Thomas Ebendorfer, Chronica regum Romanorum, hg. v. Zimmermann, Harald (= Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum Nova Series 18, Teil 1, Teil 2). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2003. CII, 626, VI, 627-1249 S.
Wenn ein Wissenschaftler seit seiner Dissertation vor fünfzig und mehr Jahren mit einem Autor befasst ist, hat er ein inniges Verhältnis zu ihm gefunden. Er kennt und versteht ihn besonders gut. Er ist aber zugleich auch sehr erleichtert, wenn er nach dieser langen Zeit noch die Gelegenheit zu einer abschließenden Bilanz findet.
Sie besteht in diesem Fall bei Harald Zimmermann darin, durch die Edition einer Chronik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts zu zeigen, was man gegen Ende des Mittelalters von den vergangenen Zeiten zu wissen für wichtig hielt. Autor der Chronik ist der Wiener Theologe und Historiker Thomas Ebendorfer (1388-1464) aus Haselbach bei Korneuburg in Niederösterreich. Von ihm gaben bereits Zimmermanns Lehrer Alphons Lhotsky (1903-1968) 1967 die Chronica Austriae und Zimmermann selbst 1994 die Chronica pontificum Romanorum heraus und über ihn verfasste wiederum schon Alphons Lhotsky 1957 eine bis heute unersetzte, wenn auch keineswegs erschöpfende Biographie.
Der früh verwaiste Ebendorfer, den die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica unter Edmund E. Stengel (1938-1942) in ihr Programm aufnahm, begann 1408 das Studium in Wien, wurde 1412 Stipendiat des Collegium ducale, empfing 1421 die Priesterweihe, wurde 1423 Rektor der Universität und 1427 Domherr zu Sankt Stephan in Wien, promovierte am 22. Juni 1428 zum Doktor der Theologie und erlangte im gleichen Jahr ein Ordinariat seiner Fakultät.
Entschieden bedeutsamer als alle seine vielfältigen anderen, vor allem auch diplomatischen Leistungen sind seine historischen Werke. Ihre wichtigste Handschrift ist die nachträglich buchbinderisch zusammengefasste Handschrift Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 3423, die seine Cronica pontificum von 1458 (f. 1-134), den 1451 begonnenen Tractatus de schismatibus (f. 137-163), die (vielleicht nach langjährigen Vorarbeiten) 1449 in königlichem Auftrag begonnene und wohl noch 1450 abgeschlossene Cronica regum Romanorum (f. 164-349) und die Kreuzzugsgeschichte Hystoria Jerusalemitana (f. 357-383) enthält, nicht dagegen die nicht als Autograph erhaltenen, wohl 1450 begonnenen Werke Chronica Austriae und Cathalogus presulum Laureacensium (Passauer Bischofschronik).
Gegliedert ist die von der Antike bis zur eigenen Zeit reichende, Bischof Otto von Freising als Vorbild betrachtende, viele Vorlagen ohne Zögern ausschreibende, lateinische Kaisergeschichte in sechs Bücher. Nach Abhandlung der antiken Weltmonarchien beginnt mit Augustus das zweite Buch, mit Konstantin dem Großen das dritte Buch, mit Pippin und Karl dem Großen das vierte Buch, mit Otto dem Großen das fünfte Buch und mit Rudolf von Habsburg das sechste Buch. Die Planung der österreichischen Chronik als siebtes, die österreichische Heimat und ihre Regenten erfassendes Buch wurde hinfällig, als König Friedrich III. die ausführlich geratene Kaiserchronik zurückwies. Stattdessen musste der Autor in einem siebenten Buch eine durchaus umfangreiche Epitome liefern.
Außer im aus der den Nachlass des Autors erbenden Kartause Gaming 1782 nach Wien gelangten Autograph ist die Kaiserchronik in der 194 beschriebene Blätter im Quartformat (20 x 29 cm) umfassenden, 1451 zur Übergabe an Friedrich III. bestimmten, 1536 in Innsbruck befindlichen, vor 1612 Franz Guillimann, zuletzt Professor in Freiburg im Breisgau für seine Habsburgica zur Verfügung gestellte, vielleicht im Dreißigjährigen Krieg von Schweden geraubte und über Kauf von Mes. Bernis vom 9. Januar 1858 nach London gelangte Handschrift London, Britisches Museum Mss. Add. 22273 und in einer bedeutungslosen Teilabschrift überliefert. Gedruckt sind bisher nur wenige Teile. Umso gewichtiger ist die jetzige Edition.
Ergänzt wird die in der Einleitung und Apparat bestmöglich erläuterte Ausgabe durch ein Register zahlreicher Stellen der Bibel und einiger Stellen des Corpus iuris civilis und des Corpus iuris canonici, knapp 200 vom Verfasser aus eigener Kenntnis oder auf Grund seiner Quellen genannter bzw. benutzter Autoren und Werke, schätzungsweise fast 10000er Namen und ein umfängliches Glossar. Nicht zuletzt auch durch diese wertvollen Zusatzleistungen des vorzüglichen Editors und seiner Mitarbeiter erhält das Werk die ihm gebührende Fassung. Ist es doch die größte Chronik des deutschen Spätmittelalters.
Innsbruck Gerhard Köbler