Toleration in Enlightenment Europe,
ed. by Grell, Ole Peter/Porter, Roy. Cambridge
University Press, Cambridge 1999. 270 S.
Die
verschiedenen Beiträge des von Ole Peter Grell und Roy Porter
herausgegebenen Sammelbandes „Toleration in Enlightenment“ thematisieren den Toleranzbegriff der
Aufklärung. Der einleitende Aufsatz (Toleration
in Enlightenment Europe, S. 1-23) der Herausgeber
stellt die Entwicklung eines aufgeklärten Toleranzbegriffs in den
verschiedenen Ländern Europas dar. Für Martin Fitzpatrick
(Toleration and the
Enlightenment Movement, S.
23-69) ist die Toleranz gegenüber anderen Konfessionen Ausfluß
des Respekts vor der intellektuellen Freiheit des Einzelnen. Robert Wolker (Multiculturalism
and Ethnic Cleansing in the Enlightenment, S. 69-86)
richtet sich gegen Positionen, die Zusammenhänge zwischen den Ideen der
Aufklärung („Enlightenment Project“) und den
ethnischen Säuberungen im 20. Jahrhundert vertreten. Für Sylvana Tomaselli (Intolerance,
the Virtue of Princes and Radicals, S. 86-102) entspringt die Toleranzpolitik
bloßem machtpolitischem Kalkül. Jonathan I. Israel (Spinoza,
Locke and the Enlightenment
Battle for Toleration, S. 102-114) stellt die Toleranzideen von
Locke und Spinoza gegenüber: religiöse Toleranz
einerseits – Gedanken- und Meinungsfreiheit andererseits. Der Hauptunterschied
zwischen den Positionen Lockes und Spinozas läge darin, dass Spinoza
eine Schwächung der kirchlichen Macht anstrebte und die Kirche daher mit dem
staatlichen Apparat zusammenlegen wollte, während Locke einen Rückzug des
Staates aus der Sphäre der Kirche forderte. In den von Ernestine van der
Wall (Toleration and Enlightenment in the Dutch Republic, S. 114-133)
dargestellten Niederlanden des 18. Jahrhunderts gab es eine breite
Toleranz-Diskussion, die in der Erklärung der Trennung von Staat und Kirche
1796 gipfelte. Justin
Champion (Toleration
and Citizenship in Enlightenment England: John Toland
and the Naturalization of the Jews, 1714-1753, S. 133-157) analysiert die Einbürgerung der Juden in England von 1714-1753.
Für Marisa Linton (Citizenship
and Religious Toleration in
France, S. 157-175) beeinflußt der Wandel
staatsbürgerlicher Begrifflichkeit vom „Untertan“ zum „Bürger“ die Durchsetzung
religiöser Toleranz im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Religiöse Toleranz war
nach den Beobachtungen Joachim Whaleys (A
Tolerant Society? Religious Toleration
in the Holy Roman Empire, 1648-1806, S. 175-196)
im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation vornehmlich eine Frage rechtlicher
und nicht theologischer Natur, ging es doch nach dem Westfälischen Frieden in
erster Linie um Friedenssicherung (vgl. auch Gampl,
Art. Toleranz(-patent), HRG V, Sp.
271). Differenziert ist das von Karl Vocelka
(Enlightenment in the
Habsburg Monarchy: History
of a Belated and Short-Lived Phenomenon,
S. 196-212) gezeichnete Bild der Aufklärung in der Habsburgischen
Monarchie: Während Maria Theresia nach 1740 einige von aufgeklärter Gesinnung
motivierte Reformen durchsetzte, brachte ihr Sohn, Joseph II., Reformen auf den
Weg, die aber Nicht-Katholiken kaum mehr Freiheiten gaben. Der oft als Anhänger
der Aufklärung beschriebene Leopold II. arbeitete auch mit Aufklärungsgegnern
zusammen. Die Schwierigkeiten des multikonfessionellen Polen-Litauen sind Thema
von Michael G. Müller Toleration in Eastern
Europe: the Dissident Question
in Eighteenth-Century Poland-Lithuania,
S. 212-230). Noch schwächer ist laut Nicholas Davidson (Toleration in Enlightenment Italy, S. 230-250) der Toleranzgedanke im Italien des
18. Jahrhunderts. Einzelne Verfechter, wie Giuseppe Valletta, traten vor allem
für die Freiheit der Diskussion ein. Im Spanien des 18. Jahrhunderts erkennt Henry
Kamen (Inquisition, Tolerance and Liberty in Eighteenth-Century
Spain, S. 250-259) keine Notwendigkeit für eine Toleranzbewegung, da nach
der Vertreibung der Juden und Muslime vom 15. bis 17. Jahrhundert keine zu
tolerierende Minderheiten mehr da waren.
Passau Ulrike
Seif