Ciernoch-Kujas, Cora, Ministerialrat Franz Massfeller 1902-1966. Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2003. 213 S.

 

Franz Massfeller (1902-1966), ein auch noch heute bekannter Jurist, war als Ministerialbeamter in der NS-Zeit insbesondere mit dem Kindschaftsrecht, dem Personenstandsrecht und dem internationalen Privatrecht auf familienrechtlichem Gebiet befasst, aber auch 1936 als Mitkommentator des Blutschutz- und des Ehegesundheitsgesetzes hervorgetreten. Bereits 1929 war er kurz nach Bestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung in das preußische Justizministerium einberufen worden, wo er bald das Familienrechtsreferat übernahm. 1934 kam er in die von Erich Volkmar geleitete Zivilrechtsabteilung des Reichsjustizministeriums. 1942 nahm er – inzwischen zum Oberregierungsrat ernannt – als Vertreter des Ministeriums an zwei Folgekonferenzen der Wannsee-Konferenz teil, ohne dass er dort mit eigenen Vorschlägen hervortrat. Massfeller gehörte in der NS-Zeit – er war praktizierender Katholik – zu keinem Zeitpunkt der NSDAP an. Zur Mitarbeit an dem genannten Kommentar hatte sich Massfeller nach seinen eigenen Worten entschlossen, da er der Meinung gewesen sei, „dass, wenn wir uns der Aufgabe entzogen, diese von der Partei, d. h. von der SS und dem Rassenpolitischen Amt übernommen worden wäre. Dann wäre einer sehr scharfen und extensiven Auslegung des Gesetzes das Wort geredet worden; denn diese Stellen waren von Anfang an mit dem Inhalt des Blutschutzgesetzes nicht zufrieden“ (S. 150). Insgesamt hat Massfeller zwar eine eine gemäßigte und vermittelnde Linie vertreten. Dass er damit an der Auslegung von Unrechtsgesetzen beteiligt war, dürfte Massfeller bewusst gewesen sein (vgl. S. 190, 192). Im Entnazifizierungsverfahren wurde er erst in zweiter Instanz 1949 als „nicht betroffen“ eingestuft, so dass der Weg frei war für seine Einstellung im Bundesjustizministerium Januar 1950 (1951 Ernennung zum Ministerialrat und Beamten auf Lebenszeit).

 

Bis zu seiner auf eigenen Wunsch erfolgten vorzeitigen Pensionierung im April 1964 gehörte er zu den herausragenden Fachleuten auf dem Gebiet des Ehe-, Kindschafts- und Personenstandsrechts sowie des IPR und beeinflusste die Gesetzgebung dieser Rechtsgebiete bis Anfang der 60er Jahre maßgeblich. An der Reform des Nichtehelichenrechts war er nur im Vorbereitungsstadium beteiligt. Ob der sehr späte Beginn des konkreten Reformvorhabens erst im Jahre 1964 von Massfeller mit zu verantworten war, bedürfte einer eigenen Untersuchung. Die beiden Hauptteile des Werkes befassen sich mit der Referententätigkeit anhand der familienrechtlichen Gesetze der NS-Zeit und der frühen Bundesrepublik unter Einbeziehung der einschlägigen Veröffentlichungen. Allerdings lässt sich auf diese Weise das juristische Persönlichkeitsprofil Massfellers allenfalls in Ansätzen herausarbeiten, da Massfeller als Ministerialbeamter grundsätzlich die Meinung seines Ministeriums vertreten hat und auch vertreten musste. Der Spielraum für eigenständige Meinungsäußerungen war gering, auch wenn Massfeller nach 1945 in seinen Meinungsäußerungen freier gewesen sein dürfte als in der NS-Zeit und weil auch die von ihm mitgestaltete Reformlinie des Bundesjustizministeriums weitgehend seiner Meinung entsprochen haben dürfte. Ob zumindest für die Zeit zwischen 1950 und 1964, welche die Verfasserin wesentlich knapper als die NS-Zeit behandelt hat, noch weitere Aufschlüsse über die Persönlichkeit Massfellers möglich sind, muss offen bleiben, da sie die Ministerialakten nicht näher unter diesem Gesichtspunkt ausgewertet hat. Auch die Tätigkeit Massfellers in den Parlamentsausschüssen und Arbeitskreisen ist weitgehend unberücksichtigt geblieben. Insgesamt erschließt die Verfasserin mit der Heranziehung zahlreicher unveröffentlichter Schriftstücke aus dem Nachlass Massfellers (zur Zeit noch bei der Witwe Magda Massfeller) ein instruktives Bild über Leben und Werk Massfellers (insbesondere auch über seine Schulzeit, die juristische Ausbildung, die Entnazifizierung und die Umstände der unterbliebenen Beförderung zum Ministerialdirektor im Jahre 1964). Während Massfeller in der NS-Zeit keine tragende Rolle – außer vielleicht für das Personenstandsgesetz von 1937 – im Reichsjustizministerium gehabt hat, war er bis 1964 der maßgebende familienrechtliche Referent im Bundesjustizministerium. Die bleibende Bedeutung Massfellers ist darin zu sehen, dass er die Familienrechtspolitik der frühen Bundesrepublik mitgestaltet hat, was in der Monographie der Verfasserin noch deutlicher hätte herausgearbeitet werden können.

 

Kiel                                                                                                               Werner Schubert