Cases, Materials and Texts on
Unjustified Enrichment, hg. v. Beatson, Jack/Schrage, Eltjo (= Ius
Commune Casebooks for the Common Law of Europe 3). Hart, Oxford 2003.
XLVIII, 585 S.
Mit dem vorliegenden
Werk wird die Reihe „Ius Commune Casebooks for the Common Law of Europe“ um
einen dritten Band ergänzt. Bei dieser Reihe handelt es sich um ein Projekt,
welches vor einigen Jahren vom ehemaligen Generalanwalt beim Europäischen
Gerichtshof in Luxemburg und Professor an den Universitäten von Leuven und
Maastricht, Walter von Gerven, initiiert und von der Europäischen Kommission
übrigens mit beträchtlichen Mitteln unterstützt wurde. Erschienen sind bereits
W. van Gerven/J. Lever/P. Larouche, Cases, Materials and Text on National,
Supranational and International Tort Law, Oxford 2000; H. Beale/A. Hartkamp/H.
Kötz/D. Tallon, Cases, Materials and Text on Contract Law, Oxford 2002 (vgl. hierzu
A. Tunc, in: Rev. int. dr. comp. 1998, S. 991-992 sowie A. M. Chemel, in: Rev.
int. dr. comp. 1998, S.1208-1209; R. Gott, in: LQR 50 (2001), S. 989-991).
Anliegen der genannten Reihe und deshalb auch des hier vorzustellenden Bandes
ist es, ein Casebook nach anglo-amerikanischem Modell für den Unterricht des
Privatrechts in Europa zur Verfügung zu stellen. Diese Idee wurde von Walter
van Gerven bereits Mitte der 90er Jahre formuliert (W. van Gerven, Casebooks
for the Common Law of Europe. Presentation
of the Project, in: European Review of Private Law 4 (1996), S. 67-70; P. Larouche,
Ius Commune Casebooks for the Common Law of Europe: Presentation, Progress,
Rationale, ebda., 2000, S. 101ff.). So heißt es programmatisch im Vorwort zum
entsprechenden Band zum Tort Law: „… the book will be used as teaching material
in universities and other institutions throughout Europe and elsewhere in order
to familiarize future generations of lawyers with each others’ legal systems
and to assess and facilitate the impact of European supranational legal systems
on the development of national laws and vice-versa.” Diesem Modell ist auch das
vorliegende Werk verpflichtet. Seine Entstehungsgeschichte allerdings
verleiht ihm zugleich eine Sonderstellung im Rahmen des gesamten Projekts.
Ursprünglich waren nämlich die hier publizierten Materialien zum
Bereicherungsrecht im Rahmen eines Seminars des Paul Scholten Instituts der
Rechtsfakultät der Universität von Amsterdam im März 2000 zusammengestellt
worden. Erst danach entschieden die Herausgeber – Professoren, der erste in
Cambridge und in Amsterdam der zweite -, das zusammen getragene Material und
die dazu gehörigen kommentierenden Beiträge im Rahmen des Casebook-projects zu
veröffentlichen. Trotz der vorgenommenen Angleichung an die Struktur der
bereits erschienenen Bände zum Vertrags- und zum Deliktsrecht sind deshalb
einige Strukturunterschiede zu den übrigen Bänden weiterhin erkennbar:
Besonders schmerzlich ist für den Leser und Benutzer das Fehlen eines Sach- und
Inhaltsregisters. Einiges sei hier zunächst zu Struktur und Inhalt unseres
Bandes gesagt. Ein erstes
Kapitel (S. 1-30) ist einer „Introduction and prefatory overview on the systems
considered“ gewidmet. Dabei werden die Rechtsquellenlehre, die
Veröffentlichung der Gerichtsentscheidungen und deren Zitierung für einige
europäische Rechtssysteme kurz beschrieben. Möglicherweise hätte es sich
gelohnt, eine solche, ganz allgemeine Arbeitseinführung an den Anfang der
ganzen Reihe zu positionieren. Berücksichtigt werden das englische, das
französische und das deutsche Recht sowie das Recht der Niederlande, von
Schottland und von Südafrika. Es handelt sich dabei um die Rechtsordnungen, aus
welchen in den darauf folgenden Kapiteln die Gerichtsentscheidungen und die
zusammengestellten Materialien ausgesucht wurden. Auch die kommentierenden und
einführenden Darstellungen nehmen nur darauf Bezug. Ein zweites Kapitel (S. 31-103)
bietet eine erste allgemeine Einführung zur Stellung des Rechts der
ungerechtfertigten Bereicherung in den genannten Rechtsordnungen. Was das
deutsche Recht angeht, so wird kurz die Stellung der §§ 812ff. BGB von Martin
Schermaier geschildert und werden Auszüge aus dem Beitrag von Ernst von
Caemmerer, „Ungerechtfertigte Bereicherung und unerlaubte Handlung“ sowie von
Basilius Markesinis und Werner Lorenz, „The Law of Contracts and Restitution: a
Comparative Introduction“ wiedergegeben (S. 52-55). Dazu kommt die Wiedergabe
der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 1996 (BGHZ 133, 246ff.).
Ähnlich strukturiert sich die Fortsetzung des Bandes: Das dritte Kapitel ist
der Bereicherung gewidmet (S. 104ff.); das vierte Kapitel der Entreicherung (S.
171ff.); das fünfte Kapitel dem kausalen Zusammenhang zwischen Bereicherung und
Entreicherung (S. 208ff.); das sechste Kapitel dem Fehlen einer Rechtfertigung
oder eines Rechtsgrunds der Vermögensverschiebung (S. 252ff.); das siebte
Kapitel erörtert das Problem der Subsidiarität der Bereicherungshaftung (S. 425ff.);
das achte und das neunte Kapitel sind schließlich speziellen Problemen der
Bereicherungshaftung, insbesondere dem Verhältnis zur deliktischen Haftung,
gewidmet (S. 490ff. und S. 524ff.).
Den Leser dieser
Zeitschrift wird wohl interessieren, welche Stellung die Rechtsgeschichte bei
dieser europäischen Präsentation des Bereicherungsrechts einnimmt.
Bedauerlicherweise ist hier festzustellen, dass historische Hinweise, vor allem
auf die gemeinrechtliche Tradition, sowohl in den Einführungen zu den jeweiligen
Kapiteln als auch bei der Materialauswahl, nahezu vollständig fehlen. Eine flüchtige
Erwähnung der Rechtsfigur der condictio
indebiti im römischen Recht und deren Heranziehung bei den Glossatoren und
bei Hugo Grotius kommt in der allgemeinen Einführung vor (S. 3-4). Hinweise zum
römischen gemeinen Recht finden sich zudem gelegentlich in der Begründung der
südafrikanischen Urteile und der schottischen Entscheidungen, die wiedergegeben
wurden. Dies hängt damit zusammen, dass in diesen Rechtsordnungen noch eine
gewisse, allerdings nicht zu überschätzende, Kontinuität zu der gemeinrechtlichen
Tradition besteht. Ein solcher radikaler Verzicht auf die Rechtsgeschichte bei
der Präsentation der Hauptprobleme des europäischen Privatrechts
charakterisiert übrigens auch die bereits zitierten Bände zum Contract Law und
zum Tort Law. Diese Grundhaltung findet auch in diesem dritten Band ihre
Fortsetzung. Dies ist umso bedauerlicher, weil bestimmte Aspekte des heutigen
deutschen Bereicherungsrechts nur aus dessen gemeinrechtlichen Zusammenhängen
heraus verständlich bleiben.
Auch zum
europäischen Anspruch des Bandes wie der ganzen Reihe überhaupt sind einige
kritische Bemerkungen nötig. Man ist überrascht und fast peinlich berührt, dass
ein Großteil der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen hier aus der
Materialauswahl nahezu ausgeschlossen wurde. Die früheren Bände zum Vertrag und
zum Deliktsrecht erwähnten gelegentlich, wenigstens „colorandi causa“,
Rechtsvorschriften und Entscheidungen aus der Schweiz, aus Österreich, Italien
oder Spanien. In diesem Band sind solche Hinweise vollständig verschwunden.
Auch die Gleichgewichtigkeit der Materialauswahl ist mehr als zweifelhaft:
Imponent ist die Präsenz des deutschen Rechts und der deutschen Rechtsprechung;
dasselbe gilt für das niederländische Recht; weit weniger wird das französische
Recht berücksichtigt, dessen Abschnitte übrigens nicht von einem französischen
Juristen bearbeitet wurden, sondern vom englischen Romanisten und
Privatrechtler Barry Nicholas. Das südafrikanische Recht wird außerordentlich
ausführlich vorgestellt. Das schweizerische Obligationenrecht, das österreichische
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, der italienische Codice civile und so auch
alle übrigen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen werden stattdessen mit
keinem einzigen Hinweis erwähnt. Noch nicht einmal die wenigen einschlägigen
Vorschriften dieser Kodifikationen wurden wiedergegeben. Stattdessen nehmen das
englische und das schottische Recht rund ein Drittel des gesamten Umfangs des
Werkes in Anspruch. Die Unausgeglichenheit bei der Materialauswahl und bei der
Schwerpunktsetzung fällt bereits bei einer Durchsicht der Liste der
wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen auf. Selbst wenn man die
Entstehungsgeschichte des Bandes mitberücksichtigt, bleibt es trotzdem mehr als
fraglich, ob damit das oben zitierte europäische und didaktische Anliegen des
Projekts auf diese Weise erreicht werden kann. Es handelt sich hier nicht um
eine Frage des zur Verfügung stehenden Umfangs, sondern vielmehr um die Frage,
inwieweit die Vielfalt der europäischen Rechtsordnungen und der nationalen Rechtstraditionen,
übrigens auch mit ihren historischen unterschiedlichen Hintergründen,
wahrgenommen und berücksichtigt wird. Das gesamte Material ist auf Englisch
übersetzt. Ob die englische Sprache ausreicht, um die Eigenart des deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des französischen Urteilsstils wiederzugeben,
bleibt in den Augen des Rezensenten mehr als fraglich. Die nationale
Rechtssprache ist nämlich ein wesentlicher Bestandteil der jeweiligen
nationalen Rechtstradition und des jeweiligen Privatrechts, ebenso übrigens wie
dessen Geschichte. „Zur methodischen Konstituierung des europäischen
Privatrechts gehört aber zunächst die Wahrnehmung des Rechts, das sich in den
Landessprachen darbietet. Dafür leistet das Englische nichts Besonderes“: so
die ganz zutreffende Bemerkung von Axel Flessner, Juristische Methode und
Europäisches Privatrecht, in: JZ 2002, S. 14ff., insb. S. 22. (Zu diesem
zentralen Problem für die Herausarbeitung eines europäischen Privatrechts vgl.
die skeptischen Beiträge bei R. Sacco/L. Castellani (eds.), Les multiples
langues du droit européen uniforme, Torino 1999, und hier M.-J. Campana, Vers
un language juridique commun en Europe?, S.7-34; O. Moréteau, L’anglais
pourrait-il devenir la langue juridique commune en Europe?, ebda., S.143ff. ;
M.-J. Campana, Vers un language juridique commun en Europe ?, in :
European Review of Private Law 2000, S. 33ff. ; H. J. Sonnenberger,
Privatrecht und Internationales Privatrecht im künftigen Europa. Fragen und
Perspektiven, in : RIW 2002, S. 489ff., insb. S. 492.) Eine Anglizisierung
des europäischen Privatrechts ohne Rücksicht auf eine Vielzahl nationaler
Rechtsordnungen und unter Ausklammerung der gemeinsamen Geschichte des
römischen gemeinen Rechts spricht nicht für ein europäisches Projekt, sondern
eher für eine rechtskulturelle Arroganz, die im Ergebnis auf eine
gesamteuropäische rechtspolitische Ablehnung stoßen und daran auch scheitern
wird. Dies gilt auch für die künftige europäische Juristenausbildung.
Saarbrücken Filippo
Ranieri