. Württemberg zum Herzogtum erhob – aber gerade nicht zum schwäbischen Herzogtum, sondern zu einem Herzogtum in Schwaben, wie Zettler richtig herausstellt (der König von Württemberg legte sich 1806 den Titel eines „souverainen Herzogs in Schwaben und von Teck“ bei). Für die vitale Fortexistenz des Glaubens an die politische Einheit Schwabens gaben ohnehin weder der erst 1806 erloschene Schatten des Herzogtumes noch gelegentliche hegemoniale Ambitionen Württembergs den Ausschlag. Vielmehr müßte in diesem Kontext der Schwäbische Reichskreis genannt werden, welcher in der frühen Neuzeit wesentliche Teile des ehemaligen Herzogtumes Schwaben umfaßte und dessen Institutionen eine wichtige Funktion im Gefüge der Reichsverfassung zukam. Der Schwäbische Kreis knüpfte zudem bewußt an die Tradition des Herzogtumes Schwaben an, etwa bei der Aufnahme der Stauferlöwen ins Kreiswappen.

Der Text des Buches ist recht sorgfältig lektoriert; dagegen fallen die Qualität der Abbildungen und die Transparenz der Stammtafeln 1 und 3 ab. Angesichts der Fülle der bewältigten, mitunter kontroversen Literatur wären Fußnoten benutzerfreundlicher gewesen als Endnoten; dafür entschädigen eine Zeittafel sowie das Personen- und Ortsregister. Insgesamt stellt das Buch eine nützliche Ergänzung zur weiterhin gültigen Standardliteratur dar.

 

Konstanz                                                                                            Harald Rainer Derschka