Die Alemannen und das Christentum. Zeugnisse eines kulturellen Umbruchs, hg. v. Lorenz, Sönke/Scholkmann, Barbara in Verbindung mit Bauer, Dieter R. (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 48 Quart 2 = Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts 71). DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2003. VII, 167 S.
Die acht Beiträge enthaltende
Sammelpublikation schließt sich in gewisser Weise an den 1997 erschienenen
Katalog- und Forschungsband „Die Alemannen“ an (vgl. Besprechung in ZRG Germ.
Abt. 115 (1998) 658ff.). Die seinerzeit gezeigte Ausstellung war auch der
Anlass für eine Tagung von Archäologen, Historikern und Philologen, deren
Referate hier gedruckt vorgelegt werden.
Die Christianisierung der Alemannen
lässt sich nicht auf bestimmte auslösende Ereignisse festlegen, sondern muss
als lang gestreckter, keineswegs immer kontinuierlicher Prozess begriffen werden.
Einwirkungszonen sind nicht nur der der fränkische Norden und Westen, sondern -
zwar in geringerem Mass - auch der langobardische Süden. Es versteht sich, dass
die mit der Christianisierung einhergehende oder dieser nachfolgende Einbindung
in das kirchliche Organisations- und Weltverständnis eine kaum hoch genug
einzuschätzende Bedeutung für die kulturelle Entwicklung des südwestdeutschen
Raumes hatte, die auch die Rechtsgeschichte in grundlegender und nachhaltiger
Weise einschloss.
Mit den am vorliegenden Band
beteiligten Disziplinen ist auch das Erkenntnismaterial vorgegeben, nämlich
einerseits archäologische andererseits schriftliche Quellen, wobei durchweg den
beiden alemannischen Leges des 7. und 8. Jahrhunderts ein zentraler Stellenwert
eingeräumt wird. Insgesamt vermittelt der Band den jeweiligen Stand derjenigen
Forschungsperspektiven, von denen man näheren Aufschluss über die komplexe
Thematik erwartet. Diese sind sich auch in dem Ergebnis einig, dass die
Christianisierung Alemanniens bereits im 6. Jahrhundert eingesetzt und im 8. Jahrhundert
ein flächendeckendes Ausmaß angenommen hat. Bemerkenswert dabei ist, dass sich
Missionszentren oder -wege nicht feststellen lassen, sondern dass die
Initiative von bestimmten Familien der Oberschicht, die Herzogsfamilie
eingeschlossen, ergriffen wurde. In dieser Aussage gipfelt etwa Barbara Scholkmanns
Beitrag „Frühmittelalterliche Kirchen im alemannischen Raum. Verbreitung,
Bauformen und Funktion“. An Bodenfunden zum Kirchenbau orientiert sich auch Carola
Jäggi, die auf Grund von Beispielen aus Kaiseraugst, Zurzach und Solothurn
(alle Schweiz) „Spätantikes Christentum und das Kontinuitätsproblem nach
archäologischen Quellen“ thematisiert. Matthias Knaut behandelt die
„Goldblattkreuze als Zeichen der Christianisierung“ und zeigt auf, dass dieser
ursprünglich langobardische Bestattungsbrauch im Alemannien nördlich des Rheins
noch während des ganzen 7. Jahrhunderts neben heidnischen Beigabensitten
anzutreffen ist. Einen kurzen Abriss über die „Alamannische
Besiedlungsgeschichte nach archäologischen Quellen“ gibt Michael Hoeper,
der zum Gesamtthema die These beiträgt, dass die Entstehung früher Kirchen
Tendenzen zur Siedlungskonzentration und Ortskonstanz erkennen lässt. In einer
umfassenden und weit ausgreifenden Studie: „Die Alemannen auf dem Weg zum
Christentum“ stellt Sönke Lorenz den Prozess und die Faktoren dar, die
letztlich mit der fränkischen Eroberung im 8. Jahrhundert den südwestdeutschen
Raum zu einer christlichen Organisationseinheit werden ließen.
Mit rechtshistorischen
Fragestellungen im engeren Sinn befassen oder berühren sich die Beiträge von Wilfried
Hartmann, Thomas Zotz und Ruth Schmidt-Wiegand. Hartmann
versieht seine Untersuchung „Die Eigenkirche: Grundelement der Kirchenstruktur
bei den Alemannen ?“ bewusst mit einem Fragezeichen und stellt die These zur
Diskussion, dass sich die adelige Eigenkirche in Alemannien möglicherweise erst
im Verlauf des 8. und 9. Jahrhunderts ausgebildet habe. Auf der Grundlage der
Lex Alamannorum und der St.Galler Traditionsurkunden schildert Zotz die
„Entwicklung der Grundherrschaft bei den Alemannen“, die sich unter starker
kirchlicher Mitwirkung nach fränkischem Muster vollzieht. Schmidt-Wiegand wendet
sich unmittelbar den beiden alemannischen Rechtstexten zu und unternimmt es,
„Christentum und pagane Religiosität in Pactus und Lex Alamannorum“ mit philologischen
Mitteln zu erschließen. Zu Recht warnt sie dabei vor allzu hoch gesteckten
Erwartungen. Konkret werden die Themengruppen: unheilige Vergehen, Wort und
Gebärde, Zauber und Magie sowie Grabraub und Grabfrevel in Augenschein
genommen. Ausgangspunkt sind für die Verfasserin die Vorstellungen von
Unheiligkeit und Friedlosigkeit, freilich Begriffe, die man nach den
Forschungen der letzten Jahrzehnte als überwunden betrachten mochte. Es ist
wohl auch nicht nur dieser Ansatz, der auf Vorbehalte stoßen dürfte.
Schmidt-Wiegand räumt denn auch ein, dass sie „eine Menge heiße Eisen“
angefasst habe, bei denen das letzte Wort noch nicht gesprochen sein mag. Da
wissenschaftliche Diskussionen - um im Bild zu bleiben - nicht durch das Tragen
glühender Eisen entschieden werden, braucht es nicht seherische Fähigkeiten, um
der Verfasserin ein kritisches Echo vorauszusagen.
Zumikon Clausdieter
Schott