Schenk, Christina, Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in Deutschland von 1870 bis 1923. Mit einem Ausblick auf die Strafvollzugsgesetzentwürfe von 1927 (= Rechtshistorische Reihe 248). Lang, Frankfurt am Main 2001. XX, 297 S.

 

Christina Schenk zeichnet in ihrer Kieler rechtswissenschaftlichen Dissertation eine Etappe auf dem langen Weg nach, der erst im Strafvollzugsgesetz von 1977 seinen Abschluss fand. 1860 von Mittermaier angemahnt, 1874 vom Reichstagsabgeordneten Tellkampf in einem Antrag und 1875 von dem inhaftierten sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Most in einer Petition eingefordert, wurden erst 1897 vom Bundesrat „Grundsätze, welche bei dem Vollzuge gerichtlich anerkannter Freiheitsstrafen bis zu weiterer gemeinsamer Regelung zur Anwendung kommen“, beschlossen, deren Rechtsqualität jedoch umstritten war. Die Vereinbarung vereinheitlichte aber zumindest die gröbsten Unterschiede zwischen den Ländern. Nach mehrfachen Vorentwürfen, Entwürfen und Gegenentwürfen für ein Reichsgesetz wurden 1923 im Reichsrat wiederum als Vereinbarung zwischen den Landesregierungen „Grundsätze über den Vollzug von Freiheitsstrafen“– maßgeblich beeinflusst von Gustav Radbruch – erlassen.

 

Bezüglich der Strafarten ergab sich zwischen 1871 und 1923 keine Änderung: Vorgesehen waren Zuchthaus, Gefängnis, Haft und Festungshaft. An Disziplinarmitteln durften auch nach 1897 gegen Zuchthaussträflinge im Prinzip noch alle Strafen, inklusive der körperlichen Züchtigung, beibehalten werden. Das Spektrum reichte von der einsamen Einsperrung, dem Entzug der Bewegung im Freien, dem Entzug von Büchern und Zeitschriften bis zur Verdunkelung der Zelle. Die Grundsätze von 1923 sahen die körperliche Züchtigung nicht mehr vor, verboten sie aber auch nicht ausdrücklich, wie das beispielsweise die Dienst- und Vollzugsordnung Bayerns tat.

 

Die Einzelhaft war seit dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 rechtlich zulässig. Zur Ausstattung und Mindestgröße von Zellen enthielt das Reichsstrafgesetzbuch keine Bestimmungen. Luftraum und Fensterfläche wurden erstmals in den Grundsätzen von 1897 geregelt. Lange Diskussionen gab es um die maximale Dauer der Isolation von Gefangenen und um die Frage, ob der Strafvollzug in Stufen – von der Einzelhaft über die Gemeinschaftshaft zur vorläufigen Entlassung – vollzogen werden solle. Die Beschlüsse der Strafvollzugsreferenten der Länder von 1924 in Würzburg führten schließlich dazu, dass alle Länder den progressiven Vollzug einführten. Gleichzeitig entwickelte sich in der Folge das Stufensystem zunehmend auseinander.

 

Immerhin war der Erziehungsgedanke, auf dem die Progression ja basierte, seit dem Jugendgerichtsgesetz von 1923 und in der Folge durch die Grundsätze von 1923 im deutschen Rechtssystem verankert. Vergeltung und die Zufügung eines Übels standen nun nicht mehr im Vordergrund. Abgeschwächt zeigt sich diese Entwicklung des Strafzwecks auch bei der Verpflichtung zur Arbeit und in der Frage eines Unterrichts. Herrschte nach 1871 noch ein vollständiger Arbeitszwang für Zuchthausgefangene, da harte Arbeit primär als Strafübel gesehen wurde, und wiesen auch die Grundsätze von 1897 Gefängnisgefangenen in der Regel Arbeit zu, so sollte nach den Grundsätzen von 1923 regelmäßige Beschäftigung Grundlage eines geordneten Vollzugs sein, die Arbeit sollte jedoch mit Rücksicht auf Kenntnisse, Fähigkeiten, Bildung, Beruf, Alter und Gesundheit der Gefangenen zugewiesen werden. Unterricht war im Reichsstrafgesetzbuch nicht geregelt, die Grundsätze von 1897 sahen Unterricht für erwachsene Zuchthaus- und Gefängnisinsassen unter 30 Jahren dann vor, wenn sie dessen bedurften.

 

Inwieweit die Grundsätze bei der praktischen Durchführung des Strafvollzugs beachtet wurden, untersucht Schenk für Preußen, Bayern und Hamburg.

 

Insgesamt stellt das Buch in erster Line eine Datensammlung dar und ist somit eher als Nachschlagewerk geeignet. Es von vorne bis hinten zu lesen, bedarf einiger Überwindung. Dafür wäre eine stärkere Aufbereitung und Zusammenfassung – die etwas mehr als zwei Seiten umfasst – nötig gewesen. Will der Leser große Entwicklungslinien erkennen, so muss er diese Arbeit selbst leisten. Weiter hätte man sich die Wiedergabe zumindest einiger der bisher nicht gedruckt vorliegenden Quellen in einem Anhang gewünscht.

 

Anschau                                                                                                                     Eva Lacour