Wrabetz, Peter, Österreichs Rechtsanwälte in
Vergangenheit und Gegenwart. Verlag Österreich, Wien 2004. 384 S.
Einundvierzig Männer und eine Frau sehen dem Leser von der Umschlaghülle aufmerksam entgegen. Sofern die Ordnung chronologisch ist, steht am Anfang noch vereinzelt die Perücke. Gegen Ende sind die Bärte fast völlig geschwunden.
Weil es ohne Vergangenheit keine Zukunft gibt, bekennen sich Rechtsanwälte auch zur Geschichte. Ihre Herausgabe hat der 1842 gegründete juridisch-politische Leseverein übernommen. Ihm ist schon Wilhelm Brauneders Leseverein und Rechtskultur zum 150jährigen Jubiläum des Vereins zu verdanken.
Gut zehn Jahre später erzählt Peter Wrabetz die Geschichte seines Berufstandes in Österreich. Unterstützt hat ihn dabei eine ausgewiesene Historikerin. Bestimmt ist das ansprechende Buch für eine breitere Leserschaft.
Den Beginn bilden dabei die Wurzeln im römischen und deutschen Recht bis etwa zur ersten Jahrtausendwende. Dass dafür eigene Forschungen nicht wirklich notwendig sind, ist leicht verständlich. Deswegen schadet auch der Exkurs über Talar und Robe an dieser Stelle nicht wirklich.
Angefügt werden dem die Anfänge der berufsmäßigen Parteienvertretung auf österreichischem Boden, wobei in einem Exkurs Michael Kohlhaas berührt wird. Als Zäsur wird dabei die erste Advokatenordnung auf österreichischem Boden genommen (1638), so dass erst mit ihr die Herausbildung eines Advokatenstandes bejaht wird. Unter der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 werden danach für das Jahr 1800 122 Advokaten in Wien ermittelt, mehr als 70 in Prag und 42 in Graz.
Auch für die Advokaten erfolgt 1848 eine juridisch-politische Wende, deren Auswirkungen bis nach Ungarn, Venedig und Polen aufgespürt werden. Die Advokaten sind in der verfassunggebenden Nationalversammlung des Deutschen Bundes in Frankfurt am Main, im konstituierenden Reichstag in Wien und Kremsier vertreten und stellen mit Alexander Bach sogar eine führende Figur des Neoabsolutismus. Durch die als kaiserliche Verordnung ergangene provisorische Advokatenordnung vom 16. August 1849 werden sie in Advokatenkammern (Wien, Oberösterreich, Steiermark, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Klagenfurt, Laibach, Triest, Görz) vom Gericht gelöst.
Nach der Durchsetzung einer Verfassung eröffnet die Advokatenordnung von 1868 die freie Advokatur. Von den seit 1897 zum Studium zugelassenen Frauen wird Marianne Beth 1928 die erste Frau unter den seit 1919 auch in Österreich so genannten Rechtsanwälten. Der Nationalsozialismus dezimiert freilich die Rechtsanwälte in Wien 1938 von 2541 auf 771, während sich beispielsweise in Vorarlberg nur wenig ändert.
Genauer werden die neuen Wege nach Wiederentstehen der Rechtsanwaltskammern unter den Präsidenten Hunna, Kaan, Stölzle und Schuppich geschildert. Sorgfältig wird die Entwicklung des Berufsrechts nachgezeichnet. Das internationale Umfeld, die Politik und die Wissenschaft werden einbezogen.
Danach wird weit mehr als ein Dutzend von Anwaltsvereinigungen vorgestellt. Feuerwehrwesen, Sport, Kultus und Honorarkonsulate werden gestreift. Italien, Liechtenstein, Kroatien, Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn werden trotz ihrer Verselbständigung weiter im Auge behalten und als Krönung schließlich drei Bundespräsidenten in einen Epilog aufgenommen.
Der Anhang bietet ein biographisches Lexikon mit etwa 500 Artikeln in Stichwörtern, eine Chronik, eine Bibliographie und ein Register. Graphiken veranschaulichen die zahlenmäßige Entwicklung, die überall von starker allgemeiner Zunahme sowie einer Steigerung des Anteils der Frauen auf etwa ein Drittel gekennzeichnet ist. Insgesamt ein wohlgelungenes, reich bebildertes Werk, das durch kapitelweise angehängte Fußnoten auch eine wissenschaftliche Vertiefung ermöglicht.
Innsbruck Gerhard Köbler