Die Protokoll- und Urteilsbücher des königlichen
Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480. Mit Vaganten und Ergänzungen, hg.
v. Battenberg, Friedrich/Diestelkamp, Bernhard, bearb. v. Magin, Christine/Maurer,
Julia/Wagner, Christina (= Quellen und Forschungen zur höchsten
Gerichtsbarkeit im alten Reich 44,1, 44,2, 44,3), 3 Bde. und 1 CD-ROM. Böhlau,
Köln 2004. XI, 1-419, VII, 421-921, VII, 923-2095 S., 15 Abb.
Das
seit 1415 nachweisbare königliche Kammergericht löste das 1235 geschaffene und
in der Mitte des 15. Jahrhunderts erloschene Reichshofgericht als Instanz der
höchsten Gerichtsbarkeit im Reich ab. Wie die aus der Tätigkeit des deutschen
Königsgerichts (bis 1451) erwachsenen Urkunden zu Recht eine Publikation in
Regestenform erfahren, so verdienen auch die aus der Tätigkeit des
Kammergerichts hervorgegangenen Zeugnisse eine wissenschaftliche
Veröffentlichung. Sie betrifft das (Wiener) Urteilsbuch samt beigebundenen und
eingeklebten Blättern und Zetteln, das (Wiener) Protokollbuch und seine
Extravaganten sowie das (Innsbrucker) Gerichtsbuch und seine eingeklebten und
beigebundenen Zettel und Blätter (ohne mögliche Extravaganten), deren
Bearbeitung die Deutsche Forschungsgemeinschaft durch Bereitstellung von
Mitteln ermöglichte.
In
ihrer Einleitung des ersten Bandes weist Christine Magin zunächst darauf hin,
dass das (nach Magins Angaben in den Quellen immer als kaiserliches
Kammergericht und von den Herausgebern als königliches Kammergericht
bezeichnete) Kammergericht an den Hof des Kaisers oder Königs gebunden war,
zunächst unter seinem Vorsitz oder unter einem von Fall zu Fall ernannten
Kammerrichter tagte, im Wesentlichen dem römisch-kanonischen Prozessrecht
folgte, meist in Graz, Wien oder Wiener Neustadt verhandelte und dass die
benötigten Unterlagen von der kaiserlichen Kanzlei (der aus der
landesherrlichen Kanzlei Friedrichs III. herausgebildeten Reichskanzlei)
mitgeführt wurden. Reichskanzlei und Kammergericht wurden zu nicht genau bekannter
Zeit (vielleicht Sommer 1464 bis 31. August 1469 bzw. Mai 1470) für jährlich
12000 rheinische Gulden an den Passauer Bischof Ulrich von Nussdorf vergeben,
danach an den Mainzer Erzbischof Adolf von Nassau († 6. September 1475), dessen
Geschäfte der Protonotar Johann Waldner fortführte. Zu nicht genau bekannter
Zeit kamen umfangreiche Bestände zumindest zeitweise von Wien nach Innsbruck
und in Abgaben von 1535, 1627, 1751 usw. nur unvollständig zurück.
Da
unter den drei zu edierenden Handschriften das Urteilsbuch in zeitlicher und
förmlicher Hinsicht am ehesten homogenes Material bietet, ordneten die
Bearbeiter dem Inhalt des Urteilsbuches die Einträge der übrigen Quellen zu.
Die Verfahrensübersicht, die alle Aufzeichnungen einzelnen Verfahren zuordnet,
wurde so angelegt, dass zunächst die im Urteilsbuch erfassten Verfahren
durchnummeriert wurden. Diesen wurden dann die
Verfahren des Protokollbuchs, des Gerichtsbuchs und der beigebundenen
Blätter des Urteilsbuchs und der Protokollvaganten zugeordnet.
Bei
diesem Vorgang ergaben sich für das Urteilsbuch für die Zeit vom 16. Oktober
1471 bis 16. September 1474 1034 Urteile (nur Urteilstenor) und aus den ihm
beigebundenen und eingeklebten Blättern und Zetteln für die Zeit von 1470 bis
1483 138 Bevollmächtigungen, Prozesshandlungen und Botenrelationen usw. Das
Protokollbuch enthielt für die Jahre zwischen 1465 und 1480 290 Protokolle usw.
auf ehemals losen Blättern und Konvoluten, zu denen 54 Protokolle in den
Protokollvaganten der Jahre zwischen 1458 und 1491 kamen. Das Gerichtsbuch
schließlich erbrachte für die Zeit von 1467 bis 1468 146 Urteile, Rufe,
Bevollmächtigungen, Protestationen und Gerichtsnotizen, die durch die
eingeklebten und beigebundenen Zettel und Blätter um 30 Bevollmächtigungen,
Protestationen und Gerichtsnotizen der Jahre 1467 bis 1469 vermehrt wurden.
Das
Urteilsbuch (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat, Antiquissima 7)
umfasst 270 gezählte und 10 ungezählte Blätter, die als Reinschrift auf Grund
flüchtiger Mitschriften von einem bisher nicht identifizierten Schreiber
(Johann Aunpeck?, Johann Kronenberger?, Kaspar Pernwert?) beschrieben wurden.
Das Protokollbuch (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat,
Antiquissima 6) besteht aus 328 Einzelblättern und Doppelblättern
unterschiedlicher Herkunft und Qualität, die zum größten Teil von Johann
Waldner und im Übrigen von acht weiteren, teilweise unbekannten Schreibern
geschrieben und erst 1884 fehlerhaft in chronologischer Reihenfolge gebunden
wurden. Das Gerichtsbuch (Innsbruck, Tiroler Landesarchiv 117) setzt sich aus
52 im 20. Jahrhundert neu gebundenen Blättern zusammen, die von Peter Gamp
vielleicht ursprünglich in einzelnen Lagen für Verhandlungen vom 29. und 30.
April 1467 bis 22. und 31. August 1469 zunächst in Reinschrift, später immer
unregelmäßiger angefertigt wurden.
Im
Anschluss an die sorgfältige Edition bieten die Bearbeiter eine Übersicht über
die Verfahren. Unter Einbeziehung des Taxregisters (1471-1475) ermitteln sie
rund 700 (702) unterschiedliche Verfahren. Sie versuchen, sie zumindest
teilweise zu rekonstruieren.
Es
folgen die ermittelten Gerichtssitzungen (wohl vom 10. April 1458 bis 14.
November 1491) mit Angabe von Ort und Besetzung (Richter und manchmal 10
Beisitzer). Im Namensindex werden schätzungsweise knapp 5000 Namen erfasst und
danach die erwähnten Personen in einem umfangreichen biographischen Anhang in
Stichworten näher beschrieben, im Sachregister schätzungsweise 2000
Sachgegenstände registriert und durch ein kurzes Glossar erläutert.
Verzeichnisse
der verwendeten Literatur und Quellen sowie der Abkürzungen und Siglen
erleichtern die Benutzung. 15 Abbildungen veranschaulichen die Ausführungen.
Die beigefügte CD-ROM macht die bedeutende, einen wichtigen
Modernisierungsvorgang des Reiches betreffende Leistung der Bearbeiter und
Herausgeber auch in elektronischer Form zugänglich.
Innsbruck Gerhard Köbler