Jendorff, Alexander, Verwandte, Teilhaber und
Dienstleute. Herrschaftliche Funktionsträger im Erzstift Mainz 1514 bis 1647 (=
Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 18).
Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Marburg 2003. X, 398 S. 3
Abb., 1 Faltplan, CD-Rom Register, Karte.
Die vorliegende Veröffentlichung ist
ein „Kind“ der Gießener Dissertation des Verfassers[1], denn
sie „beruht auf dem Material“, das er für seine Doktorarbeit gesammelt hat (S.
IX). Davon ausgehend soll die Arbeit als „prosopographische Studie“ die
Forschung zur Kurmainzer Staatlichkeit unterstützen (S. 15), wobei der Autor
„in drei Ebenen“ vorgeht: „In einem ersten Schritt wird nach der Genese und
Systemik des territorialen Gesamtsystems gefragt, im zweiten Schritt werden die
analysierten abstrakten Strukturen sachlich und chronologisch an der
Personengeschichte konkretisiert und im dritten Schritt wird die Datenbasis
offengelegt“ (S. 21). Die einleitenden Studien zu „Genese und Systemik Mainzer
Territorialstaatlichkeit im 16. und 17. Jahrhundert“ (S. 23-85) und zu den
„Funktionsträgern kurfürstlicher Herrschaft“ (S. 87-161) kommen zu durchaus
interessanten Ergebnissen, fußen aber zum wenigsten auf dem systematischen
„Ämter- und Dienerverzeichnis“ (S. 163-339). Dafür ist dessen Quellengrundlage
zu schmal und zu lückenhaft (vgl. S. 18ff.), woraus sich zwangsläufig auch die
systematische Anordnung der Listen ergab: Für ein alphabetisches „Dienerbuch“
ergänzt durch eine „systematische Zusammenstellung“, wie es Franz
Gundlach für Hessen
vorgelegt hat[2], reicht das Material bei
weitem nicht aus.
Das „Ämter- und Dienerverzeichnis“
enthält im wesentlichen die Bestallungen, soweit solche erhalten sind. Die
Rubrik „Einstellung“ nennt allerdings manchmal stattdessen das Datum einer mehr
oder weniger zufälligen Erwähnung, z. B. bei dem Amtmann zu Amöneburg Philipp
v. Dürn (S. 228f. Nr. 2) „1520“ und als Quelle „Gudenus, Codex 1, 986“. Im 1.
Band des Codex diplomaticus von Valentin Ferdinand v. Gudenus (Göttingen
1743) findet sich auf S. 999 (nicht 986) folgender Eintrag: „Philipp.
de Düren: der Zeit Amptmann zu Ameneb. Occ. 1520 Lunae p. Luciae.“ Occ. = Occurit heißt: Er begegnet, er kommt vor; und zwar Montag nach
Lucie, d. h. am 13. Dezember 1520. Philipp v. Dürn ist allerdings nicht der
erste Amöneburger Amtmann im Bearbeitungszeitraum. Vor ihm notiert Gudenus
(a. a. O.): „Anno 1516 Elector ALBERTVS
& Rudolfus de Schwallbach conferunt Rationes von der Ambtmannschafft wegen
zu Ameneburg: ut ergo tertium huic Praefecturae admotus videatur.“ Zur
dritten Amöneburger Amtszeit des Rudolf v. Schwalbach erfährt man weiteres bei Alfred
Schneider[3], den Jendorff nicht
kennt; danach kommt Rudolf v. Schwalbach schon am 4. Juli 1513 in den Akten als
Amtmann in Amöneburg vor[4],
ebenso im Ehevertrag vom 18. Dezember 1505 für seine Tochter Katharina mit
Ebert Schenk zu Schweinsberg[5]. Das
ist eine auch für die Prosopographie der Mainzer Beamtenschaft nicht
uninteressante Nachricht, denn Ebert Schenk, Sohn des mainzischen Amtmanns zu
Amöneburg von 1488 bis 1491 Eberhard Schenk zu Schweinsberg (der auch in
hessischen Diensten stand) und Schwiegersohn von dessen Amöneburger
Amtsnachfolger Rudolf v. Schwalbach, wird 1517 hessischer Amtmann in Homberg an
der Ohm, 1518 in Bonames, begleitet Landgraf Philipp 1521 auf den Wormser
Reichstag und wird 1526 zum Amtmann in Rüsselsheim auf Lebenszeit bestellt[6].
Zurück zu Rudolf v. Schwalbachs Amtsnachfolger Philipp v. Dürn. Schneider
nennt ihn schon für 1518 Mai 27, und Gudenus berichtet: „Rationes gesti Officii redduntur a Vidua
1524.“ Demnach war Philipp v. Dürn 1524 tot, und laut Schneider
kommt schon am 21. November 1522 Bastian Forstmeister als Amtmann zu Amöneburg
vor; Albrecht von Brandenburg nennt ihn „unser
amptman zu Ameneburg und lieber getreuer Bastian Forstmeister“ und erwähnt
dessen Amtshandlungen um Johannes baptista (24. Juni 1522)[7].
Diesen Amöneburger Amtmann kennt Jendorff ebenfalls nicht. Und bei ihm
fehlen im folgenden auch die bei Gudenus (und Schneider)
genannten Amöneburger Amtleute Wilhelm Balthasar v. Schlitz gen. Görtz
(1609/10), Heinrich Reinhard v. Buseck (1636-1638) und Christoph Ernst v.
Plettenberg (1639-1646).
Über geistliche Kommissare auf dem
Eichsfeld (S. 304f. Nr. 10) und zu Fritzlar (ebd. Nr. 21-28) findet sich
weiteres Material bei Karl E. Demandt[8] und Theodor
Niederquell[9]. Bei den Räten und Dienern
von Haus aus wäre es interessant zu erfahren, ob es sich bei dem 1553
bestallten Philipp Schenk zu Schweinsberg (S. 208f. Nr. 288) um den späteren
(seit 1556) hennebergischen Rat und Amtmann zu Kaltennordheim, Wasungen und im
Sande[10]
handelt. Das könnte nämlich zu dem passen, was Jendorff (S. 60f.) über
die „Integration des Mainzer Politiksystems mit der territorialstaatlichen
Außenwelt“ sagt.
Die angeführten Beispiele sind sicher
nicht repräsentativ. Aber sie machen doch deutlich, daß das vorliegende „Ämter-
und Dienerverzeichnis“ für Kurmainz erst ein Anfang ist. Eine richtiges
Dienerbuch im Sinne von Gundlach (wie Anm. 2) oder Demandt (wie
Anm. 6) kann es nicht ersetzen.
Marburg Wilhelm
A. Eckhardt
[1] Reformatio catholica.
Gesellschaftliche Handlungsspielräume kirchlichen Wandels im Erzstift Mainz
1514 – 1630 (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 142), Münster 2000.
[2] Die hessischen Zentralbehörden von 1247 bis 1604 (=
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck = VHKH
16), Band 3: Dienerbuch, Marburg 1930.
[3] Stadt und Amt Amöneburg. Beiträge zur Geschichte der kurmainzischen
Besitzungen im Raume Oberhessen, 2. Aufl., Marburg 1989, hier S. 263.
[4] Erich Klibansky,
Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen (= Marburger
Studien zur älteren deutschen Geschichte I 1), Marburg 1925, S. 30 Anm. 187.
[5] Staatsarchiv Marburg,
Urkunden Schenck zu Schweinsberg Samtarchiv.
[6] Karl E. Demandt,
Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter. Ein
„Staatshandbuch“ Hessens vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts
(= VHKH 42), Marburg 1981, S. 740f. Nr. 2626. Zu Eberts Vater Eberhard vgl.
ebd. Nr. 2625.
[7] Staatsarchiv Marburg,
Bestand 3 (Politisches Archiv Landgraf Philipps) Nr. 2107, Bl. 6ff.
[8] Das Chorherrenstift St.
Peter zu Fritzlar. Quellen und Studien zu seiner mittelalterlichen Gestalt und
Geschichte (= VHKH 49), Marburg 1985, S. 755f. (Konrad Schrendeisen 1510-1521),
S. 763f. (Konrad Steinwart 1506-1524).
[9] Die Kanoniker des
Petersstifts in Fritzlar 1519-1803 (= VHKH 41), Marburg 1980, S. 128 (Jodokus
v. Heydwolff), S. 129 (Rudolf v. Hiddesen), S. 155 (Kaspar v. Mansbach 1536),
S. 164 (Engelhard v. Niehausen), S. 177 (Konrad Schenk zu Schweinsberg), S.
181f. (Konrad Schrendeisen), S. 185 (Konrad Siebel) und S. 190 (Konrad
Steinwart).
[10] Zu ihm vgl. Wilhelm
A. Eckhardt, Miszellen und Vorträge (Beiträge zur hessischen Geschichte
10), Marburg 1995, S. 78ff.