Landwehr, Torsten, Das Kommissionsgeschäft in Rechtswissenschaft, Gesetzgebung und Rechtspraxis vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (= Rechtshistorische Reihe 277). Lang, Frankfurt am Main 2003. 411 S.
In einem Zeitalter, in dem der Handel örtliche, nationale und internationale Grenzen überschritt, bedurfte es des Einsatzes von intermediären Hilfspersonen, um dieser Ausweitung der Handelstätigkeit gerecht werden zu können. Der einzelne Kaufmann reiste nicht mehr von einem Handelsort zum anderen, um seine Waren zu verkaufen oder neue Waren zu erwerben. Die Ausdehnung des Handelsgebietes bei gleichzeitig dem nicht Schritt haltenden eingeschränkten und beschwerlichen Verkehrsmöglichkeiten verlangte die Hinzuziehung von Personen, die mit der Ausführung von Teilbereichen des Handels betraut werden konnten. Dies wiederum führte nicht nur zu praktischen Schwierigkeiten – auch mit diesen Personen musste kommuniziert werden -, sondern auch zu neuen rechtlichen Problemen. Angesichts der mangelhaften Kommunikationstechnik war eines davon die Zu- oder Unzulässigkeit des Abweichens vom erhaltenen Auftrag. Die Einschaltung Dritter in eine eigentlich als Zweierbeziehung gedachte Handelsverbindung warf darüber hinaus haftungs- und zuordnungsrechtliche Komplikationen auf. Eine Handelsperson aus diesem neuen Bereich stellt der Kommissionär dar; mit der Herausbildung der auf ihn anwendbaren rechtlichen Grundlagen befasst sich die Göttinger Dissertation Landwehrs.
Die Arbeit ist in drei große Abschnitte gegliedert: im ersten wird die Rechtsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts zunächst auf die dogmatische Einordnung der Kommission untersucht; im zweiten Abschnitt geht es um gesetzliche Grundlagen der Kommission im 17. und 18. Jahrhundert; im dritten Abschnitt wird schließlich nicht nur die Rechtsliteratur, sondern auch die ökonomische Literatur des 18. bis hin zum beginnenden 19. Jahrhundert ausgewertet; abgeschlossen wird die Arbeit mit einem Ausblick auf die handelsrechtlichen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts. Bei diesem großen Überblick tauchen zwei hauptsächliche Problemkreise – nahezu unabhängig von Zeit und Ort – regelmäßig auf: die Einordnung der Kommission in die römisch-rechtlich geprägte Vertragstypik und die Haftungsfrage: wer konnte wann unter welchen Voraussetzungen auf das „Kommissionsgut“ unter welchen Umständen zugreifen. Im Zusammenhang mit der Zugriffsproblematik wird die Bedeutung der „Delkredere-Haftung“ des Kommissionärs diskutiert. Das grundlegende Problem der vertragsmäßigen Einordnung des Kommissionsgeschäfts sollte erst an der Schwelle des 19. Jahrhunderts gelöst werden, als erstmals von den römisch-rechtlichen Vertragsmustern ausdrücklich Abstand genommen und die Kommission als Vertrag „sui generis“ bezeichnet wurde. Nun mag dies bei strikter dogmatischer Betrachtung etwas hilflos wirken; angesichts der Aufnahme des Kommissionsvertrages in das Handelsgesetzbuch bedürfte es eigentlich auch keines Rückgriffs mehr auf die Klassifizierung als „typengemischter Vertrag“; es handelt sich jetzt schlicht um einen gesetzlich vorgegebenen Vertrag. Dessen Einzelregelungen werden aber nur verständlich vor dem historisch-dogmatischen Hintergrund. Deshalb ist es durchaus von Bedeutung, auf die „alten“ Einordnungsversuche einzugehen; denn aus ihnen erwächst erst das notwenige Verständnis z. B. für die Regelungen der §§ 384, 385 HGB über die Pflichten des Kommissionärs. Hieraus wird deutlich, dass der nunmehr selbständige Kommissionsvertrag aus dem Mandatsrecht hervorgegangen ist, mit dessen Anwendung auf den Kommissionär sich die Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts vor allem auseinandergesetzt hat. Aber bereits damals stießen sich Dogmatik und Handelsbrauch; denn das Mandat war definitionsgemäß unentgeltlich (vom „honorarium“ abgesehen), während der kaufmännische Kommissionär natürlich einen klagbaren Anspruch auf Entgelt erwartete. Dies war die erste Schneise, die in die römisch-rechtliche Dogmatik geschlagen werden musste, um diese Form des Handelsverkehrs überhaupt verkehrsfähig zu machen. Das zweite Einfallstor musste für die Zuordnung des Kommissionsguts geöffnet werden. Bekanntlich war dem römischen Recht die direkte Stellvertretung, also das ausdrückliche Handeln im fremden (= des Geschäftsherrn) Namen, unbekannt. Andererseits gab es Institutionen (wenn von der Sklavenwirtschaft abgesehen werden soll), die ähnliche Wirkungen herbeiführten, wie den procurator und den institor. Und diese beiden Formen wurden auch für den Kommissionär nutzbar gemacht. Allerdings ist zu beachten, dass – so auch die vom Verfasser mitgeteilten Quellen (insbesondere S. 124–127) – bei genauer Betrachtung drei Arten des Auftretens diskutiert worden sind: einmal im eigenen Namen, dann im fremden Namen, d. h. dem des Mandanten, und schließlich „nomine institorio“ bzw. „nomine procuratorio“. Letzteres kann nicht einfach mit Handeln im fremden Namen gleichgesetzt werden, sondern präziser als Handeln mit Bezug auf eine Amtsstellung1). Dies bedeutete dann zweierlei: zum einen die Enthaftung des Handelnden, zum anderen die Zuordnung des Vermögens zum materiell Berechtigten. Führend für diese Verobjektivierung der Haftung waren niederländische Juristen und Rechtsprechung, die deutlich unter Hintanstellung dogmatischer Bedenken unter Verweis auf die „mores hodierni“ bzw. die Bedürfnisse des Handelsverkehrs2) diese treuhänderische Funktion des für ein fremdes Vermögen Handelnden herausgearbeitet hatten. Gesichert wurde der Rechtsverkehr einzig noch über das Offenkundigkeitsprinzip; dem Geschäftsgegner musste deutlich gemacht werden, dass er sein Vertrauen nicht der kontrahierenden Person, sondern dem „Vermögen“ schenkte. Dieser Ansatz ließ es dann auch zu, in der Insolvenz des Kommissionärs (der zutreffend insoweit als Treuhänder bezeichnet werden kann) dem Kommittenten Zugriffsrechte auf „sein“ Vermögensobjekt zu gewähren, wobei noch nach der Art des Objekts (Sache oder Forderung) und dessen Zustand (unterscheidbar oder ununterscheidbar vorhanden; Forderung noch ausstehend oder schon eingezogen) differenziert wurde. Die nicht immer geradlinig verlaufende Entwicklung wird dann bis zur Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts nachgezeichnet. Ein argumentativer Schlenker findet sich z. B. bei der Bewertung der Delkredere-Haftung des Kommissionärs, die (erstaunlicherweise unter heutiger Betrachtung) dazu führen sollte, dass dem Kommittenten das Aussonderungsrecht in der Insolvenz des Kommissionärs versagt werden konnte (S. 234ff.). Dieser Gedanke wurde erst dann verlassen, als man die Rechtsnatur dieser vom Kommissionär eingegangenen Verpflichtung unter den Gesichtspunkt eines Garantievertrages einordnete und dazu gekommen war, dass mit der Übernahme dieser Haftung nicht eine Schmälerung der Rechte des Kommittenten beabsichtigt war, sondern deren Verstärkung. Schließlich wurde hinsichtlich der persönlichen Enthaftung des Kommissionärs sogar noch differenziert zwischen der Kommission beim Wechsel und der bei der Versicherung; während bei ersterer die persönliche Haftung entfiel, wurde bei letzterer eine Art Ersatzhaftung des Kommissionärs beibehalten; vielleicht spielte hier die Rechtsnatur der Versicherung als Dauerschuldverhältnis eine entscheidende Rolle. Die Bedeutung des Schweigens auf handelsrechtliche Schreiben wird ebenfalls erörtert; allerdings kann dem Verfasser nicht darin gefolgt werden, wenn er aus der Pflicht zur Anzeige der Ablehnung der Auftragsübernahme (S. 326) das Anerkenntnis eines Vertragsschlusses kraft Stillschweigens herleitet: die Folge einer Verletzung dieser Pflicht liegt nicht im Abschluss eines Vertrages (also Erfüllung), sondern im Schadensersatz. Interessant ist wiederum, dass Versicherungsunternehmen bereits im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts ihnen unbequeme Folgen der obergerichtlichen Rechtsprechung – Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis des Versicherers bei Versicherung auf fremde Rechnung – durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Policen (= allgemeine Geschäftsbedingungen) zu vermeiden trachteten (S. 331). Erstaunlich ist letztlich der Hinweis auf die ausführliche Regelung des Kommissionsrecht im Württemberg des 19. Jahrhunderts, also in einem Staat, dessen handelsrechtliche Bedeutung nicht gerade auf der Hand liegt.
Zusammenfassend liegt hier eine Arbeit vor, die das spannende Verhältnis von Rechtsdogmatik und Handelspraxis für ein Spezialgebiet lesenswert aufbereitet hat. Dabei ist besonders die plastische Darstellung des Verfassers hervorzuheben. Er beschränkt sich nicht auf die Wiedergabe der verschiedenen Meinungen, sondern führt die jeweiligen Belegstellen wörtlich auf, so dass die Meinungsbildung nachvollzogen werden kann. Außerdem werden die „Leitentscheidungen“ der Gerichte sowohl im Tatbestand als auch den Entscheidungsgründen mitgeteilt. Hieraus lassen sich nicht nur die zur Entscheidung anstehenden rechtlichen Fragen, sondern auch die weitverzweigten Handelsbeziehungen entnehmen. Alles in allem also eine keineswegs trockene dogmatische Arbeit, sondern die lebensnahe Schilderung einer Rechtsentwicklung durch mehrere Jahrhunderte.
Frankfurt am Main Siegbert Lammel