Stadtbücher als namenkundliche Quelle.
Vorträge des Kolloquiums vom 18.-20. September 1998, hg. v. Debus, Friedhelm
(= Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Abhandlungen der Geistes-
und sozialwissenschaftlichen Klasse Einzelveröffentlichung 7). Steiner,
Stuttgart 2000. 518 S., 39 Abb., 9 Tab.
Der Band vereinigt die Vorträge, die im
September 1998 bei einem namenkundlichen Kolloquium in der Mainzer Akademie
gehalten wurden, mit einigen ergänzenden Beiträgen. Die insgesamt 33 Aufsätze
decken fast alle Regionen des deutschen Sprachraums ab – von Schleswig-Holstein
über die neuen Bundesländer mit dem Schwerpunkt Sachsen, über die Rheinlande,
Hessen und Franken (wobei allein Bayreuth in mehreren Beiträgen behandelt
wird), sodann Regensburg, Württemberg und das Allgäu, endlich die Schweiz und
Österreich. Auch Böhmen, das mährische Brünn und die Zips werden behandelt. Es
fehlen nur einerseits Schlesien und seine Nachbarregionen, und andererseits das
Elsaß.
Einige Beiträge behandeln ergänzende
Fragen, etwa der Bericht über den Atlas frühmittelniederdeutscher
Schreibsprachen (S. 87ff.) oder die Studie zu einem dörflichen Gerichts- und Handelsbuch
aus Thüringen (S. 205ff.). Urbare als namenkundliche Quellen werden von W.
Kleiber vorgestellt (S. 409ff.), der auf S. 418ff. einen willkommenen Überblick
über den Stand der Urbarforschung gibt.
Natürlich beschäftigen sich die Beiträge
in erster Linie mit den namenkundlichen Fragestellungen, die der Herausgeber in
seiner Einführung noch einmal kurz umrissen hat (S. 14f.). Dennoch ist der Band
insgesamt unter zwei Gesichtspunkten auch für die Rechtsgeschichte von großem
Interesse.
Zum einen verdient es Beachtung, das eine ganze Anzahl von Autoren zunächst eine Übersicht
über die Stadtbücher ihrer Stadt oder Region zu geben sucht. Dies gilt etwa für
Schleswig-Holstein (S. 46ff.), Südniedersachsen (S. 58ff.), Haldensleben (S.
78f.), Köln (S. 109ff.), die kleineren linksrheinischen Städte (S. 123f.), Hessen
(S. 166-174 – ein ausführliches Inventar!), Sachsen (S. 181-183), Leipzig (S.
197ff. – eine Auswahl!), Unterfranken (S. 289, mit einem albernen Piktogramm),
Bayreuth und Kulmbach (S. 320ff.), Nürnberg (S. 372ff.), Württemberg (S.
395-401 – ein Inventar!), das Allgäu (S. 403ff.), Basel (S. 479ff.), und
Österreich (S. 502ff.). Alle diese Zusammenstellungen bieten erwünschte
Ergänzungen oder Aktualisierungen zu den älteren, größeren Übersichten
insbesondere zu derjenigen von Paul Rehme, Die deutschen Stadtbücher, in:
Festschrift für Viktor Ehrenberg (Leipzig 1927) S. 171-395. In diesem
Zusammenhang mag es von Interesse sein, daß eine umfangreiche von Konrad
Beyerle hinterlassene Stadtbücherkartei im Freiburger Institut für
Rechtsgeschichte bewahrt wird.
Von grundsätzlichem Interesse ist die in
manchen Beiträgen anklingende Frage, ob die Stadtbücher überhaupt eine eigene
Quellengattung bilden. Soll man nicht lieber allgemein von Amts- oder
Geschäftsbüchern reden, oder umgekehrt eine der zahllosen überlieferten
Spezialbezeichnungen benutzen? Dieter Geuenich zieht aus seiner Übersicht über
die vielen Bezeichnungen von Stadtbüchern (S. 21-25) den Schluß, daß eine
Definition dessen, was Stadtbücher sind, nicht möglich sei. Allerdings geht es
nicht so sehr um die Definition eines Begriffs als vielmehr um die Beschreibung
eines Phänomens, und für dieses ist wohl weniger das Nebeneinander vieler
Bezeichnungen charakteristisch als vielmehr die fortschreitende Differenzierung
von einem einzigen Stadtbuch, liber memorialis oder denkelbook zu
einer Vielzahl von Buchreihen mit unterschiedlicher Funktion, wie sie vor allem
in den Hansestädten deutlich zu erkennen ist. Es mag sein, daß die einfache
Bezeichnung Stadtbuch in Norddeutschland häufiger vorkommt als im Süden, aber
es gibt doch auch hier eindrucksvolle Beispiele wie etwa Regensburg. Und ein
Autor, der aus der Mainzer Tagung den Eindruck gewonnen hatte, der Begriff
Stadtbuch verliere von Norden nach Süden an Kontur, muß dies für seine Stadt
Basel alsbald einschränken, denn das Rote Buch von 1357 nennt sich selbst unser
stette buoch (S. 476).
Der von Archivaren bevorzugte Begriff des
Amtsbuchs, der die frühmittelalterlichen Traditionsbücher ebenso umfaßt wie das
Landbuch der Mark Brandenburg von 1375 oder die Salbücher der frühen Neuzeit,
ist viel zu weit. Es mag sein, daß in der Archivpraxis die Buchform für das
Raumklima oder die Regalhöhe maßgeblich ist. Zutreffend hat man jedoch
beobachtet, daß für Historiker die inhaltsorientierten Namen für einzelne
Amtsbuchgattungen vorzugswürdig sind; vgl. Stefan Pätzold, Amtsbücher des
Mittelalters, in: Archivalische Zeitschrift 81 (1998) S. 87-111, hier S. 91.
Daher sollte auch die Rechtsgeschichte an dem seit Carl Gustav Homeyer
gebräuchlichen Begriff des Stadtbuchs festhalten.
Au im Breisgau Karl
Kroeschell