The Letter of the Law. Legal Practice and Literary Production in Medieval England, hg. v. Steiner, Emily/Barrington, Candace. Cornell University Press, Ithaca 2003. VIII, 257 S.

 

Dieser Sammelband behandelt in 9 Beiträgen die Schnittstellen zwischen der mittelenglischen Literatur der Jahre 1225 bis 1475 und der mittelalterlichen Rechtspraxis und folgt damit einem allgemeinen Trend, die mittelalterliche Rechtsgeschichte in die sozialen und kulturellen Entwicklungen der Zeit einzureihen. Der Einfluss des Rechts auf die Literatur wird an so unterschiedlichen Texten wie Chaucers Knight´s Tale, den Robin Hood Balladen des 15. Jahrhunderts oder Gowers „Confessio amantis“ dargestellt. Der Einleitung durch Emily Steiner und Candace Barrington (S. 1-11) folgt der interessante Beitrag von Christine Chism (Robin Hood: Thinking Globally, Acting Locally in the Fifteenth-Century Ballads, S. 12-39), die drei spätmittelalterliche Robin Hood-Balladen unter dem Gesichtspunkt untersucht, wie die im Spätmittelalter zu beobachtende Dezentralisierung der Justiz (law administration) und deren (negative) Auswirkungen dargestellt werden. Jana Mathews (Land, Lepers, and the Law in The Testament of Cresseid, S. 40-66) konzentriert sich auf den – im Gegensatz zu Chaucers „Troilus and Criseyde“ – veränderten Status von Cresseid in dem Text Robert Henrysons aus dem späten 15. Jahrhundert. Sie wird hier als Leprakranke dargestellt, und die Figur dient dem Verfasser dazu, sich mit dem schottischen Landrecht und hier insbesondere mit dem Status der Rechtspersönlichkeit (legal personhood) kritisch auseinander zu setzen. Andrew Galloway (The Literature of 1388 and the Politics of Pity in Gower´s Confessio amantis, S. 67-104) glaubt zu erkennen, dass das Merciless Parliament von 1388 „brought to focus an ethical issue that Gower emphasizes and explores throughout both the Cronica and the Confessio: the menacing and unreliable nature of pity as a political and legal instrument“ (S. 68), doch räumt er ein, das dies reine Spekulation ist. Im Anhang (S. 231-252) ist eine englische Neuübersetzung der „History or Narration Concerning the Manner and Form of the Miraculous Parliament at Westminster in the Year 1386...“ abgedruckt. Richard Firth Green (Palamon´s Appeal of Treason in the Knight´s Tale, S. 105-114) hält es für möglich, dass Chaucers Abweichung von seiner Vorlage (Boccaccios „Teseida“) bei der Schilderung der ersten Begegnung zwischen Palamon und Arcite mit Emelye durch den Fall Annesley/Katrington (1375-1380) ausgelöst wurde, der durch Duellbeweis endete, und Chaucer vor einer Wiederbelebung dieses Beweismittels im Court of Chivalry warnen wollte. Emma Lipton (Language on Trial: Performing the Law in the N-Town Trial Play, S. 115-135) konzentriert sich auf das Stück „The Trial of Mary and Joseph“ aus dem späten 15. Jahrhundert, in dem es um Ehebruch geht und das in einem zeitgenössischen Gerichtssaal (Commissary Court) spielt. Das Stück will dabei nicht das Gerichtsverfahren getreu darstellen, sondern vielmehr das Anklageverfahren (Rügeklage aufgrund eines Gerüchts) an den Pranger stellen und die Vorzüge des Ordals aufzeigen. Maura Nolan (Acquiteth yow now: Textual Contradiction and Legal Discourse in the Man of Law´s Introduction, S. 136-153) setzt sich - in einem nicht immer leicht verständlichen Beitrag - erneut mit den Problemen auseinander, die die Einleitung zum „Man of Law´s Tale“ und der Prolog der Canterbury Tales aufwerfen. Bruce Holsinger (Vernacular Legality: The English Jurisdictions of The Owl and the Nightingale, S. 154-184) sieht als zentralen Punkt dieses Gedichts aus dem frühen 13. Jahrhundert den Konflikt zwischen Kirchenrecht und Common Law. Emily Steiner (Inventing Legality: Documentary Culture and Lollard Preaching, S. 185-201) argumentiert, dass reale wie fiktive Dokumente (so zum Beispiel die Häresieverfahren in Norwich am Anfang des 15. Jahrhunderts oder die „Charters of Christ“) von Lollarden so ausgelegt wurden, dass sie als Beleg für ihre Lehren herhalten konnten. Frank Grady (The Generation of 1399, S. 202-229) untersucht drei Texte, die sich mit der Thronbesteigung Henrys IV befassen („Richard the Redeless“, „Mum and the Sothsegger“ und Gowers „Cronica tripertita“), auf ihren „Lancastrian“ Schreibstil und arbeitet zwei Charakteristika heraus, nämlich „the disappearance .... of the dreamvision as the sign of topical literary engagement with contemporary events, and the concomitant increase of interest in documentary models of discourse, particularly legal texts and representations of parliamentary activity“ (S. 206). Der Band wird durch einen Index erschlossen.

 

Fürth                                                                                                                         Susanne Jenks