Stechow, Henning von, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom
27. Mai 1896. Entstehungsgeschichte und Wirkung (= Schriften zur
Rechtsgeschichte 96). Duncker & Humblot, Berlin 2002. 398 S.
Obwohl das UWG von 1896 zu
den grundlegenden Gesetzen der Kaiserzeit gehört, war die Vor- und
Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes bislang noch nicht Gegenstand einer detaillierten
Untersuchung. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass das Gesetz von 1896 im
Schatten des UWG von 1909 steht, das der angeblichen „Mangelhaftigkeit“ des
früheren Gesetzes begegnen sollte. Von Stechow stellt das UWG von 1896 in den
Mittelpunkt seiner Untersuchungen, dessen Grundlagen – von der Generalklausel
des § 1 UWG von 1909 abgesehen – bis heute das Recht des unlauteren Wettbewerbs
prägen. Mit Recht nimmt der Abschnitt über die Entstehungsbedingungen des
gesetzlichen Schutzes vor unlauterem Wettbewerb in Deutschland denselben Umfang
ein wie die Analyse der Entstehung des UWG von 1896. Der Verfasser beginnt mit
einem Abschnitt über den Wandel der Wirtschaftsordnung vom Merkantilismus bis
zur Gewerbefreiheit der Gewerbeordnung von 1869. Es folgt ein Kapitel über den
bis 1896 erreichten Schutz des gewerblichen Schaffens (Kennzeichenschutz, Geschmacksmustergesetz,
Patentschutz; Bestimmungen der Strafgesetzbücher, von denen das Strafgesetzbuch
von 1870/71 den geringsten Schutz enthielt). Über den Schutz der
Immaterialgüterrechte hinaus ging das rheinische Recht, das die seit den 50er
Jahren des 19. Jahrhunderts voll ausgebildete Lehre von der concurrence déloyal
auf der Basis der Generalklausel des Art. 1382 C.c. – wenn auch in etwas
abgeschwächter Form – rezipierte. Das Reichsgericht lehnte demgegenüber die
Ausweitung insbesondere des Marken- und Firmenschutzes ab mit der Begründung,
dieser sei im Markenschutzgesetz und im Allgemeinen Deutschen handelsgesetzbuch
erschöpfend geregelt. Im übrigen hatte nach Meinung
des Reichsgerichts ein Individualrecht zugunsten des geschädigten Wettbewerbers
im Deliktsrecht bisher keine Anerkennung gefunden. Die 80er Jahre standen dann
im Zeichen der Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes gewerblichen
Schaffens. Während die Theorie der Immaterialgüter- und Individualrechte Josef
Kohlers, die einen deliktischen
Schutz generalklauselartig ermöglicht hätte, kaum anerkannt war, drang zunächst
die Forderung von Alexander-Katz durch,
die bestehenden Gesetze um Schutzmaßnahmen insbesondere gegen irreführende Werbung
zu ergänzen. Diese Linie verfolgten auch die Diskussionen im Reichstag und in
der Öffentlichkeit, in der sich das Bewusstsein durchsetzte, dass
Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb unlauter sein konnten und eine
Sanktionierung verlangten. Dem trug auch die 1.
BGB-Kommission in § 705 E I Rechnung, der anders als später
§ 826 BGB für die Fälle sittenwidriger Schädigung keinen Vorsatz voraussetzte.
Der Reichstag verzichtete
1894 auf eine Ergänzung des Warenzeichengesetzes um Bestimmungen zum Schutz
gegen unlauteren Wettbewerb gegen das Versprechen der Regierung, zu diesem
Zweck ein eigenen Gesetz vorzulegen. Die Entstehung
dieser Vorlage, das UWG von 1896, beschreibt v. Stechow in vier Schritten. Nach
einer Schilderung des Verlaufs der Gesetzgebungsarbeiten (S. 155 ff.) folgen
Abschnitte über die Grundfragen der Kodifikation (S. 164ff.,
192ff.), nämlich die Notwendigkeit eines UWG und die Ausgestaltung des Schutzes
gegen unlauteren Wettbewerb. Der Verfasser arbeitet heraus, dass das UWG
unmittelbar den Schutz des Wettbewerbers und nur mittelbar den Schutz des
Verbrauchers bezweckte. Während der Kodifikationsarbeiten sei „dabei eine
Verschiebung der Gewichtung des Schutzzwecks von einem gleichberechtigten
Schutz des Wettbewerbers und des Verbrauchers zur besonderen Betonung des Wettbewerberschutzes
festzustellen“ (S. 192). Im übrigen hat sich der Gesetzgeber
gegen eine allgemeine Generalklausel und für einen Katalog von
Einzelschutzbereichen in zivil- und strafrechtlicher Richtung entschieden. In
dem umfangreichsten Abschnitt des Werkes geht der Verfasser der Ausgestaltung der
Fallgruppen des UWG (S. 216ff.) nach, die auf der vorhergehenden Diskussion in
Anlehnung an die Kasuistik der französischen concurrence déloyal beruhte.
Besprochen werden: irreführende Werbung (hier Schaffung einer „kleinen“
Generalklausel durch den Reichstag), Qualitätsverschleierungen, Geschäftsehrverletzung
(§§ 6f. UWG), Schutz der geschäftlichen Bezeichnung, Schutz geschäftlicher
und betrieblicher Geheimnisse sowie sonstige Regelungen (Geldbuße, Bekanntmachung
des Urteils, Zuständigkeit, Verjährung).
Das UWG von 1896, das
bestehende Rechtsschutzlücken ausfüllen sollte, war zusammen mit dem BGB Teil
eines Gesamtkonzepts von Wettbewerber- und Verbraucherschutz vor unlauterem Wettbewerb.
Die Lückenhaftigkeit des UWG machte das Gesetz „jedoch angreifbar für politisch
motivierte Bestrebungen nach Schutzerweiterungen“ (S. 315), zumal der Gesetzgeber
1896 das fehlende Vorsatzerfordernis in § 826 BGB unterschätzt hatte.
Insgesamt hatten sich jedoch die Grundgedanken des Gesetzes von 1896 – und zwar
auch in der vorher scharf angegriffenen RG-Judikatur – bewährt. Wenn es
gleichwohl schon 1909 zu einer Neufassung des Gesetzes kam, so beruhte dies im
wesentlichen auf wahltaktischen Erwägungen der den Mittelstand vertretenden
Reichstagsparteien, wie insbesondere die Schaffung der Generalklausel des
§ 1 UWG (1909), der auf die Reichstagskommission zurückging, zeigt. Der
Verfasser beschreibt (S. 304ff.) folgende Regelungsbereiche des neuen UWG: sog.
große Generalklausel, irreführende Werbung und Sonderfall des
Ausverkaufsschwindels, Qualitätsverschleierungen, Bestechung,
Geschäftsehrverletzung, Kennzeichenmissbrauch und Verrat von Fabrik- und
Geschäftsgeheimnissen sowie Vorlagenmissbrauch.
Das Werk v. Stechows
verbindet in übersichtlicher Weise die detaillierte Darstellung der einzelnen
Regelungsbereiche der beiden Fassungen des UWG mit der Herausarbeitung der
wirtschafts- und sozialpolitischen sowie der rechtsdogmatischen Grundlagen des
UWG. Neben den nicht wenigen Zusammenfassungen, die das Werk enthält, fehlt
allerdings eine Schlusszusammenfassung, bei der auch die Bedeutung des UWG im
Rahmen der Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jahrhunderts hätte zur Sprache
kommen können, etwa mögliche Zusammenhänge mit dem Abzahlungsgesetz von 1894,
das auch dem Schutz des seriösen Handels dienen sollte. Wichtig erscheint der
Hinweis darauf, dass die 1. BGB-Kommission hinsichtlich des Deliktsrechts den
neuen wirtschaftlichen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossener war als die 2.
Kommission. Der Verfasser hat die für das Gesetz von 1896 maßgebenden Akten der
Reichsämter vollständig herangezogen. Weitere detaillierte Aufschlüsse über die
Verhandlungen in den Ausschüssen des Bundesrats und des Reichstags, als sie die
Reichsakten zulassen, hätte vielleicht noch die Überlieferung einiger
Bundesstaaten (Bayern; Hamburg) geben können. Als Anhang gibt derVerfasser das
UWG in den Fassungen von 1896 und 1909 wieder; es fehlt leider die
zusammenhängende Wiedergabe der „Vorläufigen Vorschläge“ von 1894, die Ausgangspunkt
der internen Beratungen in der Sachverständigenkommission von 1894 und unter
den Reichsämtern war. Insgesamt stellt v. Stechow überzeugend heraus, dass
nicht erst mit dem Gesetz von 1909, sondern primär durch das UWG von 1896 die Grundlagen
für einen allgemeinen Schutz des redlichen Wettbewerbs begründet worden sind.
Ganz wesentlich beruhte dies bis auf die Wortwahl auf der Rezeption des
französischen Deliktsrechts für dieses Rechtsgebiet, wenn auch der deutsche
Gesetzgeber rechtsdogmatisch und gesetzespolitisch andere Wege ging. Mit seinem
Werk hat v. Stechow einen weiteren wichtigen Bereich der bis heute maßgebenden
Gesetzgebung der Kaiserzeit für die Rechtsgeschichte erschlossen.
Kiel Werner
Schubert