Matschke, Klaus-Peter, Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2004. 420 S.

 

 

Klaus-Peter Matschkes Überblicksdarstellung erscheint passend zu einem Zeitpunkt, da europaweit in Parlamenten und Medien aufs neue der Schreckensruf Turci ante portas erschallt, und so kann man sich bei der Lektüre des Eindrucks nicht erwehren, das Buch sei gleichsam mit heißer Nadel gestrickt worden. Dies gilt vor allem für den namentlich in den ersten Kapiteln trockenen, stellenweise, wie die zahlreichen Wortwiederholungen zeigen, gar nachlässigen und mit modernen englischen Schlagwörtern (warlords, time of troubles, point of no return) durchsetzten Schreibstil.

 

Der Autor, ein bekannter Byzantinist, wendet sich an einen breiten Leserkreis, versäumt es aber, die mit der ersten Festsetzung von Turkvölkern in Kleinasien bis zum Friedensvertrag von Karlowitz im Jahre 1687 einen Zeitraum vom fünf Jahrhunderten ausfüllenden Ereignisse lebendig zu präsentieren. Die chronologische Aufreihung der Fakten wird ganz selten nur durch Quellenzitate aufgelockert, und auch tiefergehende Analysen, Vergleiche oder generell historische Reflexionen sowie eine Einordnung in das allgemeine politische Geschehen der Zeit vermißt man. Daher bleibt die Darstellung selbst für die als Schwerpunkt gesetzte Phase des 14. bis 16. Jahrhunderts seltsam blaß und die Gelegenheit, wenigstens den dramatischen Moment der zweiten Belagerung Wiens, als die abendländische Welt den Atem anhielt, einzufangen, ungenutzt. Kriegsgeschichtliche Betrachtungen, wie sie der Titel nahelegt, eine Aufarbeitung diplomatischer Negotiationen und vor allem ein näheres Eingehen auf den großen Kriegsgegner fehlen. Matschkes Interesse gilt nämlich in erster Linie der Sozialgeschichte, und er versteht die Türkenkriege nicht zuletzt als Katalysator für die gesellschaftliche Entwicklung des Okzidents. So reißt er, doch ohne die Problematik zu vertiefen, den Wandel vom Kreuzzug zum Verteidigungskrieg und die Metamorphose der Kreuzzugsidee zum machtpolitischen Konzept sowie die Herauskristallisierung eines ungarischen Nationalbewußtseins an. Als zentrale These, ausgemacht am Zufallserfolg Ende Juli 1456 von Capestranos zusammengewürfeltem Haufen gegen die osmanischen Belagerer von Belgrad, erscheinen jedoch die Auflösung der feudalen Gesellschaftsordnung und der Vorwurf an die Ritterheere, nicht nur ihren militärischen Aufgaben nicht gewachsen gewesen zu sein, sondern auch den Aufstieg aktiverer Kräfte behindert zu haben: „Die ritterliche Ehre dieser Krieger und das von ihnen beanspruchte Recht für den ersten kriegerischen Schlag hatte zwischen Nikopolis und Kandia nicht wenige westliche Heere und militärische Abteilungen in kritische Situationen gebracht oder sogar zu spektakulären Niederlagen geführt“ (S. 380). Dieser Satz und die Suggerierung, daß bürgerliche Milizen erfolgreicher den Abwehrkampf gegen die Osmanen bestanden hätten, können so nicht stehenbleiben.

 

Im großen Ganzen erfüllt das Buch die geweckten Erwartungen nicht. Sein Verdienst liegt darin, auf Nebenschauplätze wie den Wandel der Bevölkerungsstruktur in den Grenzgebieten, die Versorgungen der Militärgrenze auf beiden Seiten und vor allem Auswirkung der Türkenkriege auf das Leben in deutschen Regionen aufmerksam zu machen, auf Rekrutierungen, Ranzionierungen, Einzelschicksale. Ausführlich zitiert Matschke dabei aus neu entdecktem Leipziger Archivgut - und hier kommt der Leser dann doch noch auf seine Kosten.

 

Saarbrücken                                                                                                                          Petra Roscheck