Cepl-Kaufmann, Gertrude/Johanning, Antje, Mythos Rhein. Kulturgeschichte eines Stroms. Primus, Darmstadt 2003. 334 S.
Für die beiden Autorinnen – Düsseldorfer Literaturwissenschaftlerinnen – scheinen „Rhein“ und „Rheinland“ geographisch weitgehend identisch zu sein. Von der Kulturgeschichte des Rheinlandes seit der Aufklärung nämlich handelt das Buch. So findet sich beispielsweise eine ausführliche Darstellung über die Fertigstellung des Kölner Domes zwischen 1842 und 1880 unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Meinungen von August Wilhelm Schlegel bis Heinrich Heine.
Reichlich uninteressant und nicht mehr als kursorisch wird die Geschichte der Region von den Römern bis in die Frühe Neuzeit abgehandelt. Die Phase des Burgenbaus am Mittelrhein muss mit ein paar Seiten Platz vorlieb nehmen. Kompetent und engagiert geht es erst ab dem 18. Jahrhundert weiter – immer allerdings aus sehr rheinisch-patriotischer Perspektive. Von den Naturereignissen wird leider nur ein einziges erwähnt – der Eisgang am Niederrhein von 1784 – und im Kapitel über die Rheinschifffahrt versteckt.
Die Autorinnen zeichnen die Entwicklung in der Malerei von der romantischen Bildsprache bis hin zur industrialisierten Bildproduktion mit stereotypisierten und trivialisierten Bildelementen nach. Parallel dazu entstand auf dem Rhein mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt ein regelrechter europäischer Massentourismus. Bereits ab etwa 1770 zeigte sich mit dem Sturm und Drang eine Veränderung der Naturwahrnehmung und eine Abkehr vom Blick des Naturforschers, die sich in den Rhein-Bildern widerspiegelt und in dem Band durch mehrerer Abbildungen dokumentiert ist. Nationale, teilweise aggressive Töne wurden sowohl in den Bildern als auch in den zahlreichen Rheinliedern gegen Ende des 19. Jahrhunderts angeschlagen. Wirklich interessant ist das Kapitel über die Mythenbildung im Zusammenhang mit dem Rhein, das sind das Bild vom „Vater Rhein“ sowie natürlich die Loreley – mit einem kursorischen Durchgang durch literarische Verarbeitungen der Sage bis ins Jahr 2002.
Auch die Zeit der französischen Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg hat in der Kunst des Rheinlandes ihren Niederschlag gefunden. Die Avantgarde sah den Rhein angesichts der fortgeschrittenen Industrialisierung dann nicht mehr romantisch, sondern als „eisernen Rhein“ (S. 305ff). Der Nationalsozialismus scheint in der rheinischen Kultur keine Spuren hinterlassen zu haben, welche die Autorinnen für erwähnenswert halten. Den Schluss des Buches bildet dagegen ein kurzes Kapitel über das kulturelle Klima der „Bonner Republik“. Leider ist dem Band nur ein Personen- und kein Stichwortverzeichnis beigegeben, was die thematische Suche erschwert.
Anschau Eva Lacour