Sabadell da Silva, Ana Lucia, Tormenta juris permissione. Folter und Strafverfahren auf der iberischen Halbinsel – dargestellt am Beispiel Kastiliens und Kataloniens (16.–18. Jahrhundert) (= Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 39). Duncker & Humblot, Berlin 2002. 299 S.

 

Bekanntlich ist unter Karl V. bzw. Karl I. von Spanien im Heiligen Römischen Reich dank der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 die Folter domestiziert und sehr streng an die Indizienlehre gebunden worden. Was geschah indes in Spanien? Die Dissertation von Sabadell da Silva untersucht die strafprozessuale Folter im Zeitraum des 16. bis 18. Jahrhunderts für das Königreich Kastilien und das Fürstentum Katalonien. Damit liegt in sehr kurzem Abstand eine weitere Dissertation in deutscher Sprache zur spanischen Rechtsgeschichte vor[1].

 

Basis der hier vorliegenden Untersuchung sind die Normsammlungen, also Gewohnheiten, Gesetzesnormen und die Rezeption des ius commune sowie etliche Texte der strafrechtlichen Lehre, welche unter Einbeziehung sozial- und rechtsgeschichtlicher Arbeiten dargestellt und kommentiert werden. Die Verfasserin stellt heraus, dass die Hinweise der gelehrten Juristen, die als Richter, Rechtsanwälte oder königliche Berater arbeiteten, so zahlreich sind, dass kein Zweifel bestehen kann, dass in Kastilien gefoltert wurde. Dies belegt sie anschaulich anhand der Entscheidungsmuster, Prozessakten und sonstigen Hinweise auf Folterung sowie auf die Bestrafung von Richtern, die die Foltergrenzen überschritten. Schließlich zieht sie Erzählungen persönlicher Erfahrungen der gelehrten Juristen heran, die als Richter die Folter anordneten.

 

Auch in Katalonien war die strafprozessuale Folter zulässig und fand tatsächlich Anwendung. Die Juristen versuchten oftmals, dem Interesse der königlichen Justiz an der Strafverfolgung mit „Flexibilisierungen“ der Beweislehre und den Prinzipien der Tortur Rechnung zu tragen, obwohl anderenteils die Sorge für die Rechte des Angeklagten eine normative Übersetzung fand. Die meisten katalanischen Legisten betonten, dass der Fürst nur mit Vorsicht und mit Mäßigung Strafen anordnen durfte, da die Vollstreckung von Todes- und Leibesstrafen ihm genauso schaden könne wie einem Arzt die vielen Trauerfeiern seiner Patienten! Für Katalonien ist auffällig, dass der Versuch zumindest auf Diskursebene eine Ausgewogenheit zwischen Verfolgungs- und Verteidigungsinteressen herbeizuführen, viel stärker in der Lehre vertreten war als in Kastilien. Allerdings spürte der Gefolterte während des gesamten Prozesses und vor allem bei der peinlichen Befragung das Gewaltpotential und die „Majestät“ der Macht.

 

Die vorliegende Arbeit erlaubt dem deutschen Rechtshistoriker einen ersten Einblick in das Strafverfahren auf der iberischen Halbinsel zu Beginn der Neuzeit. Einige Formalia wären noch zu kritisieren: So benutzt die Autorin im Wechsel, wenn sie von Katalonien spricht, kastilische oder katalanische Bezeichnungen. Im Literaturverzeichnis tauchen einige Fehler auf, so etwa bei Bermejo „Los Decretos .... monarquia ...“ (S. 288), statt „monarquía“, oder bei Clavero „Institución politiqua ....“ (S. 289), statt „política“, oder bei Lalinde Abadía „Derecho historico español“ (S. 292/93), statt „histórico“ oder nicht zuletzt bei Torras i Ribé „Els municips ...“ (S. 296), statt richtigerweise „minicipis“ und so weiter.

 

Aber diese Formalia wiegen natürlich nicht schwer. Ins Gewicht fällt vielmehr die bloße Darstellung der Folter und des Strafprozesses in Kastilien und Katalonien, denn diese bringt die Verfasserin einfach nebeneinander, ohne die beiden Regionen inhaltlich zu kombinieren, um dann zu einem echten Vergleich zu kommen. Vor allen Dingen fehlt der Arbeit die Vernetzung der gefundenen Resultate sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse am Ende. Wünschenswert wäre auch eine Synopse aus Gesetzeswortlaut und Abhandlungen damaliger Legisten gewesen. Bei der Untersuchung der Rezeption von römischem und kanonischem Recht müsste deutlicher auf Rolle und Tätigkeit der spanischen Universitäten eingegangen werden, da mit den Gründungen der Universitäten in Salamanca (1243), Valladolid (1346), Zarragoza/Saragossa (1474) sowie den Universität von Barcelona und Madrid (Complutense im 14. Jahrhundert) bedeutende juristische Fakultäten entstanden waren. Hier heranzuziehen ist immer noch das Werk von G. Ajo und C. M. Sáinz de Zúñiga „Historia de las universidades hispánicas. Orígenes y desarrollo desde su aparición hasta nuestros días“, Band 1: „Medioevo y renacimiento universitario“[2].

 

Auch die Analyse für Katalonien ist nicht ohne Mängel. Die Rolle der Generalitat, die in Katalonien seit der Tagung der Corps von Cervera im Jahre 1359 als ständige Vertretung dieser Corps eingesetzt und 1714 von den Bourbonen aufgelöst wurde, bleibt bei der Betrachtung des Strafprozesses völlig unerörtert. Die Darstellung der Gottesfriedensbewegung für Katalonien ist mäßig. Unverständlicherweise spricht Sabadell da Silva von einer ersten Versammlung der Gottesfrieden in Katalonien in Toulouse, statt korrekterweise von Tolouges, die zu Recht gesehen im Jahre 1027 das Gewaltverbot an Sonntagen gegen Geistliche und Besucher der Kirche zum ersten Mal statuierte. Was in diesem Kontext der Hinweis auf das Verbot der Scheidung soll, ist mir im Übrigen unverständlich.

 

Insgesamt bleibt zu kritisieren, dass die Autorin, wenn sie Unterschiede zwischen Kastilien und Katalonien herausarbeitet, diese unterschwellig im Text schildert. So spricht sie davon, dass die Anwendung des gemeinen Rechts sowohl in Katalonien als auch in Kastilien die politischen Handlungsräume des Monarchen jeweils erweitert und ihm eine Macht verliehen habe, die die Interessen des lokalen weltlichen und geistlichen Adels gefährdet habe (S. 190); dies hätte am Schluss als Arbeitsergebnis besser herausgestellt werden können.

 

Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine erkenntniserweiternde Arbeit. Herauszustellen ist die gute Darstellung der Regelung der strafprozessualen Folter der Siete Partidas von Alfons X. für Kastilien einerseits und andererseits für Katalonien die Erörterung des Gewohnheitsrechts von Tortosa anhand der Costums Generals von 1277-79, die den Gebrauch der Folter in großem Umfang und mit bemerkenswerter Präzision regelten. In der Darstellung der Arbeiten der Legisten in Kastilien und Katalonien wird der Unterschied zwischen Theorie und Praxis eindeutig spürbar; dies betont zu haben ist das große Verdienst vorliegender Dissertation.

 

Saarbrücken                                                                                                  Thomas Gergen



[1] Gedacht ist nämlich an die Würzburger Dissertation Ignacio Czeguhns zur kastilischen Höchstgerichtsbarkeit (1250-1520), die kurz nach der hier zu besprechenden Arbeit erschien (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Bd. 40), 2002, vgl. Thomas Gergen, ZRG Germ. Abt. 122 (2005).

[2] Madrid 1957.