Reitemeier,
Arnd,
Außenpolitik im Spätmittelalter. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem
Reich und England (1377-1422) (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen
Instituts London 45). Schöningh, Paderborn 1999. 573 S.
Arnd
Reitemeier behandelt in dieser Göttinger Dissertation die diplomatischen
Beziehungen zwischen dem Reich und England im letzten Viertel des 14. und im
ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, ohne allerdings zu untersuchen, ob es überhaupt
Sinn macht, den Begriff „Außenpolitik“ für das Mittelalter bereits zu
verwenden. Gegliedert ist das umfangreiche Werk in neun Kapitel: I. Einleitung
(S. 13-34); II. Mittel der Außenpolitik (S. 35-80); III. Personal und
Administration als Bedingung außenpolitischer Entscheidungen (S. 81-144); IV.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Reich und England (S. 145-320); V.
Persönliche Beziehungen: Verwandtschaft, Bekanntschaft, vertragliche Bindungen
(S. 321-344); VI. Die Praxis deutsch-englischer Diplomatie (S. 345-390); VII.
Informationshorizonte (S. 391-432); VIII. Räume und Formen außenpolitischen
Handelns (S. 433-474); IX. Schlußbetrachtungen (S. 475-484). Der detailreichen
und aus reichem Archivmaterial geschöpften Arbeit schließen sich mehrere
Anhänge an, deren Erarbeitung (und vor allem auch Abdruck) besonders erfreulich
sind: Tabelle 1 verzeichnet die deutschen Boten und Gesandten mit der Einteilung:
Herrscher, Datum, Bote/Gesandte, Name, Reiseziel (S. 485-487)], Tabelle 2 die
englischen Boten und Gesandten (S. 488-491); die dritte Tabelle listet die
Abrechnungen der englischen Gesandten auf. Die vierte bringt die Anzahl der
mitgeführten Pferde, die fünfte birgt die Übersicht über die Teilzahlungen der
Mitgift Prinzessin Blancas aus pfälzischer Sicht. Es schließt sich als sechste
Tabelle eine Auflistung der Schiffsverbindungen an. Ebenfalls findet sich eine
Liste von Währungs- und Umrechnungsverhältnissen. Orts-, Personen- und
Sachregister sowie ein englisches Resumée beschließen den gehaltvollen Band.
Telos
dieses Werkes ist mit der „Außenpolitik“ ein Phänomen, das meist erst der
(frühen) Neuzeit zugeordnet wird. Dabei wird ein detailliertes Bild der
Entscheidungsprozesse, deren institutioneller Rahmenbedingungen sowie der
Personen, die das englisch-deutsche diplomatische Geflecht dieser Jahre bildeten,
geboten - gegründet auch auf die umfangreiche Benutzung von Archivalien
(hauptsächlich englischer Provenienz), die mit Umsicht und Sorgfalt ausgewertet
werden. Der Untersuchungszeitraum ist eigentlich zu kurz gewählt um
langfristige Entwicklungen mitzuerfassen, zu lang jedoch, um durch umfassende
Detailstudien und Ereignisanalyse auf den Untersuchungsgegenstand, die „Außenpolitik“,
Rückschlüsse ziehen zu können. Auch gehört in diesen Zusammenhang ein
Grundproblem speziellerer Natur, die bekanntermaßen unterschiedlichen
Herrschaftsbedingungen und -möglichkeiten. Es stellt sich etwa heraus, daß u. a.
das Große Abendländische Schisma, das Aufstreben Burgunds, der
anglo-französische Konflikt von größerer Prägekraft für die Beziehungen und
Aktionen war.
Es
liegt aber hiermit ein Band vor, der einen gewichtigen Platz in der Erforschung
des Phänomens „Außenpolitik im Spätmittelalter“ einnimmt. Als Zusammenschau von
Quellen und Literatur (wobei hier ausdrücklich vermerkt werden muß, daß die
Angabe „neuer“ - die sich recht häufig fand - nicht unbedingt auch ein
qualitativ positives Argument über die Literatur ist) sowie durch den reichen
prosopographischen Einschlag wird das Werk sicherlich längerfristig seine
Bedeutung als Arbeitsmittel behalten. Wichtige Ansatzpunkte für weitere
Forschungen werden deutlich gemacht, etwa die Verschriftlichung und
Archivierung diplomatischen Wissens (S. 141), um nur ein Beispiel zu nennen. Einige
Fragen hätten sicherlich systematischer behandelt werden können, z. B. die
zunehmende Spezialisierung des (diplomatischen) Personals oder die Perpetuierung
der diplomatischen Beziehungen. Das vorliegende Buch ist dennoch eine
vorzügliche, mit immensem Detailreichtum aus den Archiven erarbeitete Studie,
welche große Massen an Material für künftige Forschung bereitstellt und die
(Diplomatie-) Geschichte der Zeit bedeutend erhellt.
Heidelberg Klaus-Frédéric
Johannes