Stupp, Matthias, GmbH-Recht
im Nationalsozialismus. Anschauungen des Nationalsozialismus zur
Haftungsbeschränkung, juristischen Person, Kapitalgesellschaft und Treupflicht.
Untersuchungen zum Referentenentwurf 1939 zu einem neuen GmbH-Gesetz (=
Schriften zur Rechtsgeschichte 93). Duncker & Humblot, Berlin 2002. 387 S.
Der Referentenentwurf des
Reichsjustizministeriums von 1939 zu einem Gesetz über die Gesellschaften mit
beschränkter Haftung stellt den Endpunkt einer umfangreichen
GmbH-Rechtsdiskussion in der NS-Zeit dar. Der Nationalsozialismus lehnte schon
früh neben der Aktiengesellschaft vor allem die GmbH als schwer vereinbar mit
seiner Wirtschafts- und Rechtsauffassung ab, so dass bis Anfang 1937 das
Schicksal der GmbH als Gesellschaftsrechtsform ungewiss war. Die Arbeiten des
1937 eingesetzten Ausschusses der Akademie für Deutsches Recht für GmbH-Recht
signalisierten der Öffentlichkeit, dass mit einer Abschaffung der GmbH nicht
mehr zu rechnen war. Er diente gleichzeitig den an der Aufrechterhaltung der
GmbH interessierten nationalsozialistischen Kreisen und dem
Reichsjustizministerium dazu, die Reform des GmbH-Rechts auf eine breite
Grundlage zu stellen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen des Verfassers stehen
der nationalsozialistische Gehalt des Reformvorhabens und das
historisch-ideologische Umfeld, das für die Entwicklung der Grundkonzeption des
Entwurfs von 1939 maßgeblich war. Der Verfasser beginnt mit einem Abschnitt
über die „missbräuchliche Verwendung“ der GmbH bis 1933 und deren Behandlung in
der frühen nationalsozialistischen Literatur (Forderung nach Abschaffung der
GmbH durch Großmann-Doerth; Reformvorschläge von Crisolli. Über diesen 1900 geborenen Autor H.
Wrobel, FS
Richard Schmid, 1985, S. 75ff.) Das
Umwandlungsgesetz von 1934 bezweckte, „die Abkehr von anonymen Gesellschaftsformen
zu erleichtern und ihre Ersetzung durch Unternehmungen mit Eigenverantwortung
des Inhabers zu fördern“ (S. 77; amtl. Begründung). Im Kapitel 2 und 3 behandelt
der Verfasser die „Ideologie der Vorkriegsjahre“ (S. 98ff.,
161ff.), nämlich die „Haftungsbeschränkung in der NS-Wirtschaftsordnung“ und
die Überwindung des gesellschaftsrechtlichen Dualismus zwischen juristischer
Person und Gesamthand (Kapitalgesellschaft und Treupflicht im Wandel).
Grundlage der Kritik war die Tatsache, dass bei der GmbH eine Einheit von
Herrschaft und Haftung fehlte. Wer es gleichwohl ablehnte, die GmbH ganz zu
verbieten, forderte Sicherungen gegen den Missbrauch der GmbH-Rechtsform (etwa
durch Ausbau des Verantwortungs- und Führerprinzips; Konzessionierung;
Einschränkung der Satzungsfreiheit). Das Streben nach Überwindung des
dualistischen Systems im Gesellschaftsrecht führte nach W. Siebert (Deutsche Rechtswissenschaft 1936, S.
204ff.) „im Recht der Handelsgesellschaften vor allem zu der Forderung, dass
das Unternehmen als lebendige Einheit und Aufgabe das Recht der
Handelsgesellschaften beherrschen, durchdringen und gestalten muss“. Die
Rechtsfähigkeit war nach Siebert „nur
eine zusätzliche Eigenschaft, eine Folgeerscheinung, eine Erleichterung für den
Rechtsverkehr und ein Mittel zur Begründung einer beschränkten Haftung, also
eine Rechtsverkehrsfähigkeit“ (Stupp, S.
194). Diese Sicht ermöglichte die Statuierung von Treuepflichten der Mitglieder
einer GmbH und Aktiengesellschaft gegenüber der Gesellschaft als auch eine
solche der Mitglieder untereinander.
Im Kapitel 4 geht es um die
Beratungen des Ausschusses der Akademie für deutsches Recht für GmbH-Recht von
1937 bis 1939. Im Vordergrund stand der Wunsch nach Angleichung des GmbH-Rechts
an das Recht der Personengesellschaften (Anwachsung; gesamtschuldnerische
Haftung; zwangsweise Auflösungsklage; Treupflicht der Gesellschafter;
Verstärkung der Minderheitenrechte). Auf eine gesetzliche Durchsetzung des
Führerprinzips und der Publizität sollte verzichtet werden, ebenso auf die Wirtschaft
zu sehr einengende Sicherungsvorschriften, die als Ausgleich für die
Haftungsbeschränkung hätten dienen können. Stupp stellt abschließend
fest, dass „trotz der wenigen ideologisch gefärbten Diskussionen für den
unbefangenen Betrachter die grobe Leitlinie des Nationalsozialismus
,gegen die Kapitalgesellschaften’
und ,für die Personengesellschaften’ trotz
aller Ausnahmen für den unbefangenen Betrachter erhalten bleibt“ (S. 301). Der
Referentenentwurf von 1939 beruht auf dem neuen nationalsozialistisch geprägten
Begriff der juristischen Person. Nach § 1 war die GmbH „eine mit eigener
Rechtspersönlichkeit ausgestattete Gesellschaft, in der sich zwei oder mehr
Personen zusammenschließen, um durch sie einen gemeinsamen Zweck zu fördern und
zu erreichen“. Hieraus ergab sich nach der amtlichen Begründung das Wesen der
Gesellschaft „als einer Personengesellschaft mit gebundenem Kapital“ (S. 307).
Der Entwurf vollzog die Annäherung der GmbH an das Recht der Personengesellschaften
in so vielfältiger Weise, „dass das gesamte Innenleben der GmbH und das
Rechtsverhältnis der Gesellschafter zueinander dem der oHG gleich kam“. Die
GmbH als Unternehmen umfasste, so Stupp S. 347, „also
nach nationalsozialistischem Verständnis die personenrechtliche Seite, nahm
aber zusätzlich das Element der Haftungsbeschränkung (in Erweiterung der KG)
und der Rechts(verkehrs-)fähigkeit als nächste Stufe
in sich auf.“
Indem der Verfasser den
spezifisch nationalsozialistischen Gehalt des Referentenentwurfs
herausgearbeitet hat, zeigt sich an diesem konkreten Beispiel erneut, dass es
wenig sinnvoll ist, bei den unter dem Nationalsozialismus ausgearbeiteten
Gesetzen und Entwürfen zwischen spezifisch nationalsozialistischen und nicht nationalsozialistischen
Regelungen zu unterscheiden. Vielmehr sind die unter dem Nationalsozialismus
entstandenen Vorlagen grundsätzlich von der Ideologie des Nationalsozialismus
durchdrungen, so dass es grundsätzlich müßig erscheint, nicht
nationalsozialistische Regelungskomplexe, wenn sie überhaupt existieren,
isoliert herauszugreifen. Allerdings beruhten zahlreiche Einzelregelungen des
Entwurfs auf sachlich neutral entwickelten Reformvorschlägen aus der Zeit vor
als auch seit 1933. Sie nahmen aber durchweg zumindest in der rechtspolitischen
Begründung eine stark nationalsozialistische Färbung an, deren Verwendung durch
das Reichsjustizministerium allerdings auch taktische Gründe gehabt haben
dürfte. Wenn der Gesetzgeber etwa bei der Ausarbeitung der GmbH-Novelle von
1980 auf eine Vielzahl von Vorschlägen aus der NS-Zeit zurückgriff, so spielte
hierbei der „sachlich objektive neutrale Kern“ der Regelung eine Rolle (S.
352), nicht mehr der ideologische Hintergrund, der gleichsam „abgelegt“ wurde.
Insgesamt dürfte insoweit die nationalsozialistische Rechtspolitik eine
beschleunigende Wirkung für die Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts (u. a.
für die Herausbildung eines ausgewogenen Minderheitenschutzes) gehabt haben,
wobei allerdings zu bezweifeln ist, ob man sich in den beiden ersten
Jahrzehnten der Bundesrepublik des ideologischen Gehalts der NS-Gesetze und
Gesetzentwürfe immer bewusst war.
Der Vorzug des gut lesbaren
Werkes von Stupp ist darin zu sehen, dass es ohne moralisierendes Beiwerk den
historisch-ideologischen Gehalt der unter dem Nationalsozialismus betriebenen Reform
des GmbH-Rechts sachlich herausarbeitet und so den Weg frei macht für die vom
Verfasser allerdings nicht mehr näher beantwortete Frage, „inwieweit sich die
Vorstellungen des nationalsozialistischen Gesetzgebers in eine Gesamtgeschichte
des GmbH-Rechts einfügen“ (S. 20) und inwieweit sie die Rechtsgeschichte der Bundesrepublik
Deutschland – im positiven oder weniger positiven Sinne – bestimmt haben. Unter
diesem Aspekt dürften die Untersuchungen Stupps
wegweisend für weitere Arbeiten zur Dogmengeschichte des 20. Jahrhunderts sein.
Kiel Werner
Schubert