1. Alte Klöster – neue Herren. Die Säkularisation im deutschen Südwesten 1803. Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2003 in Bad Schussenried vom 12. April bis 5. Oktober 2003. Begleitbücher, hg. v. Himmelein, Volker/Rudolf, Hans-Ulrich unter Mitwirkung v. Blickle, Peter/Maier, Konstantin/Quarthal, Franz/Schlögl, Rudolf, Bd. 1 Ausstellungskatalog, Bd. 2,1 und 2,2 Aufsätze. Thorbecke, Ostfildern 2003. 1467 S.
2. Kirchengut in Fürstenhand. 1803:
Säkularisation in Baden und Württemberg, Revolution von oben, hg. v. Staatliche
Schlösser und Gärten Baden-Württemberg/Stadt Bruchsal. Verlag Regionalkultur,
Ubstadt-Weiher 2003. 152 S.
3. 1803. Wende
in Europas Mitte. Begleitband zur Ausstellung im Historischen Museum Regensburg,
hg. v. Schmid, Peter/Unger, Klemens, Schnell & Steiner, Regensburg
2003. 640 S.
4. Bayern ohne
Klöster? Die Säkularisation 1802/03 und die Folgen. Eine Ausstellung des Bayerischen
Hauptstaatsarchivs, hg. v. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns.
Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, München 2003, 539 S.
5. Lebendiges
Büchererbe. Säkularisation, Mediatisierung und die Bayerische Staatsbibliothek,
eine Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek. Bayerische Staatsbibliothek,
München 2003, 238 S.
Die runde Zahl
von 200 Jahren bot vielfache Gelegenheit, die grundlegende Bedeutung des
Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 in Vorträgen, Aufsätzen,
Tagungen und Ausstellungen zu würdigen. Die üblichen Publikationen, die bereits
erschienenen[1] ebenso wie die noch
geplanten, werden gewiss das Interesse der rechtshistorischen Forschung finden.
Ausstellungen indes, die gesehen und erlebt werden wollen, haben es schwerer,
in der wissenschaftlichen Diskussion rezipiert zu werden; es sei denn, sie sind
in Katalogen gut dokumentiert oder durch „Begleitbände“ mit dem Diskurs
verbunden.
Die hier
angezeigten Ausstellungsbände erfüllen diese Voraussetzungen und verdienen
gewiss eine angemessene Beachtung. Sie betreffen allesamt den süddeutschen
Raum, in dem die vielfältigen Aspekte und Auswirkungen des
Reichsdeputationshauptschlusses besonders gut nachweisbar sind. Sie mögen
zugleich stellvertretend für alle anderen Publikationen stehen, die aus den
vielen überall im Lande veranstalteten größeren und kleineren Ausstellungen hervorgegangen
sind.
Zu 1: Als das
nach Inhalt und Gewicht bedeutendste Produkt unter den hier vorgestellten
Bänden müssen die drei „Begleitbände“ gelten, die zur „Großen Landesausstellung
Baden-Württemberg 2003“ erschienen sind, die unter dem Titel „Alte Klöster -
Neue Herren“ im „Neuen Kloster“ in Bad Schussenried gezeigt worden ist. Der
erste Band, der „Katalog“, ermöglicht es, die in fünfzehn Abteilungen
gegliederte Schau nachzuvollziehen: Die Welt der Klöster im Alten Reich, die
Vorgeschichte der Säkularisation und ihr Ablauf, die mit den Klöstern
untergegangene „Pracht“, Wissenschaft und Kunst (sie nehmen den breitesten Raum
ein) sowie die Folgen der Säkularisation liefern die Stichworte und verdeutlichen
die Vielfalt des Prozesses. Der einleitende Beitrag von Klaus Schreiner
(„Gott zur Ehre, dem Vaterland zum Nutzen – geistliche, kulturelle und soziale
Lebenswelten der alten Klöster im Zeitalter der Aufklärung und Säkularisation“)
erleichtert das Begreifen der vielfältigen Zusammenhänge, die im zweiten
doppelbändigen Teil („Aufsätze“) eine ausführliche über 1467 Seiten ausgebreitete
schriftliche Darstellung erfahren. Die Aufsätze sind in fünf Abschnitte
gegliedert; ein erster gilt der Vorgeschichte und den Vorboten der
Säkularisation und umschreibt die thematisch breit angelegte alte
Klosterlandschaft und ihre Bedeutung für Reich, Religion, Musik, Architektur,
Schule, Wissenschaft und Frömmigkeit – um nur einige Gesichtspunkte zu nennen.
Die beiden folgenden Abschnitte beschreiben den Ablauf der Säkularisation, zum
einen die Liquidation der Reichskirche, zum anderen den Untergang der mediaten
Klöster und auch des evangelischen Kirchengutes. Schon bei diesen Beiträgen
wird die unmittelbare Wirkungszeit des Reichsdeputationshauptschlusses
überschritten; gleiches gilt für die Aufhebung der Ritterorden, die in die
Jahre 1806-1809 fällt. Insofern ist es nur konsequent, wenn der folgende
Abschnitt sich der Mediatisierung der Reichsstädte, des Reichsadels und der
Fürsten zuwendet und damit den thematischen Rahmen der eigentlichen Ausstellung
erheblich überschreitet. Im abschließenden Teil werden die Wirkungen der
Säkularisation und Mediatisierung dargestellt, mithin eine Art Bilanz der
Umbruchzeit geliefert; sie umfasst die Konsequenzen für kirchliche Organisation
und Frömmigkeit, die Schicksale von Menschen und Gebäuden, die Auswirkungen auf
das Verhältnis von Staat und Gesellschaft zu den Kirchen, zu Wissenschaft und
Bildung, aber auch zu Wirtschaft und Finanzen. Alle diese Abschnitte sind
dadurch gekennzeichnet, dass teils allgemeine Überblicke geliefert, teils auf
einzelne Orte, Institutionen und Personen Bezug genommen wird. Der gesamte
Reichtum der „Aufsätze“ lässt sich letztlich nur durch das umfängliche Register
erschließen. Ohne einen der nicht genannten Beiträge herabsetzen zu wollen, sei
es erlaubt, auf folgende, für den Rechtshistoriker besonders interessanten
Beiträge hinzuweisen: Franz Brendle/Anton Schindling: Reichskirche und
Reich in der Frühen Neuzeit; Winfried Müller: Säkularisation und
Mediatisierung. Historische und politische Voraussetzungen ihrer Durchführung; Rudolphine
Freiin von Oer: Der Anfang vom Ende des Heiligen Römischen Reiches. Die
Säkularisierung der Reichsstifte; Rolf Kießling: Die Mediatisierung der
Reichsstädte; Klaus-Peter Schroeder: Moderater et prudenter …. Die Markgrafschaft
Baden und die Mediatisierung der Reichsstädte 1802/03; Rudolf Endres:
Lieber Sauhirt in der Türkei als Standesherr in Württemberg …. Die Mediatisierung
des Adels in Südwestdeutschland.
Zu 2: Der
nächste hier anzuzeigende Band ist entstanden im Zusammenhang mit der Ausstellung
„Kirchengut in Fürstenhand“; diese Schau fand nahezu zeitgleich mit der
„Landesausstellung“ in Schussenried statt. Als Träger der Ausstellung und
Herausgeber des Begleitbandes fungieren die Stadt Bruchsal und die Abteilung
„Staatliche Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg“, eine Abteilung der
Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung. Die Publikation trennt nicht zwischen
Katalog und Aufsatzteil, sondern bietet eine Verknüpfung von beidem. Inhaltlich
steht Baden im Vordergrund, Württemberg ist mit Rücksicht auf die
Schussenrieder Ausstellung nur mit vier Beispielen vertreten, nämlich mit
Ellwangen, Großcomburg, Wiblingen und Meersburg. Im Übrigen dominiert Baden,
und hier vor allem das ehedem zum Bistum Speyer gehörige Bruchsal; auch das
Bistum Konstanz und seine Schicksale sind ausführlicher berücksichtigt. Viele
Einzelheiten zum Geschehen um das Jahr 1803, um die Schicksale des beweglichen
und unbeweglichen Kirchengutes sowie des betroffenen Personals werden
ausgebreitet; neben solchen Einzelheiten verdienen aber die Überblicke von Hansmartin
Schwarzmaier („Die Säkularisation der Jahre 1802/03 in Baden und Württemberg“)
und Kathrin Ellwardt („Von der provisorischen zur würcklichen Civil-Besitznahme
– die Besetzung der badischen Entschädigungslande 1802/03 und 1806“) besondere
Erwähnung. Nach thematischem Zuschnitt, Tiefenschärfe und Vielseitigkeit reicht
der Bruchsaler „Begleitband“ jedoch nicht an den Zuschnitt der Schussenrieder
„Aufsätze“ heran.
Die übrigen hier
vorzustellenden Publikationen betreffen die Wirkungen der Säkularisation in
Bayern und demonstrieren zugleich, in welch unterschiedlicher Weise man sich mit
dem großen Thema „Reichsdeputationshauptschluss“ befassen kann.
Zu 3: Der Band
„1803. Wende in Europas Mitte“ ist von der Stadt Regensburg und der Universität
daselbst herausgegeben worden und vereint eine akademische Vortragsreihe mit
dem Katalog einer städtischen Ausstellung. Während die Vorträge neben vielen
Einzelheiten auch allgemeine Zusammenhänge in den Vordergrund stellen,
dominiert im Katalog das Geschehen in Regensburg selbst. Immerhin bieten die
Beiträge schöne Überblicke über die Geschichte des Reichsdeputationshauptschlusses
(z. B. Hans-Jürgen Becker: „Umbruch in Mitteleuropa. Der
Reichsdeputationshauptschluss von 1803“; Klaus Hausberger: „Unterm
Krummstab ist gut leben. Zur Situation der fürstbischöflichen Germania Sacra am
Vorabend der Säkularisation“) zur Herrschaft des Kurerzkanzlers von Dalberg (Albrecht
P. Luttenberger: „Karl Theodor von Dalberg, das Reich und der Rheinbund“)
und nicht zuletzt zur Übernahme der Reichsstadt Regensburg durch Bayern (Peter
Schmid: „Regensburg im Umbruch. Verfassungsentwicklung von der Reichsstadt
zur bayerischen Stadt“). Dass noch viele andere Aspekte Interesse verdienen,
versteht sich von selbst.
Zu 4: Der
nächste hier vorzustellende Band repräsentiert eine Ausstellung des Bayerischen
Hauptstaatsarchivs unter dem Titel „Bayern ohne Klöster?“ Das Buch vereint in
klassischer Weise Katalog und Aufsätze. Während der Katalog die Ausstellung in
vier Abschnitten („Rahmenbedingungen und Ablauf“, „Unmittelbare Folgen“, „Das
Schicksal der Klosterkirchen und -gebäude“, „Langfristige Folgen“) abspiegelt,
reichen die insgesamt neunzehn Aufsätze thematisch weiter und entwickeln in
konzentrierter Weise vielerlei Aspekte der bayerischen Säkularisation 1802/03.
Einzelheiten kommen ebenso zur Sprache wie allgemeine Zusammenhänge. So sind
etwa einige Beiträge den Rückwirkungen: Kunst oder Musik, Schule,
Waldwirtschaft und Brauereiwesen gewidmet, andere stellen generelle
Entwicklungslinien heraus, die den Rechtshistoriker besonders interessieren
dürften: So beschreibt Winfried Müller insgesamt „Die Säkularisation und
ihre Folgen“, Reinhard Stauber berichtet über die vorlaufenden
„Entscheidungsprozesse in der bayerischen Regierung 1798-1802“ und Monika
Ruth Franz schreibt über „Die Durchführung der Säkularisation als
administrative Herausforderung“. Besonders zu begrüßen ist der „Versuch einer
Bilanz“ aus der Feder von Joachim Wild, des Direktors des bayerischen
Hauptstaatsarchivs: „Die Aufhebung der bayerischen Klöster“. Schließlich sei
noch hervorgehoben, dass der schon bald einsetzende Aufbau einer „neuen
Klosterlandschaft“ in Bayern gebührend gewürdigt wird.
Zu 5: Der
Katalog zur Ausstellung „Lebendiges Bücher-Erbe“, den die Bayerische Staatsbibliothek
herausgebracht hat, stellt eine willkommene und letztlich unverzichtbare Ergänzung
im Reigen der Veranstaltungen dar. Nutznießer der Säkularisation waren eben
nicht zuletzt die staatlichen Bibliotheken, in Bayern vor allem die
Staatsbibliothek in München. Ihr ist die Aufgabe zugefallen, die Bücherschätze
zu bewahren und für die Forschung fruchtbar zu machen. Insoweit repräsentiert
der Band einerseits ein spezielles, aber doch außerordentlich bedeutendes Thema
der Säkularisationsforschung, andererseits wird der Themenbogen weiter gespannt
und die gesamte Mediatisierung nebst Folgen im Bereich des Bücherwesens mit
einbezogen. Der Gestaltung nach entspricht der Band eher einer Sammlung von
Aufsätzen, an die eine ausführliche Beschreibung der gezeigten Objekte
angebunden ist. Traditionsbruch im Bibliothekswesen, der Ablauf der „Büchersäkularisation“
und die Bedeutung der „Bücherkumulation“ für die Forschung sind die wichtigsten
Stichpunkte. Den Rechtshistoriker und Historiker interessieren vor allem die
von Winold Vogt verfasste Kapitel über bedeutende Traditionen zur
Rechtsgeschichte (Lex Baiuvariorum, Schwabenspiegel, Oberbayerisches Landrecht
1346, Stadtrecht von München), aber auch der Abschnitt „Cimelien“, der u. a. das
Münchner Exemplar des „Breviarium Alarici“ vorstellt. Den Rezensenten stimmt
besonders jene Passage des Berichts über die praktische Umsetzung in der
„Büchersäkularisation“ (S. 44ff.) nachdenklich, in denen festgehalten wird, wie
groß das Volumen jener Schriften war, die zur Vernichtung freigegeben worden
sind: Der Münchner Papier- und Schreibmaterialienhändler Andreas Kaut hat aus
den Bibliotheken von dreißig ständischen Klöstern und zwei Propsteien Bücher im
Gewicht von 137 214 Pfund und aus neun nichtständischen Klöstern 40 762 Pfund
Bücher übernommen und dafür insgesamt 1466 Gulden gezahlt. Man wagt sich kaum
vorzustellen, was in diesen keineswegs vollständig erfassten Bücherbergen enthalten
gewesen sein könnte: Auch Gebrauchsliteratur ist für die Forschung wertvoll und
mancher Einband mag mit entdeckungswertem Inhalt vernichtet worden sein. Über
solche Verluste werden wir nichts mehr erfahren.
Saarbrücken Elmar
Wadle
[1] Genannt seien hier lediglich: Ulrich Hufeld (Hg.), Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Eine Dokumentation zum Untergang des Alten reiches, Köln 2003; Alois Schmid (Hg.), Die Säkularisation in Bayern 1803. Kulturbruch oder Modernisierung? (Schriftenreihe für Bayerische Landesgeschichte Beiheft 23, Reihe B), München 2003.