Reichspersonal. Funktionsträger von Kaiser und Reich, hg. v. Baumann, Anette/Oestmann, Peter/Wendehorst, Stephan/Westphal, Siegrid (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 48). Böhlau, Köln 2004. 408 S.

 

Das seit 1996 aufgebaute Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit stellt in diesem Band einen Teil der in Wetzlar im Frühjahr 2001 auf seiner zweiten Nachwuchstagung gehaltenen Referate und ergänzende Aufsätze vor. Sie kreisen um die von Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal an den Beginn ihrer Einleitung gestellte Frage: Das liebe, heilige römische Reich, wie hielt es nur zusammen? Die vorsichtige Antwort lautet, dass dies zu einem Teil wohl auch dem Reichspersonal in einer eigenständigen sozialen und kulturellen Formation zu verdanken ist, die sich in funktionalen Zusammenhängen, Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung zeigt.

 

Vor diesem Hintergrund untersucht Wolfgang Burgdorf die reichsrechtliche peregrinatio academica im 18. Jahrhundert, für die Wetzlar, Regensburg und Wien mit den dort zu gewinnenden Erfahrungen und Bekanntschaften besonders wichtig sind. Eva Ortlieb ermittelt, dass der überwiegende Teil der in sehr unterschiedlichen Formen und Aufträgen tätigen kaiserlichen Kommissare des Reichshofrats zwischen 1520 und 1657 aus dem Süden und Südwesten stammt. Gernot Peter Obersteiner legt erstmals wesentliche Erkenntnisse über Aufgabe und Personen der kaiserlichen Fiskale am Reichshofrat vor, während Stefan Ehrenpreis vor allem an Hand dreier Beispiele die Reichshofratsagenten mit neuen Einsichten beschreibt.

 

Anette Baumann gibt den gegenwärtigen Forschungsstand über die Prokuratoren am Reichskammergericht im 18. Jahrhundert und ihre Versuche der Beeinflussung einzelner Verfahren wieder. Karl Welker erstellt ein Lebensbild Friedrich Wilhelm Riedesel Freiherr zu Eisenbachs, während Nils Jörn das Wirken Christian Nettelbladts (1696-1775) beschreibt. Ralf-Peter Fuchs und Eric-Oliver Mader behandeln das Botenwesen am Reichskammergericht in der Frühzeit und im 18. Jahrhundert.

 

Christine Pflüger widmet sich den ständigen Kommissaren unter König Ferdinand I. Stephan Wendehorst bietet Vorüberlegungen zur Geschichte des kaiserlichen Notariats. John L. Flood rundet das Reichspersonal im weiteren Sinn durch die kaiserlich gekrönten Dichter ab.

 

Auf dieser vielfältigen Grundlage bemühen sich Stephan Wendehorst und Siegrid Westphal um Kriterien für ihren Begriff Reichspersonal. In den Vordergrund stellen sie überzeugend die Zugehörigkeit zu einer Reichsinstitution. Darüber hinaus ziehen sie aber eine funktionale Definition vor, die einen weiteren Ausgriff erlaubt.

 

Von hier aus bemerken sie auch im Reich einen Verdichtungsvorgang. Alle ihre neuen Einsichten geben sie auch am Ende auf Englisch in der von Bill Templer besorgten Introduction wieder. Ein kurzer Index der behandelten Personen erleichtert die Benutzung des interessanten Sammelbandes.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler