Wächter, Thomas, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des BGB (= Münchener Universitätsschriften, Juristische Fakultät, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung 86). Aktiv Druck & Verlag GmbH, Ebelsbach 2002. XXI, 337 S.

 

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof vom 29. 1. 2001 (BGHZ 136, 254, 256) ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich rechtsfähig sowie im Zivilprozess aktiv und passiv parteifähig. Soweit sich der BGH auf die Gesetzgebungsgeschichte beruft, beruht die Argumentation auf einer unvollständigen Analyse der Gesetzesmaterialien. Ziel des Werkes Wächters ist es zu zeigen, dass die „gesetzliche Regelung der Gesamthandsgemeinschaften das Ergebnis einer an der Zweckmäßigkeit ausgerichteten, stringenten Entwicklung jenseits der Grenzen dogmatischer Systemverliebtheit darstellt“ (S. 3). Im 1. Teil behandelt der Verfasser den Streit um die Gesamthandsgemeinschaften. Im Verlauf der Auseinandersetzung mit der römisch-rechtlichen societas und der unversitas entwickelte sich die deutschrechtliche Lehre von der Gesamthand, die erst mit Gierke im Abgrenzung zum Begriff der Genossenschaft schärfere Konturen erhielt; jedoch gelang es den Germanisten nicht, ein einheitliches Institut der Gesamthandsgemeinschaft darzustellen. Eine Klärung erfolgte auch nicht durch die Regelung der offenen Handelsgesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861. Nach Meinung der Gesetzesverfasser handelte es sich bei den Handelsgesellschaften um eine handelsrechtliche Sonderentwicklung, die sich rechtsdogmatisch nicht einordnen ließe; eine Unterordnung unter einen „hergebrachten Rechtsbegriff“ sei entbehrlich. Im Gegensatz zum Dresdener Entwurf unterschied die 1. BGB-Kommission strikt zwischen den Gesellschaften nach handelsrechtlichem Vorbild und der BGB-Gesellschaft nach der Muster der societas. Eine rein äußerliche Verbindung mit der offenen Handelsgesellschaft stellte § 659 E I dar, nach dem von den Gesellschaftern die Anwendbarkeit der für die OHG geltenden Vorschriften vereinbart werden konnte, wenn der Gesellschaftsvertrag zum Zweck der Betreibung eines Erwerbsgeschäfts geschlossen wurde. Für die Gesellschaft sah der 1. Entwurf eine Verfügungsbeschränkung nicht vor, auch soweit diese nur relativ wirken sollte (vgl. § 645 E I). Im einzelnen untersucht Wächter die Ausgestaltung der Erbengemeinschaft (S. 141ff.) und der ehelichen Gütergemeinschaft (S. 182ff.) des E I. Erstere war entsprechend den Vorschlägen des Redaktors Schmitt als reine Bruchteilsgemeinschaft ausgestaltet. Auch für die Gütergemeinschaft folgte die 1. Kommission nicht der Gesamthandslehre, obwohl § 1342 E I vom gemeinschaftlichen Vermögen (Gesamtgut) sprach. Zum Schutz der Ehefrau enthielt gegenüber der grundsätzlichen Verfügungsfreiheit des Mannes § 1353 E I eine Einschränkung, wonach der Ehemann nicht über das Gesamtgut im ganzen und über die zu ihm gehörenden Grundstücke verfügen durfte. Lediglich für die Übergangsphase zwischen Beendigung der ehelichen Gütergemeinschaft und der Verteilung des Gesamtguts und bei Beendigung der Gemeinschaft durch Tod lag dem E I das Prinzip der gesamten Hand zugrunde. Wie der Verfasser nachweist, war das „Prinzip der gesamten Hand“ nach der 1. Kommission „ein positivrechtliches Instrument, das nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten beliebig eingesetzt werden konnte, da es sich um eine Bezeichnung für bestimmte Rechtsfolgen und nicht um ein Strukturprinzip handelte“ (S. 214).

 

Nach einem Abschnitt über die Kritik insbesondere des Gesellschaftsrechts des E I – die für den E II und damit für das Bürgerliche Gesetzbuch maßgebenden Vorschläge stammten vom Stettiner Rechtsanwalt Boyens – behandelt der Verfasser die Neuordnung der Gesellschaft, der Erbengemeinschaft und der ehelichen Gütergemeinschaft auf der Basis des Prinzips der gesamten Hand als Ergebnis gesetzgeberischer Interessenabwägungen im E II. Aber auch die 2. Kommission nahm entgegen dem Anschein, welche die von ihr nicht autorisierte Denkschrift des Reichsjustizamts zum 3. BGB-Entwurf nahe legte, nicht eindeutig Stellung zu der Frage, „wie die Eigentumsverhältnisse an den das Gesamthandsvermögen bildenden Gegenständen beschaffen sein sollten“ (S. 286). Die Entscheidung zugunsten eines deutschrechtlichen Gesamthandseigentums hat die 2. Kommission niemals getroffen; sie hat die BGB-Gesellschaft auch nicht als eigenständige, prozess- und grundbuchfähige Persönlichkeit ausgestalten wollen. Am nächsten werde man, so Wächter, der Ansicht der Kommission gerecht, wenn man mit ihr „die Beschränkung der Verfügungsfreiheit ... als das charakteristische Merkmal der gesamten Hand“ ansieht (S. 295). Die einzige Gemeinsamkeit, welche die Gesamthandsgemeinschaften des BGB mit ihren historischen Namensvettern verbinde, sei also eine „rein äußerliche, die Rechtsfolge“, nämlich dass die Verfügung eines Teilhabers über seinen Anteil an den gemeinschaftlichen Gegenständen ausgeschlossen sei und über den Gegenstand im ganzen nur durch alle Teilhaber gemeinsam verfügt werden könne (S. 307). Im übrigen seien die Gesellschaften des BGB hinsichtlich Entstehung, Verwaltung, Schuldenhaftung und Auflösung „völlig unterschiedlich“ ausgestaltet. Begreife man die Gesamtshandsgemeinschaften des BGB als „reine Produkte gesetzgeberischer Abwägung widerstreitender Interessen“, so werde man unschwer erkennen können, dass das ohnehin wenig aussagekräftige Gesamthandsprinzip zur Lösung von Zweifelsfragen untauglich sei. Auch die Frage nach der Rechtsnatur der offenen Handelsgesellschaft hat das Handelsgesetzbuch durch § 105 Abs. 2 nicht entschieden (S. 301ff.). Dass die Regelung der Kollektivgesellschaften in § 728 E II rev. (entsprechend § 659 E I) entfiel, geht nicht auf die Entscheidung der 2. Kommission, sondern auf den Bundesrat zurück (S. 254ff.). Insgesamt hebt Wächter die Kontinuität des Regelungsgehalts in den BGB-Entwürfen hervor; unterschiedlich war nur die Bewertung eines einzigen Interessenkonflikts hinsichtlich des „Gesellschaftsvermögens“ (vgl. § 718 BGB).

 

Angesichts der Bedeutung der Gesamthandsgemeinschaften in der Rechtspraxis und Rechtslehre ist es erstaunlich, dass die Umgestaltung der Gesellschaft durch die 2. BGB-Kommission noch nicht Gegenstand einer eingehenden Untersuchung gewesen ist. Zusammenhängen dürfte dies mit der Ideologiebelastetheit und der Komplexität dieser Materie, deren Bearbeitung nicht nur eine Zusammenschau der gemein- und deutschrechtlichen Kontroversen und Entwicklungen des 19. Jahrhunderts erfordert, sondern auch eine Berücksichtigung der Quellen zum BGB für sämtliche fünf Bücher, angefangen mit den Vorentwürfen der Redaktoren. Diesen Erfordernissen wird Wächter im wesentlichen gerecht, wenn auch die Darstellung für das ADHGB und den Dresdener Entwurf wohl allzu knapp ausgefallen ist. Auch die Darstellung der Arbeiten der 1. BGB-Kommission  überzeugt in ihrer Gliederung nicht ganz. Mit der Aufdeckung der verschütteten Zusammenhänge, die nur durch eine detaillierte Aufschlüsselung der Quellen möglich ist, hat Wächter die Gesamthandsgemeinschaft des BGB „entmystifiziert“ (vgl. S. 308) und damit einen weiteren Beitrag zur Entstehung des BGB und vor allem auch zu der immer wieder bewunderungswürdigen pragmatischen Arbeitsweise der 2. BGB-Kommission geleistet. Ob Rechtsprechung und Lehre allerdings die von Wächter herausgearbeitete klare Entscheidung des Gesetzgebers nach den Änderungen der §§ 1 und 2 HGB und nach Inkrafttreten des Partnerschaftsgesetzes respektiert, wie der Verfasser fordert (S. 328), dürfte durchaus zweifelhaft sein.

 

Kiel                                                                                                                                                      Werner Schubert