Lichtmannegger,
Susanne, Die
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck
1945-1955. Zur Geschichte der Rechtswissenschaft in Österreich im 20.
Jahrhundert (= Rechts- und sozialwissenschaftliche Reihe 23). Lang, Frankfurt
am Main 1999. 404 S.
Lehrer wie
Franz Gschnitzer, Theodor Rittler, Friedrich Nowakowski, Nikolaus Grass oder
Walter Antoniolli, so beginnt die Verfasserin ihre im Rahmen eines
Forschungsprojektes am Universitätsarchiv Innsbruck entstandene Untersuchung,
prägten die junge Juristengeneration der durch außergewöhnliches, intellektuelles
und wissenschaftliches Niveau beeindruckenden rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät Innsbruck der Jahre nach dem zweiten
Weltkrieg. Wegen der im akademischen Leben üblichen jahrzehntelangen
Kontinuität hebt sie freilich umgehend die selbst gesetzten zeitlichen
Schranken auf und bezieht vornehmlich Nationalsozialismus und Austrofaschismus
in das Blickfeld ein. Auf diese Weise werden rund 100 Vertreter der
Rechtswissenschaft in Österreich im 20. Jahrhundert mit mehr oder weniger
vielen Daten sichtbar.
Gegliedert
ist die Untersuchung nach den einzelnen Fächern der Fakultät. Dadurch gelangt
die Verfasserin zu acht übersichtlichen Einheiten. Von ihnen kann hier die
Nationalökonomie vernachlässigt werden, weil sie zu dieser Zeit zwar noch einen
hergebrachten, für Mehrheiten auch durchaus wichtigen Platz innerhalb einer
rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät hat (Adolf Günther, Ansbach 21.
3. 1881-Innsbruck 14. 1. 1958), aber nicht Rechtswissenschaft ist.
Im
Kirchenrecht steht im Mittelpunkt der in Salzwedel am 22. 9. 1880 geborene, in
Breslau aufgewachsene, in Breslau Theologie, Philosophie, Rechtswissenschaft
und Staatswissenschaft studierende, 1908 für Kirchenrecht, Staatsrecht und
Völkerrecht habilitierte, in Innsbruck schon 1910 ins Gespräch gekommene, dann
jedoch als außerordentlicher Professor nach Münster berufene, in Köln seit 1919
lehrende, als Förderer Hans Kelsens 1933 des Amtes enthobene, 1935 emeritierte,
zum päpstlichen Ehrenkämmerer di spada e cappa ernannte, am 30. 10. 1936 auf
Grund eines Minderheitenvotums Ferdinand Koglers gegen die in der Fakultät
vorherrschende Einstellung, dass jede in Österreich frei werdende Lehrkanzel
Österreichern vorbehalten werden sollte, außerhalb der Berufungsliste
(Schönegger, Bombiero, Ganahl) anscheinend als Exponent des damaligen Regimes nach
Innsbruck berufene, romtreue, am 28. 5. 1938 unter dem Vorwurf des politischen
Katholizismus mit Ende Mai 1938 in den zeitlichen Ruhestand versetzte, von
führenden Vertretern der Fakultät (Hermann Hämmerle, Franz Gschnitzer) – samt
dem von ihm vertretenen Fach - gar nicht vermisste, am 1. 5. 1945 als Folge
grundlegend gewandelter politischer Verhältnisse – samt dem von ihm vertretenen
Fach - wieder aufgenommene, am 28. 6. 1946 in den Verfassungsgerichtshof neben
Ludwig Adamovich aufgestiegene und später nochmals einen deutschen Schüler als
partiellen Erben nach Innsbruck führende Godehard Josef Ebers († Igls 18. 5.
1958). Im römischen Recht steht ihm der in Budapest am 6. 4. 1896 geborene, in
Wien 1914 maturierte, nach Kriegsdienst erst Chemie und dann Rechtswissenschaft
und Staatswissenschaft studierende, 1925 promovierte, 1931 neben einer
Tätigkeit als wissenschaftlicher Beamter bei der Nationalbibliothek durch
Friedrich von Woeß und Ernst Schönbauer habilitierte, zum 1. 4. 1935 als
außerordentlicher Professor für römisches Recht in Innsbruck ernannte, durch
seine Antrittsvorlesung und sein Verhalten bei den Berufungen Hans Bayers ([Wien
3. 2. 1903-Rom 5. 5. 1965, 1921 Matura Innsbruck, Studium Rechtswissenschaft,
Staatswissenschaft Universität Innsbruck, 1924 Dr. rer. pol., 1925 Dr. iur.
Univ. Innsbruck, 1926 Assistent Universität Wien, 1929 Habilitation Wien
Volkswirtschaft, 4. 9. 1936 tit. ao. Professor Universität Innsbruck, 1938 aus
politischen Gründen beurlaubt, 1945 ao. Professor Universität Innsbruck] erfolgreiches
Separatvotum mit Karl Wolff gegen die Fakultätsmehrheit) und Karl-Hans Ganahls (in
einem Schreiben Herdlitczkas an den geduzten, zuständigen Sektionschef heißt es,
„dass wir bei dieser Gelegenheit uns die Möglichkeit nicht entgehen lassen
sollen, die Kanzeln des ersten Studienabschnittes mit Leuten zu besetzen, die
uns nahestehen und in der Lage sind, auch die Andersdenkenden unter den
Studierenden in unserem Sinne zu beeinflussen“, weshalb man Ganahl außer
Betracht lassen solle) Rechnungen eröffnende, 1938 ebenfalls unter dem Vorwurf
des politischen Katholizismus – unter Zurückdrängung des vertretenen Faches - aus
dem Amt entfernte, am 13. 11. 1939 aus politischen Gründen in den Ruhestand
versetzte, am 1. 5. 1945 folgerichtig – unter Rückgewährung des Umfanges des
vertretenen Faches - wieder aufgenommene Arnold Herdlitczka († Salzburg 15. 8.
1984) zur Seite. Im deutschen Recht vervollständigte der am 5. 5. 1872 in
Hippach im Zillertal/Tirol geborene, nach dem Studium der Rechtswissenschaft
und Staatswissenschaft aus dem Archivdienst heraus in Innsbruck 1902 von Alfred
Wretschko zunächst für österreichische Reichsgeschichte habilitierte, nach der 1904
erfolgten Erweiterung der Lehrbefugnis auf deutsches Recht infolge eines
Studienaufenthaltes in Berlin 1905 nach Czernowitz berufene, nach der
Verkleinerung Österreichs am Ende des ersten Weltkriegs 1919 zunächst als Honorarprofessor
nach Innsbruck zurückgekehrte, am 18. 12. 1924 zum ordentlichen Professor für
deutsches Recht ernannte, 1928 gegen die Verurteilung eines jüdischen Studenten
wegen Vatermords protestierende, 1933 für den Nationalsozialismus, 1934 für die
vaterländische Front eintretende, 1936 die Berufung Godehard Josef Ebers’ gegen
die Fakultätsmehrheit bewirkende, 1938 sechsundsechzigjährig - unter dem
Vorwurf des politischen Katholizismus - beurlaubte und am 28. 5. 1938 in den Ruhestand
- mit später gekürzter Pension – versetzte, postum am 5. 5. 1946 wieder in den
Dienststand aufgenommene Ferdinand Kogler († Innsbruck 28. 8. 1944), dessen in
Innsbruck 1905 geborener Nachfolger Karl-Hans Ganahl am 31. Juli 1942 beim
Bergsteigen am Achterkogel im Ötztal tödlich verunglückte, das eindrucksvolle
Bild, in dem sich im vielschichtigen Wettbewerb mit Slavomir Condanari (Triest
22. 3. 1902-Wien 27. 12. 1974, 1920 Matura Graz, Studium Rechtswissenschaft,
Staatswissenschaft Universität Wien, 17. 7. 1931 NSDAP, 1937 Habilitation
Universität Wien für Rechtsgeschichte und Geschichte des römisch-gemeinen
Rechts [Ernst Schönbauer], 8. 1. 1940 Vertretung der Lehrkanzel Arnold
Herdlitczkas [in Innsbruck], 2. 6. 1942 ao. Professor für römisches Recht,
bürgerliches Recht und Handelsrecht Universität Innsbruck, Vorlesungen deutsche
Rechtsgeschichte, 18. 10. 1948 Professor für österreichisches Handelsrecht und
Wechselrecht Universität Innsbruck, 15. 2. 1964 Hochschule für Welthandel Wien),
Falk W. Zipperer (* Darmstadt 24. 12. 1899, Studium München, Graz, 28. 8. 1937
Promotion Kiel, 1941 Habilitation Universität Bonn [Karl August Eckhardt], 1.
5. 1944 ao. Professor Universität Innsbruck, 30. 6. 1945 als „Reichsdeutscher“
ausgeschieden), dem für neue Geschichte habilitierten Oswald Gschliesser (* 1885),
dem Historiker Otto Stolz (Innsbruck 31. 3. 1881-4. 11. 1957), dem eigenen
Bruder Franz Grass und dem am 14. 3. 1909 in Lauban in Schlesien geborenen,
nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte in
Göttingen, Bonn und Breslau über die Monumenta Germaniae Historica in Bonn,
Berlin und Wien, das Stift Wilten und den Historiker Otto Stolz in Innsbruck durch
Gutachten Slavomir Condanaris, Otto Stolz’ und Godehard Josef Ebers’ habilitierten,
am 6. 2. 1954 nach Wien berufenen Hans Lentze der am 28. 7. 1913 als Sohn eines
Innsbrucker Rechtsanwalts in Hall in Tirol geborene, 1931 am humanistischen
Gymnasium in Innsbruck maturierende, nach dem Studium von Geschichte,
Geographie und Volkskunde in Innsbruck im Dezember 1936 mit einer Arbeit über
das königliche Stift zu Hall in Geschichte promovierte, im Februar 1939 die
Lehramtsprüfung aus Geschichte und Geographie für Mittelschulen bestehende, nach
Verweigerung der Zulassung als Probelehrer („als österreichischer Patriot“) von
der Geschichte zur Rechtswissenschaft gewechselte, den 42. Kurs des
österreichischen Instituts für Geschichtsforschung besuchende, im Dezember 1939
in Rechtswissenschaft und im Sommer 1940 in Staatswissenschaft promovierte,
seit Oktober 1943 auf dem Papier bei der Nationalbibliothek in Wien, seit
September 1945 tatsächlich im Dienst der Tiroler Landesregierung tätige, nach
langjähriger, durch vierjährigen Kriegsdienst unterbrochener Fortbildung 1945/1946
von Franz Gschnitzer in ein Seminar über Rechtstatsachenforschung eingeladene, 1946
durch Gutachten Hermann Wopfners, Otto Stolz’ und Ignaz Philipp Dengels – und
ein nachträglich vom Ministerium gewünschtes Zusatzgutachten Godehard Josef
Ebers’ - für österreichische Geschichte, allgemeine Wirtschaftsgeschichte und (deutsche)
Rechtsgeschichte an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck habilitierte,
1948 in die rechtswissenschaftliche Fakultät umhabilitierte, die Innsbrucker
Schule der Almforschung begründende, am 6. Mai 1949 zum außerordentlichen Professor
für deutsches Recht und österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte ernannte
Nikolaus Grass (Berufungsliste Mitteis [* 1889], für den Fall einer Ablehnung
gleichzeitig vorgelegte Alternativberufungsliste Gschliesser, Grass, Lentze) durchsetzte.
Strafrecht
lehrte seit 1. 10. 1912 der am 14. 12. 1876 in Wien geborene, dort maturierende
und studierende, 1908 habilitierte, am 9. 7. 1909 zum Ministerialvizesekretär
im Justizministerium ernannte, 1923 die Talare wieder einführende Theodor
Rittler († Innsbruck 4. 3. 1967). Bei seiner Emeritierung 1951 setzte er seinen
1938 von Prag in die Vereinigten Staaten von Amerika vertriebenen Schüler Edgar
Maria Foltin und Ernst Seelig (* 1896, 31. August 1947 pensioniert) auf die
beiden ersten Listenplätze. Berufen wurde allerdings am 5. 2. 1952 sein neben seinen
1945 als Richter entlassenen und seiner Lehrbefugnis enthobenen Schüler
Siegfried Hohenleitner und den in Wien ausgebildeten, in Berlin habilitierten,
in Prag vertriebenen Erich Schinnerer auf den dritten Listenplatz eingeordneter,
wie er in Wien (am 15. 10. 1914) geborener, dort nach Matura (1933) und Studium
am 21. 12. 1938 promovierter, am 2. 10. 1940 der NSDAP beigetretener, als
Staatsanwalt am Sondergericht Wien bei mindestens 9 Todesurteilen (u. a. wegen
Abhörens eines auswärtigen Senders und Verbreitens von Nachrichten dieses
Senders durch tschechische Landarbeiter) mitwirkender, seit 5. 6. 1946 als
Richter in Innsbruck tätiger, 1948 von ihm habilitierter Schüler Friedrich
Nowakowski.
Im öffentlichen
Recht wurde Karl Lamp 1933 siebenundsechzigjährig in den vorzeitigen Ruhestand
versetzt, Max Kulisch im März 1939 im Alter von 69 Jahren von den amtlichen
Verpflichtungen entbunden. An Lamps Stelle trat (hauptsächlich für Völkerrecht)
der aus der deutschen Sprachinsel Lusern stammende, in Trient am 22. 6. 1888
geborene, in Innsbruck studierende, am 24. 3. 1911 promovierte, von 1921 bis
1924 als Abgeordneter Deutsch-Südtirols im Parlament Italiens tätige, am 19. 9.
1927 wegen der Verteidigung zweier Hilfslehrerinnen von den Behörden Italiens
aus der Liste der Rechtsanwälte in Bozen gestrichene, daraufhin nach Innsbruck
wechselnde, für die Wiedervereinigung Tirols eintretende, 1931 von Karl Lamp
und Max Kulisch habilitierte Eduard Reut-Nicolussi (1958 in den dauernden
Ruhestand versetzt, † 18. 7. 1958), dem später Godehard Josef Ebers’ Schüler
Heinrich Kipp folgte. An die Stelle Max Kulischs wurde - ohne erkennbare
Ablehnung durch Eduard Reut-Nicolussi -, weil die Fakultät auf die Förderung
ihrer ausgezeichneten, während der Systemzeit von 1934 bis 1938 zurückgesetzten
Kräfte Wert legte und das Verwaltungsrecht noch längere Zeit eine
österreichische Note behalten sollte, nach Verzicht auf eine ursprünglich
vorbereitete Berufungsliste (Ernst Rudolf Huber, Gustav Adolf Walz, Theodor
Maunz) der in Brixen geborene, 1923 zum Doktor der Staatswissenschaft
promovierte, seit 1925 in verschiedener Verwendung an der Universität Innsbruck
tätige, 1932 im dritten Versuch in Innsbruck habilitierte, 1937 als Anwärter in
den NS-Lehrerbund eintretende, seit 21. April 1938 die Kirchenrechtsvorlesungen
Godehard Josef Ebers’ übernehmende Kurt Strele gesetzt, der am 31. Juli 1942
beim Bergsteigen am Achterkogel im Ötztal zusammen mit Karl-Hans Ganahl tödlich
verunglückte und dem nach Zwischenlösungen durch 1945 ausgeschiedene „Reichsdeutsche“
auf Grund einer von Godehard Josef Ebers ausgearbeiteten Berufungsliste (Walter
Henrich * 1888, Rudolf Schranil * 1885) am 31. 3. 1948 der am 30. 12. 1907 in Mistelbach
in Niederösterreich geborene, in Wien studierende, seit 1934 bei dem Magistrat
Sankt Pölten, nach dem Wehrdienst seit 1. 8. 1945 als Präsidialsekretär des
Verfassungsgerichtshofs tätige, 1947 bei dessen Präsidenten Ludwig Adamovich
habilitierte, drittplazierte Walter Antoniolli folgte, der seinerseits (am 17.
3.) 1956 nach Wien zurückkehrte.
Im
Privatrecht wurde der in Wien am 19. 5. 1899 als Sohn eines aus Innsbruck
stammenden, 1907 nach Innsbruck zurückkehrenden Mittelschulmathematikprofessors
geborene, in Innsbruck 1917 maturierende und studierende, sich nach der Innsbrucker
Promotion vom 17. 12. 1921 in den Jahren 1922/1923 in Wien wie in Tübingen
fortbildende, wegen der Markkatastrophe als Kustos des rechts- und
staatswissenschaftlichen Seminars in Innsbruck 1925 bei Friedrich von Woeß (Zweitgutachter
Karl Wolff) für österreichisches Privatrecht habilitierte, durch seinen
Aufenthalt in Tübingen in dem in Innsbruck wegen der zahlreichen
reichsdeutschen Hörer besonders gepflegten deutschen bürgerlichen Recht
ausgewiesene, in die Berufungsliste nach Erich Jung (* 1860, Marburg), Artur
Steinwenter (* 1888, Graz) an dritter Stelle aufgenommene Franz Gschnitzer (†
Innsbruck 19. 7. 1968) nach Lehrstuhlvertretung am 21. 4. 1927 Nachfolger
seines nach Wien wechselnden Lehrers. Ihm wird trotz späteren Wirkens als
Staatssekretär für die Österreichische Volkspartei in dieser Zeit politische
Zurückhaltung bescheinigt, wobei er selbst sich (später) als absoluter Gegner
des Nationalsozialismus von Anfang an sah, ohne dass seine Akten einen Hinweis
auf Widerstand erkennen lassen. Der neben ihm tätige, in Peterwardein (im
späteren Jugoslawien) am 11. 2. 1890 geborene, in Wien studierende, am 10. 12.
1913 sub auspiciis imperatoris
promovierte und 1915 habilitierte, über Czernowitz (17. 9. 1918) und Wien
(1919) am 20. 10. 1919 zunächst als Honorardozent nach Innsbruck gelangte, auf
Grund einer Berufungsliste Erich Jung, Karl Wolff, Ernst Swoboda am 5. 10. 1921
zum ordentlichen Professor ernannte Karl Wolff wurde gegen seine eigene Darlegung
als Halbjude eingestuft, am 13. 3. 1938 in Schutzhaft genommen, am 26. 4. 1938
beurlaubt, am 28. 5. 1938 in den zeitlichen Ruhestand versetzt und unter
Aberkennung des Ruhegenusses (31. 3. 1939) mit einem jederzeit widerrufbaren
Unterhaltsbeitrag (15. 6. 1939) ausgestattet, bis er nach Tätigkeiten als
Nachhilfelehrer und Kanzleigehilfe in Wien 1945 wieder eine ordentliche Professur
erhielt.
Wolffs
Stelle nahm der in Kufstein am 10. 12. 1897 geborene, in Innsbruck ausgebildete,
neben der Tätigkeit als Richter 1927 bei Paul Kretschmar habilitierte, am 1.
11. 1930 nach Königsberg berufene, seit 1. 5. 1933 der NSDAP angehörige, am 8.
April 1938 tatsächlich nach Innsbruck versetzte, am 9. 12. 1938 mit Wirkung zum
1. 7. 1938 zum ordentlichen Professor für bürgerliches Recht, Arbeitsrecht,
Wirtschaftsrecht und Verkehrsrecht ernannte Hermann Hämmerle ein, was von Franz
Gschnitzer als naturgegebene Lösung angesehen wurde. Er hielt Arnold
Herdlitczka und Josef Godehard Ebers aus hochschulpolitischen Gründen für
völlig untragbar und förderte Ganahl und Strele. Obwohl für ihn Gesinnung
sachliche Qualifikation nicht ersetzen konnte, wurde er am 3. 4. 1946 entlassen
und fand erst nach Neuhabilitation am 13. 9. 1952 in Graz einen neuen Platz.
Am 27. 7. 1943
wurde (zum 1. 5. 1943) noch der in Schwanheim bei Frankfurt am Main am 12. 3.
1910 als Sohn eines Magistratsrats geborene, nach Studien in Lausanne, Paris und
Frankfurt am Main sich gegen die Barbarei der Judenhetze wendende, am 1. 5. 1933
der NSDAP beitretende, von der Tätigkeit als Gerichtsassessor aus politischen
Gründen ausgeschlossene, nach schwieriger Habilitation in Frankfurt am Main
(1940, Fritz von Hippel) in Freiburg im Breisgau (Dozent) und Greifswald (1. 8.
1941 ao. Professor) tätige Josef Esser auf Grund persönlicher Verbindungen zu
Franz Gschnitzer und Eduard Reut-Nicolussi unter Erweiterung seiner
Lehrbefugnis Professor in Innsbruck. Als „Reichsdeutscher“ wurde er 1946 seines
Amtes enthoben, durfte aber (ausnahmsweise) weiter lehren. Einer nach Aufhebung
der Enthebungsverfügung bereiten Innsbrucker außerordentlichen Professur (25.
1. 1949) zog er die Rückkehr als Professor nach Deutschland (1. 11. 1949 Mainz)
vor, woraufhin Erich Sachers (Sarajewo 9. 9. 1889-Innsbruck 4. 10. 1974,
Matura, Studium Innsbruck, Richter, Habilitation Gießen 1929, 31. 10. 1929 ao.
Professor Universität Graz, Juli 1939 entlassen, 1945 zurückberufen) am 17. 6.
1950 (für Zivilprozessrecht) nach Innsbruck zurückkam.
Viele dieser
zahlreichen, eher zwischen 1933 und 1945 als zwischen 1945 und 1955 spielenden
Geschehnisse kann die Verfasserin durch schriftliche, zum Teil im umfangreichen
Anhang herausgegebene Quellen belegen. Noch mehr wird mündlich abgesprochen worden
und damit unwiederbringlich verloren gegangen sein. Überhaupt nicht sicher zu
ermitteln sind die tiefgründigen, hinter den Handlungen stehenden,
unausgesprochenen, vielfach wohl allzu menschlichen und wenig sachlichen
Überlegungen wie z. B. die Motive eines Habilitationswerbers sein Kind nach dem
ziemlich ungewöhnlichen Vornamen seines des Amtes entsetzten und damit von der
Habilitationhilfe ausgeschlossenen, ihm aber nach langen Jahren doch zu einer
Professur verhelfenden Doktorvaters zu benennen.
Insgesamt
erweist sich der Innsbrucker Hort der Rechtswissenschaft doch als ein Ort vielfältigster
feindlichster Auseinandersetzungen gegen jeweils andere. Im Mittelpunkt steht
die Macht, nicht das Recht. Nur wenigen besonders Geschickten gelingt in diesem
Kampf ein beständiger Platz auf der jeweiligen Sonnenseite des Lebens.
Erforderlich
ist dafür die ausreichende Wendigkeit, die jedes Argument zur rechten Zeit als
recht darzustellen weiß. Hinzukommen die entsprechenden Verbindungen, die etwa
einen Dekan nach Vorarlberg reisen und einen ehemaligen Bundesminister auf
Grund einiger Aufsätze, Reden und Vorträge in Zeitungen und Zeitschriften in
der Hoffung auf die schönsten künftigen Früchte publizistischer Tätigkeit von
seiner Qualifikation als Professor einer juristischen Fakultät überzeugen
lassen. Wenn eine Berufungsliste dazu noch auf den vorderen und manchmal auch
noch hinteren Rängen mit Namen internationalen Klanges geschmückt wird, von
denen jeder weiß oder zumindest glaubt, dass sie niemals eine (außerordentliche)
Professur in der Provinz annehmen werden, kann jeder an unscheinbarer
Listenstelle versteckte Patronierte, selbst ein kurz vor der eigenen
Emeritierung habilitierter alter Privatgelehrter, mit Hilfe scheinbar
sachlicher Gutachten oder Begründungen im Zusammenspiel mit der ebenfalls
politisch agierenden Berufungsbehörde (vgl. etwa den unter Anbietung eines
Privatdozenten erfolgten dezenten Hinweis „unter möglichster Berücksichtigung
von Inländern“ in einer Aufforderung zur Erstellung einer Berufungsliste) zumindest
versuchsweise zu Amt und Würden gebracht und dadurch auf Kosten der Allgemeinheit
die eigene private Einflussmöglichkeit auf Öffentliche Mittel irgendwie verstärkt
oder verlängert werden.
Diese
augenfällige Verschiedenheit von Ideal (des außergewöhnlichen, intellektuellen
und wissenschaftlichen Niveaus) und tatsächlicher örtlicher Wirklichkeit von
einem eigenen politischen Standpunkt aus an einem geschichtlichen Beispiel
anschaulich dokumentiert zu haben, ist die wichtigste Leistung der Verfasserin.
Diesem Verdienst gegenüber fallen kleine, vor allem aus der nicht immer
ausreichend erkannten Verschiedenheit der österreichischen und deutschen Rechtsstrukturen
erwachsende Unebenheiten nicht ins Gewicht. Schade, dass die interessanten
Fußnoten an die Kapitelenden versteckt werden, dass ein Register fehlt und dass
die umfangreiches, detailgeschichtlich interessantes Datenmaterial streng
chronologisch und damit übersichtlicher ordnenden Kurzbiographien der
ursprünglichen Arbeit nicht in die Druckfassung übernommen werden konnten.
Innsbruck Gerhard Köbler