Wüst, Wolfgang, Die „gute“ Policey im Reichskreis. Zur frühmodernen Normensetzung in den Kernregionen des Alten Reiches. Bd. 2 Die „gute“ Policey im Fränkischen Reichskreis. Akademie Verlag, Berlin 2003. 871 S.

 

 

Nach dem Schwäbischen Reichskreis hat Wolfgang Wüst die „gute“ Policey im Fränkischen Reichskreis bereits bearbeitet und abgehandelt. Mit Beispielen aus mehr als dreißig Territorien erweist sich der Reichskreis in der zentralen Gesetzgebung als überaus aktiv in der frühmodernen „Ordnungspolitik“. Vielfach setzten die Stadt- und Dorfordnungen, Weistümer und Gerichtsstatuten schon im Mittelalter ein, doch im 16. Jahrhundert erreichte die „Policey“ eine neue Qualität als Regelwerk. Vor allem zeigen und belegen die edierten Quellen aus Franken, wie intensiv die Reichsgesetzgebung auf die Statuten und Ordnungen territorialer und städtischer Policey wirkte. In der „Historischen Einleitung“ referiert Wolfgang Wüst die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der Policeyforschung und der Polizeiwissenschaft. Thematisch reicht die Spannweite der ausgewählten Quellen von Maßnahmen gegen das schuldenfördernde „fressen und saufen“ in öffentlichen Gasthäusern und vor allem bei Hochzeiten, Kindstaufen und Kirchweihen, gegen die Spielleidenschaft, gegen Ehebruch, Fluchen und Gotteslästern, bis zu praktischen Anleitungen zur Seuchen- und Katastrophenprävention. Dabei spielten die Kirchweihen und der Kirchweihschutz als Merkmal territorialer Hoheit in Franken eine besondere Rolle. Zwischen katholischen und protestantischen Gebieten werden Unterschiede in den Ordnungen erkennbar, die in ihrer Vielfältigkeit eine Fundgrube auch für Volkskundler ergeben. Die „gute“ Policey umfasste aber nicht nur Regelungen zum Kirchgang und zum richtigen Feiern, sondern auch zum Arbeits-, Handwerks- und Zunftleben und zur Gewerbeordnung. Die Ordnungen enthalten zudem Vorschriften zur Vorsorge im Gesundheitswesen bis hin zur Ausweisung Kranker bei Seuchengefahr. Einen wichtigen Platz nehmen die vielen Maßnahmen gegen das Bettelwesen, gegen Diebe, Gauner, Straßenräuber und gegen drohende Bandenkriminalität ein. Dabei stellten sich die Fragen nach grenzübergreifenden Kooperationen, weshalb der Reichskreis als einigendes Band mehr und mehr in den Blickpunkt rückte. Nach 1555 waren die gesetzgeberischen Aktivitäten auf Kreisebene ein steter Orientierungspunkt für die einzelnen Territorien oder Städte. Dies gilt etwa für die Münzpolizei oder auch für die vielen Kleider- und Luxusvorschriften. Es fällt auf, dass sich an vielen Orten die Policeygesetze in nur kurzen Abständen wiederholten und an veränderte Verhältnisse angepasst wurden. Nachdrücklich betont Wolfgang Wüst die wichtige Rolle des Kaisers und des Reichstages als Initiatoren für die Normengebung und Normensetzung. Die Normendurchsetzung ist eine andere Frage. In vielerlei Hinsicht bildeten Policey und Konfession eine Einheit, wie zahlreiche Beispiele eindrucksvoll belegen. Eine Schlüsselrolle kam dabei den in den Policeyordnungen immer wieder genannten Pfarrern, Lehrern, Beamten, Juristen und Dorfmeistern zu. Kirchenzucht und vor allem „kinderzucht“ nehmen eine zentrale Stellung ein, was die Ordnungen zu wichtigen und reichen Quellen zur Schulgeschichte macht. Bei den Wirkungen der Policey-Ordnungen auf die „Sozialdisziplinierung“ bleibt Wolfgang Wüst sehr vorsichtig. Von den edierten Quellen stammen sieben aus den fünf Reichsstädten in Franken und vier aus landsässigen Städten. Für die geistlichen Staaten kommen 2 Ordnungen aus Klosterbesitz und sechs Policey-Ordnungen aus den drei Hochstiften. Bei den weltlichen Staaten wurden 3 Beispiel aus Brandenburg-Ansbach, zwei aus Brandenburg-Bayreuth und eines aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg ausgewählt. Die Reichsritterschaft ist mit fünf Beispielen vertreten und den Abschluss bildet die Policey-Ordnung des fränkischen Reichskreises von 1572, die dieser als einziger Kreis im Reich erließ. Die edierten Ordnungen bilden in vielerlei Hinsicht wahre Fundgruben und sie bereiten bei der Lektüre auch Vergnügen.

 

Buckenhof                                                                                                                            Rudolf Endres