Sauter, Alexander, Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Mittelalter-Forschungen 12). Thorbecke, Ostfildern 2003. 380 S., 5 Abb.

 

Das Themenfeld der fürstlichen Herrschaftsrepräsentation ist bereits an zahlreichen Geschlechtern und Dynastien erprobt worden. Es sind wohl die Welfen, die mit ihrem einzigartigen Herrschaftsmittelpunkt im Braunschweig des 12. Jahrhunderts, mit ihren künstlerischen und liturgischen Zeugnissen, mit ihren weit verstreut liegenden Grablegen in Königslutter, Lüneburg, Braunschweig selbst und anderswo als das in dieser Hinsicht am besten erforschte Geschlecht gelten können; zahlreiche Publikationen legen davon Zeugnis ab (vgl. hierzu beispielsweise nur die Beiträge in dem monumentalen Katalogwerk: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235, Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, hg. v. Jochen Luckhardt und Franz Niehoff, 3 Bde., München 1995; bes. Bd. 2 mit diversen Essays zur Thematik). Andere Dynastien jedoch, beispielsweise die Wettiner, ziehen nach, beginnen ebenfalls das Interesse in dieser Hinsicht auf sich zu lenken. In diesen Kontext ist das Werk Alexander Sauters – eine im Druck 380 Seiten starke Heidelberger Dissertation von 2001/2002 – einzuordnen, die sich mit dem oben genannten Themenfeld anhand der Habsburgerfamilie des 14. Jahrhunderts beschäftigt.

 

Die Habsburger des 14. Jahrhunderts: In der Person des Grafen Rudolf 1273 nach der Krisenzeit des Interregnums zur römisch-deutschen Königswürde gelangt und im 15. Jahrhundert zur europäischen Großdynastie aufgestiegen, muß dieses 14. Jahrhundert, eingeleitet durch die Ermordung Albrechts I. durch seinen Neffen Johann Parricida 1308 und durch die Niederlage Friedrichs des Schönen im Thronstreit mit Ludwig dem Bayern, im Rückblick wie eine ‚Talsohle’ erscheinen, in der die Habsburger erfolgreicheren Geschlechtern wie den Wittelsbachern und vor allem Luxemburgern den Vorrang überlassen mußten. Dennoch war es, für die vom Oberrhein und von Gebietskomplexen in der Schweiz ihren Ausgang nehmende Familie, eine Zeit vielfacher Konsolidierungen, wie sie sich beispielsweise in einer intensivierten Form der Landesherrschaft, der Verwaltungstätigkeit, der Urkundenproduktion usw. zeigt. Es ergibt sich somit im ganzen, worauf der Autor völlig zu Recht hinweist, ein starker Gegensatz, ja fast eine Paradoxie. In diesem Spannungsfeld bewegt sich Sauters durch fünf Anhänge und ein Register vorzüglich erschlossenes Werk. Es will dabei, gemäß der vom Autor in der Einleitung gegebenen Explikationen, zunächst fragen, wo die politischen Schwerpunkte der Familie im 14. Jahrhundert lagen, an welchen Stellen sich legitimatorische Defizite ergaben und welche Ansprüche und Ziele formuliert wurden. Es will weiter die Mittel herrscherlicher Repräsentation betrachten, mit denen diese politischen Inhalte zum Ausdruck gebracht worden sind, wobei auch die Breitenwirkung und die Vermittlungschancen dieser Mittel sowie das angesprochene Publikum berücksichtigt werden sollen. Es will nicht zuletzt dies alles in einen größeren Kontext habsburgischer Politik einordnen, um so die Bedeutung herrscherlicher Repräsentation für die mittelalterliche Politik zu untersuchen. Das Untersuchungsfeld ist also weit gespannt, jedoch auch klar umrissen. Die Gefahr, sich in Abschweifungen zu verlieren, verhindert eine durchaus hervorhebenswerte Stringenz der Gedankenführung. Ein wenig vermißt man freilich irgendeine Form der Numerierung der Kapitel, nach welchem Prinzip auch immer. Dies hätte eine schnelle Orientierung im Inhaltsverzeichnis sicherlich erleichtern können.

 

Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wird auf eine breit angelegte, ja ausgesprochen multiperspektivische Weise versucht. Es werden ebenso urkundliche wie historiographische wie gegenständliche Quellen (Klöster, Kirche, Bildnisse usw..) herangezogen, wobei der Autor, aus Gründen der Verbreitung sowie ihrer Aussagekraft in Arenga und Intitulatio, dem Bereich der Diplomatik den wichtigsten Platz einräumt. Nur einige wenige, besonders zentral und wichtig erscheinende Aspekte der facettenreichen Arbeit können hier knapp referiert werden.

 

Mit der, so Sauter, „Ankunft einer Dynastie“, das heißt, mit der nach dem Sieg Rudolfs von Habsburg über König Ottokar II. von Böhmen in der Schlacht auf dem Marchfeld  (1278) erfolgten Belehnung seiner Söhne Albrecht I. und Rudolf mit den Herzogtümern Österreich, Steier und Kärnten sowie mit den Herrschaften Krain und Mark im Dezember 1282 (einer Maßnahme, die wenig später zugunsten einer Alleinregierung Rudolfs modifiziert wurde) einsetzend, untersucht Sauter zunächst das 1280 von Rudolf von Habsburg gegründete niederösterreichische Dominikanerinnenkloster Tulln sowie anschließend das 1133 von dem babenbergischen Markgrafen Leopold III. gegründete Kloster Heiligenkreuz. Während in Tulln, so der Autor, der Herrschaftswechsel im Land an Enns und Donau durch eine im Chor der Klosterkirche aufgestellte Statuengruppe sichtbar gemacht worden sei, sei in Heiligenkreuz, gewissermaßen als ‚Reaktion’ auf Aufstände und zahlreiche kritische Bemerkungen gegen die „landfremden Schwaben“, durch Baumaßnahmen ganz gezielt der Anschluß an die Vorgängerdynastie der Babenberger, deren Herrschaft als ‚gute alte Zeit’ verklärt wurde, gesucht worden.

 

Nach Meinung des Rezensenten von großer Wichtigkeit sind die Ausführungen des Autors über die Schwerpunktverlagerung der Begräbnisstätten, die – bis 1330 hauptsächlich im Klarissenkloster Königsfelden zu finden – sich mit Gründung der Kartausen Mauerbach und Gaming und der Zisterze Neuberg (Steier) deutlich nach Osten hin verschoben. Es liegt darin, über die memoriale Funktion hinaus, eine eminent politische Aussage. Denn es zeigt sich, daß hier eine Dynastie ihre Grablege gleichsam in ein neugewonnenes Gebiet hinein verschiebt, um sich dort über das liturgische Totengedenken zu verankern: Memoria als große Politik. Es gibt hier übrigens gute Vergleichsbeispiele bei anderen Geschlechtern, wenn man etwa an die sächsischen Wettiner und ihr berühmtes Hauskloster Altzelle an der Peripherie ihres Herrschaftsgebietes denkt (vgl. hierzu bislang die Ausführungen von André Thieme in: Altzelle. Zisterzienserabtei in Mitteldeutschland und Hauskloster der Wettiner, hg. v. Martina Schattkovsky u. dems., Schriften zur sächsischen Landesgeschichte, Bd. 3, Leipzig 2002, S. 101-139 sowie demnächst die zu erwartende Marburger Dissertation von Harald Winkel über die wettinischen Hausklöster).

 

Im Zentrum des Buches steht die Person Rudolfs IV. Nach einer eingehenden Analyse des berühmten, im Winter 1358/59 in der Kanzlei Rudolfs entstandenen Fälschungskomplexes, der dezidiert als Programm herrscherlicher Repräsentation gedeutet wird – die Suche nach Ausdrucksmitteln für dynastische Konkurrenz zu den Luxemburgern beispielsweise wird hier konkret genannt – , beleuchtet Sauter zentrale Aspekte des rudolfinischen Urkundenwesens. Dabei werden in Intitulatio, Arenga und Siegelgestaltung vom Autor eine ganz Anzahl höchst individueller, von nachdrücklichem Repräsentationswillen kündende Merkmale ausfindig gemacht. Gleichwohl seien, so Sauter, Ambivalenzen spürbar, bewegten sich etwa die rudolfinischen Arengen im Spannungsfeld zwischen „notwendiger Unterordnung und angestrebter Unabhängigkeit“. Weitgehend vorbildlos dagegen, zumindest im habsburgischen Bereich, die Rückseite des Münzsiegels Rudolfs: Mit allen Zeichen der fürstlichen Würde angetan – Erzherzogshut, Szepter usw. – wird die Bedeutung dieses Siegels bzw. konkret der auf ihr abgebildeten herzoglichen Standfigur von Sauter in die prägnante Formulierung gekleidet, daß dieses Objekt einen Höhepunkt herrscherlicher Repräsentation darstelle in einer Zeit, die an solchen Höhepunkte nicht arm gewesen sei. Als Höhepunkt der Bemühungen, Österreich an die Spitze der habsburgischen Besitzungen zu stellen, sieht Sauter das herzogliche Wirken in der Stadt Wien. Die Gründung der Universität Wien, verschiedene bauliche Maßnahmen, darunter die Errichtung eines Kollegiatstifts, das Statuenprogramm an der Wiener Stephanskirche, vor allem aber die dortige Errichtung der herzoglichen Grablege dokumentieren eindringlich das Geschehen. Ausführungen über Albrecht III. runden die durchweg gut und flüssig geschriebene Arbeit ab.

 

Natürlich muß es immer als Gratwanderung oder – je nach Standpunkt – Drahtseilakt betrachtet werden, derart unterschiedliche Quellenzeugnisse, wie der Autor sie untersucht, zusammenzuführen. Es wird auf die interpretatorischen und wohl auch darstellerischen Fähigkeiten eines jeden Einzelnen ankommen, ob eine solche Zusammenführung gelingt oder ob nicht doch am Ende der Eindruck einer ‚Mixtur’ überwiegt. Dennoch scheint es auf dem hier untersuchten Forschungsfeld der Herrschaftsrepräsentation nach Meinung des Rezensenten (und sicher nicht nur nach seiner) ganz und gar unerläßlich eine solche Zusammenführung immer wieder zu versuchen, will man nicht vieles allein den Kunsthistorikern überlassen – was keine Kritik an diesen bzw. deren Methode sein soll, sondern nur ein Plädoyer für eine möglichst breit angelegte historische Interpretation. In diesem Sinne hat Sauter einen äußerst anspruchsvollen und schwierigen Gegenstand auf überzeugende Weise erforscht und dargestellt und die Geschichte der Herrschaftsrepräsentation ebenso wie die Geschichte der Habsburgerdynastie um einen bedeutenden Beitrag bereichert.

 

Mannheim                                                                                                      Jörg Schwarz