Gut, Franz, Mit der Pranke und dem
Zürcher Schild. Gelebte Poizeigeschichte im 20. Jahrhundert. Staatsgewalt,
Gefahren, Recht und Sicherheit im Spiegel einer bewegten Zeit. Verlag Neue
Zürcher Zeitung. Zürich 2003. 618 S.
Das Themenfeld
Polizeigeschichte wurde von der Geschichtsschreibung lange Zeit eher
stiefmütterlich behandelt. Erst im letzten Jahrzehnt erschienen zu diesem
wichtigen Teil der Staats- und Verwaltungsgeschichte eingehendere wissenschaftlich
fundierte Publikationen. Dabei entschied man sich vielfach - wie auch beim
vorliegenden Band – für den durchaus richtigen Weg, regional und zeitlich
begrenzte Untersuchungen vorzulegen, um so ein intensiveres Bild der Entwicklung
zu vermitteln.
Aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der
Kantonspolizei Zürich hat der Autor, der seit 35 Jahren im Polizeidienst steht,
daneben aber auch schon mit einer rechtshistorischen Arbeit hervorgetreten ist,
der Zürcher Polizeigeschichte des 20. Jahrhunderts nachgespürt. Die Darstellung
blendet allerdings die ersten drei Jahrzehnte des Jahrhunderts weitgehend aus
und setzt erst mit dem Beginn der Dreißigerjahre ein - vor dem Hintergrund der
Wirtschaftskrise und der politischen Verschärfungen am Vorabend des Zweiten Weltkrieges.
Als Quellengrundlage dienten neben der Literatur und den noch vorhandenen
Unterlagen aus den Beständen der Polizei vor allem Akten aus dem Staatsarchiv Zürich,
dem Bundesarchiv Bern sowie dem Stadtarchiv Winterthur.
Die Thematik wird sehr übersichtlich in
insgesamt sieben Abschnitten aufbereitet, wobei zunächst die allgemeine
organisatorische und personelle Entwicklung im Vordergrund stehen, ehe dann die
einzelnen polizeilichen Sparten behandelt werden – von der Bezirks- und Kriminalpolizei
über die Nachrichtendienste, die Sicherheits- und Verkehrspolizei bis hin zur
Flughafenpolizei.
Zunächst widmet sich der Autor vor allem
personellen und organisatorische Fragen des Polizeikorps, das seit 1930 von
rund 300 auf nunmehr 1.700 Personen angewachsen ist. Man erfährt sehr viel vom
inneren Dienstbetrieb der Polizei, von der Ausbildung, von der Amtsführung der
Polizeikommandanten, aber auch von den Schicksalen der im Dienst getöteten Polizisten.
Für Frauen war in diesem militärisch organisierten Korps zunächst kein Platz.
Erst im Jahre 1942 wurden die erste Polizeiassistentin und ab 1964 schließlich
auch uniformierte Polizistinnen angestellt.
Tragende Säule der Kantonspolizei waren
stets die im Kanton verteilten Polizeistationen, von denen es 1930 noch 123
gab, während heute nur mehr rund 60 Standorte bestehen. Sie hatten vor allem
während des Zweiten Weltkrieges besondere Obliegenheiten zu erfüllen, wie etwa
die Aufsicht über die Ausländer oder die Mitwirkung an den
kriegswirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen. In dieser Zeit der Bedrohung des Schweizer
Staatssystems wurde bereits 1938 ein eigener Nachrichtendienst innerhalb des
kantonalen Polizeiapparates geschaffen, dem vor allem die Überwachung staatsgefährlicher
Umtriebe aber auch der Emigranten oblag.
Besonders eingehend wird die Entwicklung
im Bereich der Kriminalpolizei behandelt. Neben den Fortschritten bei den
Fahndungsmitteln und der Kriminaltechnik erfährt man auch einiges vom nicht
immer spannungsfreien Verhältnis mit den Organen der Stadtpolizei in Zürich und
Winterthur. Mit der Schilderung von ausgewählten denkwürdigen Kriminalfällen
wird dieser Abschnitt abgerundet.
Der Sektor der Sicherheitspolizei erfasst
dann eine breite Palette polizeilicher Aufgaben – angefangen bei den Wacht- und
Bereitschaftsdiensten beim Polizeikommando in Zürich, über die besonderen
Polizeiaufgaben während des Zweiten Weltkriegs bis hin zu Großeinsätzen bei
Krawallen, Unruhen und Katastrophen. Die sehr lebendigen Schilderungen
einzelner Vorfälle bieten anschauliche Einblicke in die Veränderungen der
Polizeitaktik, von den kommunistischen Ausschreitungen in den 30er-Jahren bis
zu den Zürcher Jugendrevolten der 60er- und 80er-Jahre.
Große Umwälzungen gab es natürlich bei
der Verkehrspolizei, die ab Ende der 20er-Jahre institutionalisiert und
zunächst als „fliegende Kontrolle“ bezeichnet wurde. Um mit der stetigen
Zunahme des Verkehrsaufkommens und den damit einhergehenden Problemen Schritt
zu halten, mussten vielfache Verbesserungen in der technischen Ausstattung und
bei den Kontrollmaßnahmen im Dienste der Verkehrssicherheit durchgeführt
werden. Ähnlich tiefgreifende Veränderungen erlebte auch die Flughafenpolizei –
zunächst ab 1938 nur für die Passkontrolle zuständig, doch seit Ende der 60er-Jahre immer mehr mit umfassenden
Sicherheitsvorkehrungen für die Bedrohungen der Luftfahrt befasst.
Insgesamt erhält man mit dem vorliegenden
Werk tiefe Einblicke in die veränderten inneren Strukturen, technischen
Fortschritte, besonderen Einsätze und auch den Alltag der Polizei in den sehr
bewegten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Dabei wird auch nicht auf den rechtlichen
Hintergrund sowie die sozialen Umwälzungen vergessen und damit ein umfassendes
Bild der im Dienste der Staatsgewalt stehenden Ordnungshüter vermittelt.
Graz Helmut
Gebhardt