Ebert, Ina, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht. Von der
Renaissance der Privatstrafe im deutschen Recht (= Jus Privatum 86). Mohr
(Siebeck), Tübingen 2004. XX, 664 S.
In
einer Einleitung schildert die Verfasserin die Zurückdrängung pönaler Elemente
aus dem Privatrecht sowie die Regelungen, in welchen man dennoch
privatrechtliche Strafen im geltenden Recht sehen oder wenigstens vermuten
kann. Dabei wird bereits ihre Meinung deutlich, daß Privatstrafen im
Privatrecht vorhanden sind und auch dahin gehören. Leider definiert die Verfasserin
den Begriff des Pönalen nicht, man kann aus Ausführungen nur erahnen, daß damit
u. a. Zahlungsverpflichtungen gemeint sind, die über den materiellen Schaden,
wie wir ihn heute ermitteln, hinausgehen. Die anschließende Arbeit besteht aus
zwei Teilen: Im ersten, rechtshistorischen Teil (B, S. 13-245) behandelt die
Verfasserin die Geschichte der Privatstrafe im deutschen Recht bis zum Bürgerlichen
Gesetzbuch, in einem zweiten, dogmatischen Teil (C, S. 247-566) behandelt sie die
Privatstrafe unter dem BGB.
Im
rechtshistorischen Teil untersucht die Verfasserin die einzelnen deutschen
Rechtsordnungen, in welchen sich der Gedanke der Strafe im Privatrecht findet.
Da bekanntlich das germanische Schadensersatzrecht vom Strafprozeß ausgeht und
da auch das rezipierte römische Recht vielerlei Privatstrafen kannte, gibt es
hier viel zu berichten. Zunächst behandelt die Verfasserin in Kapitel I „das
deutsche Recht bis zur Rezeption“, S. 13-49. Sie schildert in einem ersten
Abschnitt die Dominanz der Strafe im mittelalterlichen deutschen Recht, wobei
man freilich nicht von Privatrecht sprechen kann; das deutsche Recht geht vom
Strafrecht aus. Sie erörtert hierbei die Fehde und die Buße, die an den
Geschädigten und an den Gerichtsherrn zu zahlen war, leider immer nur anhand
der Sekundärliteratur. Sie kommt in gleicher Weise zum Prozeßrecht mit
Handhaftverfahren und Anefangklage und wendet sich dann im zweiten Abschnitt
der „Entstehung des modernen Strafrechts“ zu; besser wäre es wohl, vom
mittelalterlichen Strafrecht zu sprechen. Sie schildert sehr kurz die
Zurückdrängung der Privatstrafen im Strafverfahren und den Einfluß des
kanonischen Rechts, das im Gegensatz zum germanischen Recht die Bedeutung des
Verschuldens betonte. Wegen der Zahlungsunfähigkeit der häufig landfahrenden
Täter verlor die Privatstrafe (die Geldstrafe) an Bedeutung und wurde durch
Körperstrafen ersetzt. Die Verfasserin setzt die Geburtsstunde des „umfassenden
öffentlichen Strafrechts“ im 12. Jahrhundert an, obwohl es sicherlich Leibes-
und Lebensstrafen schon weit vorher gegeben hat, wie allein schon die in
Deutschland gefundenen Moorleichen beweisen; aber vielleicht war dieses Recht
nicht öffentlich. Die Verfasserin kommt nun im Abschnitt 3 „zur Entstehung des
Schadensersatzrechts“, gemeint ist die Entwicklung des privatrechtlichen
Schadensersatzrechts in Deutschland. Hierbei kommt sie beiläufig zu den
römischen Privatstrafen, zur actio legis
Aquiliae und zur actio iniuriarum,
sie berichtet den Literaturstand hierzu und stellt zutreffend fest, daß die
römischen Privatstrafen pönale und zivilrechtliche Momente zugleich enthielten.
Abschließend berichtet sie anhand der Sekundärliteratur über das Deliktsrecht
im sächsischen und fränkischen Recht.
Im
zweiten Kapitel, S. 50-102, erläutert die Verfasserin die Zeit des Usus modernus, zunächst die „pönalen
Elemente im Privatrecht des 16.-18. Jahrhunderts“ und schildert kurz die
Tendenzen zur Trennung von Straf- und Zivilrecht sowie den Einfluß der
kanonischen Restitutionslehre hierbei. Der nächste Abschnitt ist der Anwendung
und Weiterentwicklung der actio legis
Aquiliae gewidmet, der dritte den „Nichtvermögensschäden und anderen (?)
Persönlichkeitsverletzungen“. Es geht hierbei um die Weiterentwicklung der actio iniuriarum mit der bekannten
Problematik des Schmerzensgeldes und der Bestimmung des Ersatzes etwa bei
Ehrverletzungen, wobei die Verfasserin auch die actiones ad palinodiam, ad deprecationem und ad declarationem honoris nicht übergeht. Den vierten Abschnitt
widmet die Verfasserin den „Besonderheiten des sächsischen Rechts“, wie es im
Sachsenspiegel niedergelegt war, und den kurzen fünften Teil den
„naturrechtlichen Einflüssen“.
Das
dritte Kapitel dieses ersten Teils behandelt die „Gesetzgebung in den deutschen
Partikularstaaten“, S. 103-187, im ersten Abschnitt den Codex Maximilianeus
Bavaricus Civilis, dann das preußische Allgemeine Landrecht, ferner den
französische Code civil, das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
und schließlich das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch. Der Codex Bavaricus
stimmt noch weitgehend mit dem gemeinen Recht überein, während das ALR
selbstverständlich naturrechtlich beeinflußt ist, aber auch Regelungen enthält,
die nach Ansicht der Verfasserin als „Repönalisierung“ des Zivilrechts gedeutet
werden könnten. Der Code civil ist ebenfalls naturrechtlich beeinflußt, die
weite Fassung des art. 1382 ermöglicht auch einen Ersatz immaterieller Schäden.
Das ABGB steht gewissermaßen zwischen ALR und CC, ein „pönales Element“ sieht
die Verfasserin in der Verschiedenheit des Schadensersatzes je nach dem Grad
des Verschuldens; akzeptierte man das, dann müßte man in jeder
verschuldensabhängigen Schadensersatzpflicht eine Privatstrafe sehen! Das
sächsische BGB drängt unter dem Einfluß der historischen Rechtsschule den
Strafgedanken im Privatrecht zurück, aber es bleiben einige Ausnahmen wie etwa
die Sachsenbuße bei Freiheitsentzug. In einer etwas undurchsichtigen Gliederung
erörtert die Verfasserin im sechsten und letzten Abschnitt „Privatgenugtuung
und Injurienklage in der Gesetzgebung der Einzelstaaten“ die Situation in
Preußen. Hier war es streitig, ob neben die eigentliche Strafe eine Geldbuße,
eine Ehrenerklärung oder ein richterlicher Verweis treten sollte, was aber
schließlich abgelehnt wurde. Anschließend erörtert sie diese Problematik für
andere Staaten.
Das
vierte und fünfte Kapitel behandeln S. 188-229 das „späte gemeine Recht“ und
„die Reichsgesetzgebung vor dem BGB“. Die Verfasserin berichtet zunächst, daß
das Schmerzensgeld sich in Rechtsprechung und Literatur durchgesetzt habe, wenn
es auch dem römischen Recht fremd war; gestritten wurde allenfalls noch darum,
ob es sich dabei um Ersatz oder Strafe handele, wobei sich schließlich die
Meinung durchsetzte, es handele sich um Schadensersatz. Es blieb damit als
letzte Privatstrafe die Injurienklage, deren Anwendung aber mit der Einführung
des Strafgesetzbuchs 1870 durch § 2 des Einführungsgesetzes ausgeschlossen war,
was die Verfasserin übersieht. Sie kommt zu den mit dem Strafgesetzbuch
eingeführten Geldbußen bei Verleumdungen, übler Nachrede und Körperverletzungen
in den Fällen, daß dem Verletzten daraus ein materieller Nachteil entstanden
war. Wie man diese Bußen einzuordnen hatte, war umstritten, die Rechtsprechung
qualifizierte sie als Schadensersatz. Die Verfasserin legt jedoch Wert darauf,
daß sie eine Reihe pönaler Elemente enthielten, weil sie auch ohne materiellen
Schaden verhängt werden konnten. Man könnte freilich auch sagen, es handele
sich um Schadensersatz, um den Ersatz immaterieller Schäden nämlich. Im
sechsten und letzten Kapitel dieses Teils erörtert die Verfasserin S. 230-245
„Reformbestrebungen im Vorfeld (?) des BGB“, zunächst die Diskussion um die
Entwicklung des Persönlichkeitsrechts und die pönale Ahndung seiner Verletzung
mit einem „Besänftigungsgeld“. Abschließend untersucht sie die Abstufung des
Schadensersatzes je nach dem Verschuldensgrad.
Dieser
Teil der Arbeit zeichnet in einem großen Bogen die Entwicklung des
Schadensersatzes für immaterielle Schäden in Deutschland auf, vom germanischen
über das mittelalterliche und kanonische Recht bis schließlich zum BGB. Die
Schilderung erfolgt weitgehend ohne Quellenbenutzung anhand der
Sekundärliteratur, so daß man insoweit auch keine neuen Ergebnisse erwarten
darf. Erst gegen Ende der Untersuchung gewinnt die Untersuchung an
Selbständigkeit, insbesondere soweit es um das 19. Jahrhundert geht.
Bedauerlich ist es, daß die Verfasserin den Begriff des Pönalen nicht klar
definiert, so daß man ihr Urteil, eine Regelung sei pönal oder nicht, nur
gefühlsmäßig bewerten kann. Das gilt umso mehr deshalb, weil das römische Recht
Regeln kannte, die eine Privatstrafe eindeutig von einer Schadensersatzleistung
trennten und welche die Verfasserin auch anführt.
Im
Teil C erörtert die Verfasserin nun „pönale Elemente der Privatrechtsordnung
unter dem BGB“. Sie stellt zunächst fest, daß die BGB-Kommissionen unter dem
negativen Eindruck des französischen Rechts pönale Elemente aus dem BGB verbannen
wollten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, und kommt dann zu einzelnen
Fallgruppen, in welchen sie doch Privatstrafen erkennen will. So untersucht sie
im zweiten Kapitel „Regelungen mit vorrangig oder ausschließlich pönaler
Zielsetzung“, S. 252-365, zuerst die Vertragsstrafen. Sie kommt zu dem
Ergebnis, daß die Vertragsstrafe pönale Elemente enthalte, aber doch keine
Privatstrafe sei. Letzterem kann man ohne Bedenken zustimmen, bei ersterem ist
Vorsicht angebracht, und zwar bei der Definition des Pönalen. Die
Vertragsstrafe dient nach den Motiven zum BGB einmal als Zwangsmittel gegen den
Schuldner, dann zur leichteren Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs; sie
verfällt, weil der Schuldner - sei es schuldhaft oder nicht - eine
Vertragspflicht verletzt. Mag diese Sanktion auch den Namen einer Strafe
tragen, so verfolgt sie doch keine pönalen Zwecke, weshalb sie etwa nicht neben
einem Schadensersatz geltend gemacht werden kann. Natürlich ist denkbar, daß
der Schuldner - ähnlich wie die Verfasserin - die Privatstrafe als eine
Bestrafung empfindet; dann müßte freilich jeder Schuldner einer
Schadensersatzforderung diese ebenfalls als Strafe empfinden, zumal sie - wie
auch jede Strafe - regelmäßig eine Folge seines Verschuldens ist. Die
Vertragsstrafe muß gezahlt werden, weil der Schuldner das versprochen hat und
weil er eine Vertragspflicht verletzt hat, nicht weil er etwas Strafwürdiges
getan hätte, wie auch die Verfasserin feststellt. Nur mit dieser Einschränkung
kann man von „pönalen Elementen“ bei der Vertragsstrafe sprechen, wobei der
Ausdruck einen ganz weiten, unüblichen Inhalt bekommt. Die Verfasserin kommt
danach zu „vertragsstrafenähnlichen Rechtsinstituten“, zuerst zu § 654, wonach
der Makler seinen Provisions- und Aufwendungsersatzanspruch verwirkt, wenn er
für beide Parteien tätig wird. Der Bundesgerichtshof geht vom Strafcharakter
dieser Vorschrift aus, die Literatur spricht von Verwirkung: Wer sich selbst
nicht an den Vertrag hält, soll sich auch nicht darauf berufen können. Will man
das mit der Verfasserin als pönal bezeichnen, muß man sich über die Weite
dieses Begriffes klar sein.
Die
Verfasserin untersucht nun mit gleichem Ergebnis die Verwirkung durch
Obliegenheitsverletzungen und wendet sich dann den Vereinsstrafen zu, welchen
sie ohne weiteres pönalen Charakter zuspricht. Die Strafgewalt der Vereine
begründete man früher im Gefolge Otto von Gierkes mit der Vereinsautonomie und
der Subordination des Mitgliedes, heute dagegen sieht man zeitgemäß ihren Grund
in der Privatautonomie des Mitgliedes; sie seien danach - meint die Verfasserin
- nicht pönal, was die Unsicherheit über die Bedeutung dieses Begriffes
verstärkt. Die Verfasserin freilich lehnt eine Gleichsetzung mit den
Vertragsstrafen ab, weil diese die Vermögensinteressen des Gläubigers
schützten, jene aber die häufig immateriellen Interessen des Vereins; das gelte
jedenfalls für die weltanschaulichen Vereine mit Monopolstellung. Diese
Unterscheidung ist indessen für die Frage des Strafcharakters ohne Bedeutung,
zudem ist man auch in weltanschaulichen Vereinen nur Mitglied, wenn man
freiwillig eingetreten ist. Auch die Verfasserin betont einerseits, die
Vereinsstrafe sanktioniere ein unerwünschtes Verhalten, andererseits aber, die
Strafe sei nur deswegen möglich, weil die Parteien das vereinbart hätten. In
gleicher Weise wird in einer breiten Untersuchung die umstrittene Betriebsbuße
eingestuft. Nach den Prinzipien des Zivilrechts ist sie als Zwangsmittel für
ein künftiges vertragsgemäßes Verhalten zu verstehen und zudem als Ausgleich für
möglicherweise entstandene, kaum jemals nachweisbare Schäden. Nach der Verfasserin
soll sie ein Fehlverhalten in der Vergangenheit sanktionieren und deswegen
pönal sein; sie folgt damit freilich der h. M. im Arbeitsrecht, die in krassem
Gegensatz zum Privatrecht sogar die Möglichkeit vorsieht, die Betriebsbuße
neben einem Schadensersatz geltend zu machen! Leider geht die Verfasserin nicht
darauf ein, wie sich diese Meinung mit der gesetzlichen Regelung der
Vertragsstrafe im BGB verträgt. Deutlichen Strafcharakter haben die heftig
umstrittenen Bußzahlungen nach § 611a II, III BGB. Ob diese durch eine
EG-Richtlinie erzwungenen Vorschriften überhaupt noch dem Privatrecht
zuzurechnen sind, erscheint höchst zweifelhaft.
Im
dritten Kapitel, S. 366-408, sucht die Verfasserin nach weiteren
Strafvorschriften, und zwar außerhalb des Deliktsrechts. Sie erörtert zunächst
§ 817, 2 BGB und verneint mit der h. M. einen Strafcharakter der Vorschrift;
vielmehr solle dem sittenwidrig Handelnden die Möglichkeit genommen werden, die
Gerichte zur Durchsetzung seines Anspruchs anzurufen. Ist das so, dann muß das
nicht nur gelten, wenn der Anspruch aus § 817, 1 BGB geltend gemacht wird,
sondern bei jedem Bereicherungsanspruch und weiter bei jedem Anspruch
überhaupt. Die Verfasserin will den Ausschluß aber auf Bereicherungsansprüche
beschränken, wofür es keine rationale Erklärung gibt. Die Begründung, der
Gläubiger sei sonst rechtlos, kann kaum überzeugen. Keine Strafe stellt nach
der Verfasserin auch das von der Rechtsprechung angenommene Verbot der
geltungserhaltenden Reduktion bei Allgemeinen Geschäftsbedingen dar; sie
erörtert dann die bekannte Problematik der Rückgabe des Kapitals beim Wucher
und verneint schließlich auch eine pönale Natur des § 241a BGB. Unter der
vom Gesetz nicht gedeckten Überschrift „gesetzliche Vermutungen“ entdeckt die Verfasserin
zunächst noch in § 971 II BGB ein pönales Element, also in der Regelung, daß
der Finder seine Anzeigepflicht verletzt und deswegen keinen Finderlohn erhält.
Sie meint, es werde dann unwiderleglich vermutet, der Finder habe keinen
Fremdgeschäftsführungswillen gehabt. Ist es aber eine Strafe, wenn jemand etwas
nicht bekommt, worauf er keinen Anspruch hat? Die Motive sprechen davon, daß
der Anspruch auf Finderlohn durch die Anzeige bedingt sei! Ähnlich ist die
Situation, wenn jemand wegen Erbunwürdigkeit sein Erbrecht verwirkt, wenn er
wegen Inventaruntreue das Recht zur Haftungsbeschränkung verliert.
Im
vierten Kapitel, S. 409-566, geht die Verfasserin auf die Suche nach pönalen
Elementen im Deliktsrecht, die sie in § 826 BGB nicht findet. Es folgt eine
Abhandlung über die historischen Versuche, den Umfang des Schadensersatzes nach
dem Verschuldensgrad zu bemessen, was aber mit einer Strafe nichts zu tun hat,
wenn man nicht den Schadensersatz insgesamt als poena ansehen will. Die Verfasserin kommt nun zum Schadensersatz
wegen Persönlichkeitsverletzungen im allgemeinen, zuerst zum Schmerzensgeld,
das vom Gesetzgeber nicht als Strafe gedacht war, wie die Verfasserin
feststellt, sondern als Schadensersatz für immaterielle Schäden. Sie kommt dann
zur Lehre von der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, worin sie ein
Einfallstor für die Berücksichtung pönaler Ziele wittert. Sie meint, die
Übernahme dieser Lehre sei eine Kehrtwendung des Bundesgerichtshofs von der
Ausgleichsfunktion in Richtung Strafe. Indessen hat die Ansicht des Gerichts,
man müsse die Höhe des Schmerzensgeldes unter Zuhilfenahme von
Billigkeitserwägungen und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles
ermitteln, mit Strafe nichts zu tun. Sie berücksichtigt nur die Schwierigkeit,
immaterielle Schäden in Geld auszugleichen. Die Verfasserin spricht sich für
eine Entpönalisierung des Schmerzensgeldes bei schuldlosen und fahrlässigen
Delikten aus, so daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers keine
Rolle spielen dürften; bei vorsätzlichen Straftaten schlägt sie neben der
Kriminalstrafe und neben dem Schmerzensgeld die Einführung eines im
Strafgesetzbuch zu verankernden Genugtuungsanspruchs vor. Dieser soll als
Aufschlag auf das Schmerzensgeld, das Schadensersatz sein soll,
Genugtuungsfunktion haben und in „Tagessätzen“ bemessen werden! Mir scheint,
daß das zuviel der Sanktionen ist.
Die
Verfasserin kommt nun zur Sanktion wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
und berichtet ausführlich dessen Geschichte von der Abfassung des BGB bis zur
Anerkennung eines „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ durch die Gerichte und
durch die Rechtswissenschaft. Sie wertet diesen Schadensersatz als eine pönale
Sanktion, nicht wie das Schmerzensgeld als Schadensersatz, denn es solle
präventiv wirken, demgegenüber sei die Genugtuungsfunktion zweitrangig; denn
welche Genugtuung könne ein sehr reicher Geschädigter etwa mit einer
Ausgleichszahlung gewinnen. Diese Argumentation mit den Empfindungen der
Beteiligten erscheint mir recht eigenartig. Jeder kann empfinden, was er will,
und wenn ein sehr Reicher über die für ihn bescheidene Zahlung eines anderen
Genugtuung empfindet, kann man ihm das kaum verwehren. Genugtuung wird er jedenfalls
darüber empfinden, daß der andere eine für diesen erhebliche Summe zahlen muß,
sonst hätte er den Prozeß nicht angestrengt. Damit hat die
Schadensersatzleistung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen keine andere
Funktion als das Schmerzensgeld, mag auch die Verfasserin mit der Rechtsprechung
anderer Ansicht sein.
Die
Verfasserin erörtert nun kurz die „punitive damages“ des u.s.-amerikanischen
Rechts, horrende Geldstrafen, die Schuldnern von Zivilgerichten auferlegt
werden können. Der Bundesgerichtshof läßt die Vollstreckung solcher Strafen in
Deutschland nicht zu, weil sie pönal sind und gegen den ordre public verstoßen. Das gefällt der Verfasserin nicht, da sie
dem Pönalen sehr aufgeschlossen gegenübersteht, doch mag uns Justitia vor
dieser amerikanischen Unsitte schützen. Die Verfasserin wendet sich nun der
„Reprivatisierung des Strafrechts“ zu, zunächst dem Adhäsionsverfahren, dann
den im Strafgesetzbuch abgeschafften Bußen und schließlich den Bußen des
Immaterialgüterrechts. Auch hier wieder versteht sie jeden Ersatz immaterieller
Schäden als Strafe, also kann wohl für den Ersatz materieller Schäden auch
nichts anderes gelten. Abschließend werden die privatrechtlichen Folgen von
Ladendiebstählen erörtert, insbesondere die Möglichkeit einer Privatstrafe, die
aber nicht Gesetz geworden ist.
Eine
Zusammenfassung der Ergebnisse, S. 573-578 beschließt die Arbeit, es folgen
noch ein Literaturverzeichnis und ein Sachverzeichnis.
Die
Arbeit leidet an der Unklarheit des Begriffs „pönal“, unter dem man sich
mancherlei und sehr Verschiedenartiges vorstellen kann. Es wäre daher zunächst
erforderlich gewesen darzulegen, was darunter verstanden werden soll. Einige
Unterscheidungskriterien, wie sie das römische Recht entwickelt hatte, hat die Verfasserin
selbst aufgeführt: Strafzahlungen vom doppelten bis zum vierfachen Wert des
verschuldeten Schadens, Haftung aller Gesamtschuldner auf die volle Summe,
Unvererblichkeit der Schuld vor der Litiskontestation. Leider wendet sie diese
oder andere Rechtsfolgen einer Privatstrafe nicht auf die von ihr
festgestellten pönalen Rechtsinstitute an, vielmehr folgt überhaupt nichts aus
der Feststellung, ein Anspruch sei pönal oder nicht. Ob eine Rechtsnorm gut
oder schlecht ist, prüft man an ihren Rechtsfolgen. Wenn eine Unterscheidung
nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führt, ist sie überflüssig. Was besagt
dann etwa die Aussage, die Privatstrafe enthalte pönale Elemente oder die
Vereinsstrafe sei pönal? Und in dieser Folgenlosigkeit liegt auch die
Schwierigkeit begründet, pönal oder nicht pönal zu unterscheiden; es gibt kein
Unterscheidungsmerkmal. Der Begriff „pönal“ wird auf diese Weise farblos und
unklar und kann mit beliebigem Inhalt gefüllt werden. Manchmal kann man
allerdings den Eindruck haben, die Verfasserin wolle jeden Ersatz eines
Nichtvermögensschadens mit dem Begriff des Pönalen verbinden, etwa wenn sie
durchgehend „Nichtvermögensschäden und andere Persönlichkeitsverletzungen“
unrichtig gegenüberstellt. Ein Nichtvermögensschaden muß keineswegs auf einer
Persönlichkeitsverletzung beruhen, was etwa beim Affektionsinteresse der Fall
ist, das auf den besonderen Vorlieben des Geschädigten beruht, aber nicht aus
der Verletzung seiner Person oder seines Persönlichkeitsrechts entsteht. Aber
der Anspruch auf das Affektionsinteresse ist keine Strafe, er ist vielmehr ein
Schadensersatz, nicht anders als der wegen einer Vermögensschädigung.
Die
Arbeit ist breit angelegt und enthält vieles, was man eher unter einer anderen
Überschrift erwartet hätte, etwa den Exkurs zur rechtlichen Begründung der
Betriebsbuße oder die Darstellung zur Entwicklung des Persönlichkeitsrechts.
Betrachtet man das Literaturverzeichnis und die Fußnoten der Arbeit, so kann
man ermessen, welche Arbeit und welchen Spürsinn die Verfasserin aufgewandt
hat, um die von ihr favorisierten „pönalen Elemente“ aufzufinden. Jeder, der
sich ebenso wie sie mehr Strafrecht im Zivilrecht wünscht, wird die 600 Seiten
der Arbeit mit Gewinn lesen.
Trier Hans
Wieling