Schennach, Martin P., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650. Landmiliz und Söldnertum (= Schlern-Schriften 323). Wagner, Innsbruck 2003. 455 S. Besprochen von Gerhard Köbler. ZRG GA 122 (2005) 46. 11154 2004-06-02 unbestellt erhalten, 2004-10-24 selbst besprochen
Die
von hoch oben zeichnerisch in hellen, frohen Farben dargestellte Einnahme
Füssens am Lech durch die Truppen Erzherzog Leopolds V. am 17. Juni 1632
schmückt den Umschlag der im Sommersemester 2000 an der Universität Innsbruck
approbierten, nicht ausdrücklich als geisteswissenschaftlich eingeordneten
Dissertation des Verfassers, der im Vorwort seinen Betreuer eine große Lehrer-
und eine sehr engagierte Forscherpersönlichkeit nennt, die ihm wissenschaftlich
wie menschlich ein Vorbild bleiben wird. Der Verfasser ist Mitarbeiter des
Tiroler Landesarchivs und Mitglied im Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in
der frühen Neuzeit. Seine (phil.) Diplomarbeit betrifft Tiroler Bitt- und
Beschwerdebriefe aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und wohl als
Nebenfrucht seiner Dissertation hat er sich bereits andernorts über das
Verhältnis zwischen Soldaten und Bauern geäußert.
In
seiner Dissertation führt er zunächst in das Thema ein. Dazu schildert er den
Forschungsstand und den Forschungsgegenstand. Danach überblickt er die
Kriegsereignisse in Tirol in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, denen eine
Verschonung Tirols vom Krieg seit 1552 vorausging, die einen zunehmenden
Isolationismus zur Folge hatte, der von einem christlichen Mitleiden mit den
anderen österreichischen Ländern nur wenig wissen wollte.
Als
im Sommer 1632 ein schwedischer Angriff auf Ehrenberg erwartet wurde, eroberte
Erzherzog Leopold V. nach dem Motto, dass Angriff die beste Verteidigung ist, am
17. Juli 1632 - und damit anscheinend einen Monat nach dem Umschlagbild - das
nur mit einer schwachen Besatzung versehene Füssen. Bereits am 27. Juli fiel
Füssen fast kampflos an Bernhard von Weimar. Da König Gustav Adolf von Schweden
Bernhard von Weimar am 30. Juli 1632 den Rückzug befahl, rettete wie bereits
zuvor weniger die Waffenkunst als das Glück Tirol.
Der
Westfälische Friede brachte dann 1648 das ersehnte Ende der (Tirol eigentlich
verschonenden) kriegerischen Auseinandersetzungen. Soweit Verluste an
Menschenleben unter der Tiroler Zivilbevölkerung während der Untersuchungszeit
zu beklagen waren, gehen sie nach dem Verfasser weniger auf Kampfhandlungen und
Gewalttätigkeiten der Landsknechte als vielmehr auf Krankheit und Hunger zurück.
Alles in allem erscheinen die Kriegsereignisse in Tirol in der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts (und damit eigentlich auch die im Titel hervorgehobene
Landesverteidigung) dementsprechend kaum wirklich bewegend.
Im
anschließenden ersten Hauptteil behandelt der Verfasser die Administration des
Kriegswesens (Landesfürst, geheimer Rat, Regierung, Kammer,
oberösterreichischer Kriegsrat, Kriegskommissariat, Landräte, obrister
Feldhauptmann von Tirol usw.). Danach stellt er die Tiroler Landmiliz dar. Am Ende
widmet er sich dem Söldnertum (Allgemeines, Kriegswerbung, Musterung, Werbungs-
und Einquartierungsstreit mit Trient, Truppendurchzüge, Truppenversorgung,
Einquartierung, Bestrebungen um einen Ausgleich zwischen den Landesteilen,
Verhältnis zwischen Militär und Tiroler Zivilbevölkerung usw.).
Schluss
und Ausblick halten fest, dass Tirol während des Dreißigjährigen Kriegs von
Kriegsereignissen weitgehend verschont blieb und sich auf dem militärischen
Sektor generell nicht als Sonderfall präsentiert. Auch in der Zeit danach wird
man nach Ansicht des Verfassers Tirol ebenfalls keine Sonderstellung einräumen
können. Diesen Ergebnissen der durch ein kurzes Glossar wichtiger Begriffe,
Richtlinien für Quellenzitate, Abkürzungsverzeichnis, Quellenverzeichnis, Literatur
und gedruckte Quellen, einen Nachweis der zahlreichen, dem Text zur Belebung
beigefügten Bilder, einen Anhang, ein Ortsverzeichnis und ein
Personenverzeichnis abgerundeten, die akademische Palme eintragenden
geschichtswissenschaftlichen Arbeit zu Tirol wird kaum jemand widersprechen
können oder wollen.
Innsbruck Gerhard
Köbler