Zambrana Moral, Patricia/Martínez Barrios, Elena, Depuración política universitaria en el primer franquismo: algunos catedráticos de derecho. Universidad de Málaga – Facultad de derecho - Cátedra de historia del derecho, Barcelona 2001. 71 S.

 

Spanien beschäftigt sich mehr und mehr mit seiner jüngeren Vergangenheit: Belletristik und Geschichtswissenschaft haben im letzten Jahrfünft zaghaft damit begonnen, die Franco-Ära tiefschürfender als zuvor aufzuarbeiten. Nachdem bereits etliche Historiker aus dem Ausland zu diesem Abschnitt der spanischen Geschichte geforscht und Stellung bezogen haben, wollen viele Spanier diesen Teil ihrer eigenen Vergangenheit „zurückerobern“, was mit der Devise „recuperación de nuestra historia“ augenfällig wird. Für die Literatur diene hier als Beweis der Schriftsteller Pío Moa, der mit seinem 600 Seiten starken Buch „Die Mythen des Bürgerkriegs“ (Los mitos de la guerra civil) unlängst einen Sachbuch-Bestseller veröffentlicht hat. Das Buch des in Valldigna (bei València) geborenen Rafael Chirbes „Der Fall Madrids“ (La caída de Madrid) zeugt darüber hinaus vom Versuch der Aufarbeitung insbesondere der ausgehenden Francozeit, genauer von den Ereignissen der letzten Tage unter General Francisco Franco im Jahre 1975[1].

 

Aber nicht nur belletristische Werke, auch nationale wie regionale Geschichtsschreibung verzeichnen ihren Aufschwung in Spanien und insbesondere in den katalanischsprachigen Regionen, den Països Catalans. Gerade die Erforschung der Opposition gegen die Franco-Diktatur ermöglicht, dass sich autonome Regionen wie Katalonien, das Baskenland oder Galicien vom spanischen Staat bewusst abgrenzen können. Als Beispiel möge hier das Buch von David Ginard i Féron genügen, das den deutschen Titel „Mallorca während der Franco-Diktatur. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 1939-1975“[2] trägt.

 

Auch in die Rechtsgeschichte hat diese Tendenz Einzug gehalten, worüber der vorliegende Band von Patricia Zambrana Moral und Elena Martínez Barrios genügend Zeugnis ablegt. Die Autorinnen haben dazu in mehreren spanischen Universitätsarchiven geforscht, um dem Verhalten und dem Schicksal bedeutender Juristen in der Zeit der großen franquistischen „Säuberungen“ nachzugehen, die nicht lange nach dem Sieg der Franco-Truppen über die republikanischen Garden auf sich warten ließen. Rund 50.000 Personen aus Staatsverwaltung und Gerichtsbarkeit fielen den Säuberungsaktionen zum Opfer, worunter sich 150 Hochschullehrer befanden. Prominente Beispiele waren: Adolfo Miaja de la Muela (internationales Recht), Niceto Alcalá-Zamora y Castillo (Prozessrecht), José Castillejo y Duarte (römisches Recht), Luis Jiménez de Asúa (Strafrecht), Josep Xirau i Palau (Prozessrecht), Felipe Sánchez-Román y Gallifa (Zivilrecht), Mariano Ruiz-Funes y Garcia (Strafrecht), José Quero Molares (internationales Recht), Fernando de los Ríos Urruti (öffentliches Recht und politische Wissenschaften). Dabei greifen die Autorinnen den besonderen Fall von Wenceslao Roces heraus, der seit 1923 den Lehrstuhl für römisches Recht an der Universität von Salamanca innehatte, gleichwohl aber in seinen Arbeiten schwerpunktmäßig die Rechts- und Staatsphilosophie und das Zivilrecht behandelte. Roces inspirierte sich bei Ernst Mayer und vor allem bei Rudolf Stammler und dessen Werk „Rechts- und Staatstheorien der Neuzeit“, das 1917 in Leipzig publiziert worden war. Dass Roces sich deutschen Juristen widmete, belegen sehr gut seine Übersetzungen von Werken der Juristen Rudolf Sohm, Hanns Albrecht Fischer, Erich Danz, Ernst Jacobi und Andreas von Thur, dessen allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs er ins Spanische übertrug. Die „Säuberungen“ von Ramón Prieto Bances, Rechtshistoriker an der Universität von Oviedo, sowie von Josep Maria Boix Raspall, Handelsrechtler an der Universität von Barcelona, werden sehr akribisch beleuchtet, was mitunter die Fußnotenapparate weitaus länger macht als den eigentlichen Fließtext dieser Studie. Für die Dauer von sieben Jahren erhielt des Weiteren der Handelsrechtler Emilio Langle y Rubio wegen „zu großer demokratischer und liberaler Gesinnung“ Lehrverbot. Langle schrieb schon in den zwanziger Jahren Werke, in denen er die Straffreiheit des Ehebruches und die gesetzliche Anerkennung der Ehescheidung als „Vorbeugung gegen die eheliche Untreue“ vorschlug. Dass diese Gesetzesprojekte dem Franco-Regime negativ auffielen, braucht nicht eigens betont zu werden. Einige verfolgte Professoren, wie z.B. José Maria Ots Capdequi aus València, Rechtshistoriker an den Universitäten von Sevilla und später València, konnten sich glücklicherweise nach Lateinamerika absetzen. Ots Capdequi floh nach Kolumbien, wo er sich in Lehre und Forschung insbesondere dem Kolonialrecht zuwandte.

Während die Rolle der genannten Professoren als „Gesäuberte“ feststeht, entpuppt sich Ferran Valls i Taberner aus Barcelona als „Amphibie“, nämlich als Gesäuberter und Säuberer in einer Person. Er selbst intervenierte als Mitglied der Säuberungskommission in zahlreichen Verfahren für und wider die Kandidaten. Gleichwohl wurde er als leitender Archivbeamter vom Säuberungskomittee schließlich selbst entmachtet und erlitt ein ähnliches Schicksal wie viele seiner Zeitgenossen. Valls hatte 1926 gegen die Diktatur von Primo de Rivera gekämpft und den Vorstand der Rechtsanwaltskammer von Barcelona in seinem auf Katalanisch verfassten Rechtsratgeber angegriffen. Er fiel dort als „un catalanista extremista“ auf. Später präsentierte sich Valls als das bewundernswerte Vorbild des Generals Franco, als perfekter Kreuzzügler, heldenhafter Ritter des christlichen und vaterlandsliebenden Ideals: „el ejemplo admirable del Generalísimo, perfecto cruzado, caballero heróico del ideal cristiano y patriótico“ (S. 28). Im März 1940 betraute ihn der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Barcelona mit der Kontrolle und Inspizierung der Bibliotheken und Seminare aufgrund seiner anerkannten Kompetenz für historische Fragen. Aus der Zeit stammt eine Erlaubnis, die Forscher eigens beantragen mussten, um verbotene, weil glaubensabfallende bzw. glaubensspaltende oder unsittliche Bücher und sonstige Publikationen lesen zu dürfen. Dies bezog sich gleichfalls auf die Presse der Jahre von 1931-1939. Ich übersetze diese Verfügung wie folgt[3]:

 

Gemäß der Darlegung in der vorhergehenden Instanz, in Anwendung der Apostolischen Befugnisse, die uns aufgrund des Reskriptes der Heiligen Kirchenamtlichen Kongregation mit Datum vom 1. April 1939 anvertraut sind, haben wir uns entschlossen folgende Erlaubnis auszusprechen. Wir erlauben dem X für einen Zeitraum von drei Jahren, diejenigen verbotenen Bücher und Veröffentlichungen zu lesen und in Gewahrsam zu haben, die er zu Studienzwecken benötigt, mit Ausnahme derer, die ohne Umschweife für die Häresie oder das Schisma eintreten, sowie gleichfalls die, welche, ohne zu leugnen, die ureigenen Fundamente der Religion zu untergraben beabsichtigen oder auch offenkundig von unsittlichen Dingen handeln.

Im übrigen muss er die besagten Bücher und Publikationen mit den nötigen Vorsichtsmaßnahmen aufbewahren, damit diese nicht in die Hände anderer gelangen und niemand wegen dieser gnadenvollen Erlaubnis auch nur das geringste Ärgernis erleiden muss. Dies gewährte und bestätigt seine Exzellenz und Hochwürden, worüber ich in Kenntnis setze. Der Apostolische Auxiliarbischof. Im Auftrag seiner Exzellenz und Hochwürden. Dr. Luis Urpí, Hochschulvorsteher, Geheimsekretär.

 

Diese Erlaubnis spiegelt den Geist wider, der in den Bibliotheken und Archiven herrschte, für deren Führung und „Säuberung“ Valls i Taberner verantwortlich zeichnete. Auf keinen Fall sollten verbotene Bücher anderen als den dazu Berechtigten in die Hände fallen. Gemäß dem damaligen Zeitgeist durfte durch diese Benutzungserlaubnis auch kein Mensch zu Schaden kommen oder aus Sicht der Zensoren „verdorben“ werden. Obwohl aus seinem Verhalten ein harscher Persönlichkeitswandel gegenüber vorher geschlussfolgert werden kann, ist m. E. über die exakte Rolle des Valls i Taberner als „Säuberer“ und „Gesäuberter“ gerade wegen der unterschiedlichen, mitunter widersprüchlichen und noch nicht ganz ausgewerteten Zeugnisse das letzte Urteil noch nicht gefällt.

 

Fazit zum Buch: Trotz unübersichtlicher Einleitung und etwas vager Definition des Forschungsvorhabens und ungeachtet der fehlenden Darstellung der Untersuchungsergebnisse am Ende der Studie bedient die vorliegende Sammlung von Einzelforschungen die wissenschaftliche Notwendigkeit, die spanische Universitäts- und Ordinariengeschichte anhand der persönlichen Schicksale der Lehrstuhlinhaber zu analysieren. Viel zitiertes Material (besonders in den manchmal schwerlich zu überblickenden Fußnoten) bleibt noch zu durchsuchen und zu verarbeiten, um den letzten Satz des Buches – eine Art grobes Fazit – zu unterstreichen[4]: „Die Säuberung der spanischen Universitätslandschaft war die Prostitution des Staates, der Bildung und der laizistischen wie liberalen Kultur im Dienste der Interessen des neuen totalitären und parafaschistischen Regimes.“

 

Saarbrücken                                                                                                  Thomas Gergen



[1] Vgl. Walter Haubrich, Spaniens schwieriger Weg in die Freiheit. Von der Diktatur zur Demokratie, Bd. 1: 1973-1975, Berlin 1995, S. 257-275; vgl. dazu auch Thomas Gergen, in: ZRG Germ. Abt. 119 (2002) 1003-1005.

[2] Aus dem Katalanischen von Dorothee von Keitz und Montserrat Santamaria (= Kultur und Gesellschaft der katalanischen Länder; 1), Berlin 2001; vgl. dazu Thomas Gergen, in: ZRG Germ. Abt. 120 (2003).

[3] Original: „Visto lo expuesto en la precedente instancia, en uso de sus facultades Apostólicas que, por Rescripto de la Sagrada Congregación Consistorial de fecha de 1° de abril de 1939, nos están conferidas, venimos en autorizar y autorizamos a X para que por un trienio pueda leer y retener aquellos libros y publicaciones  prohibidas que le sean necesarias por razón de sus estudios, excepción hecha de los que directamente defiendan la herejía o el cisma, así como también los que exprofeso intenten socavar los mismos fundamentos de la Religión o traten de cosas obscenas, también exprofeso, debiendo por lo demás guardar dichos libros y publicaciones con las cautelas suficientes para que no lleguen a manos de otros, y para que nadie tenga que sufrir por la concesión de esta gracia, el menor escándolo. Lo acordó y firma Su Excia. Rdma., de que certifico. El Obispo A[uxiliar] A[postólico]. Por mandato de su Excia. Rdma. Dr. Luis Urpí, Maestroescuela, Canciller secretario“. Die Abkürzung „Rdma.“ bedeutet Reverendísima.

Dieses Dokument vom 22. September 1941, das die Unterschrift von Dr. Luis Urpí trägt, stammt aus dem Archiv der Kanzlei des Bistums Barcelona; Zitat siehe im hier besprochenen Werk, S. 34.

[4] Original: „La depuración de la Universidad española fue la prostitución del Estado, de la cultura y de la civilización laica y liberal al servicio de los intereses del nuevo régimen totalitario y parafascista“ (vgl. im hier rezensierten Buch, S. 70).