Vorholz, Irene, Die Rechts- und
Staatswissenschaftliche Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
von der Novemberrevolution 1918 bis zur Neukonstituierung der Fakultät 1992 (=
Greifswalder rechtswissenschaftliche Reihe 9). Heymann, Köln 2000. XIV, 273 S.
Die Arbeit
ist die von Stefan Korioth betreute, 1999 von der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald angenommene
Dissertation der Verfasserin. Sie will berichten und deuten und stellt dabei
die Fakultät als Institution in den Mittelpunkt, so dass grundsätzlich
vermieden wurde, auf einzelne Persönlichkeiten unter den Professoren
einzugehen. Chronologisch geordnet werden 6 Kapitel unterschieden.
Nach einer kurzen
Einleitung bietet die Verfasserin einen historischen Abriss über die 1456 auf
Betreiben des damaligen Bürgermeisters Heinrich Rubenow entstandene, von Anfang
an Juristen umfassende Universität. Dabei sieht sie die juristische Fakultät in
der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Georg Beseler und Bernhard Windscheid unter
den besten der damaligen Zeit. Zwar war die Greifswalder Universität innerhalb
Preußens die kleinste, doch hatte sie am meisten Grundeigentum unter allen
deutschen Universitäten.
1914 wurden
die staatswissenschaftlichen Lehrfächer aus der philosophischen Fakultät
herausgelöst und mit den sechs juristischen Lehrstühlen (vier für Privatrecht,
2 für öffentliches Recht, 1 für Strafrecht) zur rechts- und staatswissenschaftlichen
Fakultät vereinigt. Aktuelle geschriebene Statuten gab es zu dieser Zeit nicht,
ohne dass sich dies auf die Tätigkeit besonders ausgewirkt hätte. Auch die
finanzielle Dimension des Promotionswesens war bei einzelnen Professoren in
gewisser Weise einzigartig, obgleich die Zahl der Studierenden der Fakultät nur
zwischen 200 und 250 pendelte und die Studierenden die Vorlesungen schlecht und
den Repetitor eifrig besuchten.
Der
politische Umbruch 1918 änderte an den rechtlichen Grundlagen inhaltlich
zunächst nichts und erst 1932 erließ die Fakultät eigene Fakultätsstatuten. Die
Zahl der Studierenden der Fakultät verdoppelte sich allmählich. Mit Ausnahme
des demokratisch wirkenden Fritz Klingmüller traten die (seit 1920 mit 68
Jahren entpflichteten) Professoren politisch nicht hervor, während unter den
Studierenden sich bereits im Frühjahr 1930 eine absolute Mehrheit für die
nationalsozialistischen Hochschulverbände entschied.
Nach der
nationalsozialistischen Machtübernahme wurde im Anfang des Monats Mai Fritz
Klingmüller beurlaubt, im September 1933 (als „fanatisch überzeugter Demokrat
und Liberalist“) entlassen und im Januar 1934 wegen des Gesamtbilds seiner
Erscheinung in den Ruhestand versetzt. Weitere nationalsozialistische Maßnahmen
(gegen die Professoren Merkel und Junker aus politischen Gründen) folgten,
obgleich sich die Fakultät der nun nach Ernst-Moritz-Arndt benannten
Universität kaum von den meisten anderen Fakultäten und Universitäten
unterschied, und durch die Berufung nationalsozialistischer Professoren
(Theodor Oberländer, Heinz Seraphim, Günther Küchenhoff) erhielt die Fakultät zuletzt
nationalsozialistisches Gepräge. Die Zahl der Studierenden ging erheblich
zurück.
Am 29. Mai
1945 wurde auf Befehl des sowjetischen Oberkommandos in Stettin der Lehrbetrieb
eingestellt. Die juristische Fakultät wurde (anders als bis 1950 das
konkurrierende Rostock) kurz danach geschlossen. Die wenigen verbliebenen
Professoren wurden bedarfsgemäß entnazifiziert und überwiegend entlassen.
1956
überbrachte zum fünfhundertjährigen Jubiläum Ministerpräsident Otto Grotewohl
als Geschenk der Regierung die Stiftung einer Professur für Staats- und
Rechtstheorie. Sie hatte aber keine wesentlichen Folgen. Eine juristische
Fakultät war nicht ernsthaft erwünscht.
Erst im
Januar 1990 kam parallel zur Gründung eines Instituts für
Wirtschaftswissenschaften der Vorschlag auf, eine juristische Fakultät zu
bilden. Vorausgegangen waren persönliche Kontakte Karl-Ulrich Meyns mit
Greifswalder Universitätsangehörigen als späte Folge einer 1988 versuchten Universitätspartnerschaft.
Am 15. Juni 1990 beschloss der frei gewählte Senat der Universität einstimmig,
eine juristische, wirtschaftswissenschaftliche und agrarwissenschaftliche
Fakultät zu bilden und noch vor dem 3. Oktober 1990 wurden 24 zu besetzende Stellen
ausgeschrieben. Am 26. Oktober 1992 wurde nach Ernennung fünfer Professoren die
Konstituierung der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät gefeiert.
Die
vorsichtige, objektive Bestandsaufnahme der Verfasserin überzeugt. Im Anhang
gleicht ein Lehrkräftespiegel die einleuchtende Konzentration auf die Fakultät
brauchbar aus. Mögen der neuen Fakultät günstigere Umstände beschieden sein,
als sie die Verfasserin für schwierige Zeiten aus Akten und Gesprächen zuverlässig
dokumentieren musste.
Innsbruck Gerhard
Köbler