Woll, Carsten, Die Königinnen des
hochmittelalterlichen Frankreich 987-1237/38 (= Historische Forschungen 24).
Steiner, Stuttgart 2002. 321 S., 1 Kart. [1]
Hier anzuzeigen ist eine Saarbrücker
Dissertation, die sich den französischen Königinnen widmet. Erfreulich an diesem
Werk ist, daß es in Erinnerung ruft, wie wichtig es
wäre, das Amt der Königin - und auch die Biographien einzelner Königinnen -
aufzuarbeiten.
Woll hat seine Arbeit in einundzwanzig Kapitel
gegliedert. Fünfzehn Königinnen werden in jeweils eigenen Kapiteln geschildert,
aber auch Eheprojekte und die Sicht eines Historiographen
(Helgald von Fleury) werden
dargestellt. Zu diesem exemplarischen, Helgald
gewidmeten Teil ist anzumerken, daß die konzise und
fein ziselierte Darstellung Walter Berschins über „Biographie
und Epochenstil“[2] erstaunlicherweise nicht
berücksichtigt wurde. Berschin handelt dort Helgalds Werk über Robert den Frommen[3] mit
gelungener Interpretation des Werkes ab und stellt die Forschung auf eine neue
Grundlage[4].
Eine Diskussion der Arbeit en
détail ist hier nicht möglich; außer den fünfzehn Königinnen und dem Helgald-von-Fleury-Kapitel wird noch über Eheprojekte[5] sowie
die „salischen Verbindungen König Heinrichs I.“ gehandelt. Als Appendix wird
ein „Nachweis von“ (bereits bekannten) „Königsurkunden Hugo Capets"
beigegeben.
Das imposante Literaturverzeichnis,
in dem allerdings nicht alle verwendeten Titel auftauchen, läßt
auf eine sorgfältige Durchdringung des Stoffes schließen, doch wird dieser
Eindruck nicht durch die (auch sprachlich und stilistisch ab und an sehr
schwierige) Lektüre der Arbeit bestätigt. Hierzu zwei Beispiele:
Auf S. 136 vermeint Woll aufgrund einer Nachzeichnung (!) des Siegels Königin
Bertradas von Montfort († 1115/16) deren „körperliche
Attraktivität ... bestätigt“ zu sehen. Bertrada mag zwar tatsächlich attraktiv
gewesen sein, doch ist es wohl eher unwahrscheinlich, daß
einerseits zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Portraitähnlichkeit bereits so
stark gegeben war und daß andererseits der die
Nachzeichnung Anfertigende nicht auch eigene Vorstellungen miteinfließen
ließ - was nicht dadurch entkräftet wird, daß der
Verfasser betont: „Das Bemühen des Nachzeichners um anscheinend (sic!)
naturgetreue Wiedergabe überschüssiger Siegelmasse und der Beschädigungen
spricht für die Vertrauenswürdigkeit der Darstellung“[6].
Auch bezüglich der Frage nach den
Reiseumständen der Ingeborg von Dänemark († 1237/38) ist zu bedenken, daß - trotz der grundlegend verschiedenen Kommunikations-
und Reisemöglichkeiten gegenüber der Gegenwart - eine recht genaue Reiseplanung
möglich war; daß eine Krönung nicht zufällig an einem
beliebigen Tag stattfindet, sondern der Termin mit Sorgfalt gewählt wird, liegt
auch in der Natur der Sache selbst. Daher ist nicht davon auszugehen, daß die Krönung und die Eheschließung „zufällig“[7] an
diesem Tage (Mariae Himmelfahrt!) in Amiens
stattfanden.
Am Anfang des Buches steht der Blick
auf die (disparate) Forschung, das Fazit wird gezogen in dem Kapitel „Bedeutung
der Königin durch Persönlichkeit - kein selbstverständlich zugestandener Einfluß“ (S. 269-275). Dieses Kapitel wird die künftige
Forschung eher anregen als die Einzelkapitel, die sich oftmals als histoire scandaleuse präsentieren. Positiv
festhalten läßt sich einerseits, daß
die Königin nicht qua Amt sondern qua eigener
Durchsetzungsfähigkeit als an der Herrschaft beteiligt gezeigt wird,
andererseits, daß die Beschäftigung mit den nicht
immer uninteressanten Damen und ihrer Rolle künftig wohl wieder verstärkt in
das Interesse rücken wird. Diese Arbeit kann nicht Endpunkt der Beschäftigung
mit den Königinnen des französischen Hochmittelalters sein, sondern hat wohl
eher als Erinnerung zur künftigen Beschäftigung zu dienen, hat also Impulsgeber
zu sein.
Heidelberg Klaus-Frédéric
Johannes
[1] Es sei verwiesen auf die
in der Francia erscheinende ausführlichere
Besprechung durch Julian Führer.
[2] Walter Berschin,
Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. 4: Ottonische Biographie.
Das hohe Mittelalter 920-1220 n. Chr., Erster Halbband: 920-1070 n. Chr., 1999.
[3] S. 230-234.
[4] Auch durch die Beigabe von
Verbesserungen zur Edition.
[5] 988: Robert der Fromme -
Byzanz; 1193-95: Philipp II.
[6] Woll,
S. 156 (in Anm. 127).
[7] So Woll,
S. 257.