50 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, Hartmut/Preis, Ulrich/Riebler, Volker. Beck, München 2004. XV, 1417 S.
Das Buch ist - obwohl im Titel nicht als solche bezeichnet - eine Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat eine herausragende Bedeutung für den Normenbestand des Arbeitsrechts, denn die Rechtsgrundsätze und Rechtsregeln des Arbeitsrechts sind wegen des Mangels an geschriebenen Rechtsquellen stärker von der Rechtsprechung als von der Gesetzgebung geprägt. „Der Richter ist der eigentliche Herr des Arbeitsrechts“ schrieb Franz Gamillscheg bereits vor 40 Jahren und fügte weitsichtig hinzu: „Das Richterrecht bleibt unser Schicksal“. So nimmt es nicht wunder, dass sich an dieser Festschrift für das höchste Gericht der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit nicht weniger als 70 Autoren aus der Wissenschaft, aus Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, aus Unternehmen und aus der Fachanwaltschaft beteiligt haben. Die Vielzahl der Beiträge macht es unmöglich, jeden einzelnen auch nur zu nennen. Erwähnt sei jedoch, dass die Herausgeber sieben Themenkomplexe gebildet haben, innerhalb derer die Beiträge alphabetisch nach den Autorennamen geordnet sind, nämlich (A) Arbeitsvertragsrecht, (B) Arbeitsrechtlicher Bestandsschutz (d. h. im Wesentlichen: Kündigungsschutz), (C) Arbeitskampfrecht, (D) Tarifvertragsrecht, (E) Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen, (F) Europäisches und Internationales Arbeitsrecht sowie Rechtsvergleichung und schließlich (G) Richterrecht und Verfahrensrecht. Es folgt ein Verzeichnis der Präsidenten und Richter des Bundesarbeitsgerichts in den Jahren 1954 bis 2003.
Von den Beiträgen zu einer derartigen Jubiläumsfestschrift erwartet der Leser, insbesondere der Rechtshistoriker, dass in ihnen die Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichts in der einen oder anderen Hinsicht nachgezeichnet und gewürdigt wird. Die Mehrzahl der Beiträge wird dieser Erwartung sicherlich gerecht. Es sei aber nicht verschwiegen, dass manche Beiträge einzelne Sachprobleme oder Problembereiche behandeln, die entweder nur in lockerer Beziehung zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den vergangenen 50 Jahren stehen oder mit denen das Bundesarbeitsgericht sich bislang überhaupt noch nicht zu befassen hatte. Selbst im Themenbereich „Arbeitskampfrecht“, das doch voll und ganz auf der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruht, finden sich solche Beiträge. Abhandlungen dieser Art können als Entscheidungshilfen gedacht sein für den Fall, dass das Bundesarbeitsgericht sich in Zukunft mit dem erörterten Problem zu befassen hat. Dann wären sie aber in den arbeitsrechtlichen Fachzeitschriften, an denen ja kein Mangel besteht, besser am Platze als in einer Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Bundesarbeitsgerichts.
Der Rezensent hält das deutsche Arbeitsrecht für ein „Schmuckstück mit Altersflecken“ (vgl. meinen Beitrag zur demnächst im Verlag C. H. Beck, München, erscheinenden Gedächtnisschrift für Meinhard Heinze) und verhehlt nicht seine Auffassung, dass die unschönen Altersflecken weitgehend durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verursacht worden sind. Aus diesem Grunde ist es eine glückliche Fügung, dass - wegen der erwähnten alphabetischen Ordnung der Beiträge innerhalb der einzelnen Themenkreise - Wolfgang Zöllner mit seinem Beitrag „Die Stellung des Bundesarbeitsgerichts im Gefüge der arbeitsrechtlichen Regelsetzer - rechtspolitisch betrachtet“ als Letzter in der Festschrift zu Wort kommt. Mit Zöllner muss man nämlich über den „Gesamtzustand des über die Länge der Zeit durch die dritte Gewalt gestrickten Regelgeflechts erschreckt und beunruhigt“ sein. Sehr zu Recht gibt Zöllner am Ende seines Beitrags dem Bundesarbeitsgericht die Frage mit „auf den Weg in sein nächstes halbes Jahrhundert“, was denn werden soll, „wenn das Gericht in der Produktion beengender Regeln so weiter macht, wie bisher“, denn dann ließe sich dem beklagenswerten Gesamtzustand unseres Arbeitsrechts womöglich auch durch Regierung und Parlament gar nicht abhelfen. Einen sinnvolleren und eindrucksvolleren Schluss als diesen könnte die Festschrift nicht haben.
Giessen Alfred Söllner