Die Arbeit wurde im Wintersemester 1991/1992 von der juristischen Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen. Die Idee zu ihr entstand im Sommersemester 1989 in einem Seminar Peter Landaus, die Ausarbeitung in der wissenschaftlichen Umgebung Jan Schröders in Tübingen. Schade, dass es willkürliche Umstände akademischen Betriebs bisher ausschlossen, auf ihre vielfältigen Ergebnisse hinzuweisen.
In der Einführung beschreibt der Verfasser kurz und klar seine Zielsetzung. Er will die politische Bedeutung und die Hintergründe der 108 Paragraphen umfassenden Einleitung (des insgesamt fast 20000 Paragraphen zählenden Gesetzbuches) ermitteln und den Nachweis führen, dass die Redaktoren mit den Bestimmungen der Einleitung keine grundstürzende Umgestaltung der politischen oder sozialen Ordnung des spätfriderizianischen Staates beabsichtigten, sondern dass vielmehr weder die absolutistische Struktur der Staatsverfassung noch die adelig-ständische Sozialordnung ernsthaft in Frage gestellt werden sollten. Dafür rekonstruiert er an Hand von Rezensionen, Entwürfen und Stellungnahmen die zeitgenössische Diskussion der einzelnen Vorschriften, ermittelt die historische Entwicklung einzelner Fragen und ihre Bedeutung in der brandenburgisch-preußischen Staatspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts und vergleicht die im Gesetz getroffenen Regelungen mit der Behandlung in der Literatur.
Zwar berührt die Entstehungsgeschichte der Einleitung nur einen geringen Teil des Allgemeinen Landrechts, den der Verfasser zudem aus einleuchtenden Erwägungen noch um die §§ 88-108 kürzt, doch klärt sie die wesentlichen Vorfragen für das gesamte Werk. Besonders bedeutsam sind dabei Stellung, Arten und Rang der Rechtsquellen, Gültigkeitsvoraussetzungen der Gesetze, Grenzen ihrer sachlichen, persönlichen, räumlichen und zeitlichen Anwendung sowie Regeln über ihre Auslegung. Ihrer Entwicklung lassen sich Anhaltspunkte für Willen und Möglichkeiten der Gesetzgebung zur Reform bestehender sozialer Verhältnisse entnehmen.
Zutreffend weist der Verfasser darauf hin, dass seine Zielsetzung in der bisherigen Literatur nicht verwirklicht wurde. Allerdings sind die Fragen des Verfassungscharakters und der Rechtsstaatlichkeit schon mehrfach behandelt. Zu übereinstimmenden Ergebnissen ist dabei die Forschung noch nicht gelangt.
Auf der einen Seite wird das Allgemeine Landrecht als Grundlage aller weiteren Fortschritte gerühmt. Nach anderer Ansicht schreibt das Werk nur die absolutistischen Verhältnisse der friderizianischen Zeit fest. Deswegen ist eine erneute Bewertung auf Grund eigenständiger umfassenderer Untersuchungen durchaus angezeigt.
Im zweiten Kapitel schildert der Verfasser sehr detailliert die Entwicklung der Textstufen der Einleitung, wobei er die Sammlung des Materials und erste Vorentwürfe von den Entwürfen zur Einleitung des gedruckten Entwurfs von 1784 und den Umarbeitungen in die Einleitung des Allgemeinen Gesetzbuchs von 1791 unterscheidet. Im dritten, auf wenige Seiten beschränkten Kapitel beschreibt er die von den Redaktoren benutzten Quellen und Literatur. Danach geht er ganz ausführlich und sorgfältig auf die Entstehung der Vorschriften im Einzelnen ein, ohne dass dies hier im Detail wiedergegeben werden kann.
Auch wenn ihm eine abschließende Klärung noch nicht möglich erscheint, hält er doch wesentliche Hinweise auf Funktion und Selbstverständnis der Gesetzgebung des spätfriderizianischen Preußen für ermittelt. Danach beabsichtigt die preußische Gesetzgebung Rechtsreform durch Verschriftlichung, Systematisierung und dogmatische Weiterentwicklung, nicht durch politische und soziale Umgestaltung. Ihr Ziel ist nicht die Revolution von oben, sondern die behutsame Fortführung des Bestehenden.
Unter den Redaktoren erweist sich der Einfluss Kleins und Carmers als stärker als bisher angenommen. Die bei weitem größte Arbeitsleistung stammt von Svarez. In relativer Abweichung von Klein ist Svarez der typische Vertreter des friderizianischen Beamtentums, ohne dass sich allerdings die Unterschiede zwischen beiden Persönlichkeiten in wesentlichen Grundfragen auswirken.
Soweit das Allgemeine Landrecht Züge von Rechtsstaatlichkeit erkennen lässt, dürften sie weniger Ergebnis politischer Auseinandersetzung unter den Redaktoren sein und mehr Auswirkung ständischer Strukturen und Einwirkungen. Die Einleitung spiegelt den ungelösten Konflikt zwischen Gesellschaft und Herrschaft wider. Aus der offenen Wiedergabe der durch die ständischen Monita veranlassten Veränderungen entsteht der Eindruck von Rechtsstaatlichkeit, ohne dass deswegen Preußen als Rechtsstaat im modernen Sinn bezeichnet werden kann.
Soweit die Einleitung Änderungen des älteren Rechtszustands bewirkt, bedeuten diese grundsätzlich eine Verstärkung des staatlichen Einflusses und eine Zurückdrängung nichtstaatlicher Gegebenheiten. Zwar werden alle Privilegien als unentziehbar anerkannt und verpflichten Enteignungen zu Entschädigungen. Hinter diesen Rechtssätzen steht aber doch die Vorstellung, dass der Staat grundsätzlich über das gesamte Recht verfügen kann.
Nur an zwei Stellen sieht der Verfasser einen erkennbaren unmittelbaren Einfluss des Naturrechts. Dies ist bei der Behandlung der Rechtsunkenntnis und bei der Regelung der Auswanderung der Fall. An beiden Stellen verstärkt sich dadurch das Gewicht des Staates.
Einflüsse der Erklärung der Menschenrechte in Frankreich vom 26. August 1789 auf die Einleitung schließt der Verfasser an Hand der Entstehungsgeschichte überzeugend aus. Einflüsse der Einleitung auf die Erklärung der Menschenrechte sind wenig wahrscheinlich. Eine politische oder soziale Reform strebten die Redaktoren gerade nicht an.
Im Anhang bietet die gut lesbare, überzeugend gegliederte Untersuchung eine Übersicht über die Textstufen der Einleitung, eine Abhandlung über die Berücksichtigung des Staatsrechts im Gesetzbuch in der Handschrift von Svarez, eine Abhandlung über die Berücksichtigung der Regalien im Gesetzbuch in der Handschrift von Svarez, eine Abhandlung über Privilegien aus der Revisio Monitorum in der Handschrift von Svarez, die Fassung IIIa der Einleitung in der Handschrift von Svarez, die Fassung IIIb der Einleitung in der Handschrift von Klein, die Fassung IIIc in unbekannter Handschrift, den Vortrag Svarezs vor der Berliner Mittwochsgesellschaft vom 21. Dezember 1791 und eine Abhandlung zum Titel vom Bauernstand aus der Revision der internen Monita zum ersten Entwurf in der Handschrift von Svarez vermutlich von 1785. Ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis und ein knappes Personenregister beschließen die wertvolle Untersuchung. Schade, dass sie zu Lasten des Verfassers der rechtsgeschichtlichen Leserschaft ein Jahrzehnt eher verschlossen blieb.
Innsbruck Gerhard Köbler