Schweizer, Rainer J./Hailbronner, Kay/Burmeister, Karl Heinz, Der Anspruch von St. Gallen auf Rückerstattung seiner Kulturgüter aus Zürich. Schulthess, Zürich 2002. XV, 266 S.

 

Rechtsgeschichte ist aktuell. Das wussten wir zwar immer, insofern als unsere Fachdisziplin die historische Dimension und Bedingtheit unseres Rechts ins Bewusstsein bringt. Bisweilen ist sie es aber noch in einem unmittelbareren Sinn: als Stütze und Fundierung der Rechtspositionen in einem gegenwärtigen Streitfall. Diese Aktualität ist der vorliegende Publikation, einem Gutachten im Auftrag der Regierung und des Kantons St. Gallen, eigen.

 

Im Jahre 1712 kam es auf Grund konfessioneller Auseinandersetzungen nochmals zu einem innerschweizerischen Krieg, in dem die Truppen der reformierten Orte Zürich und Bern auch das Kloster St. Gallen besetzten und plünderten. Unter anderem führten sie kostbare Schätze aus der berühmten Stiftsbibliothek und aus dem Stiftsarchiv weg. Nach dem 1718 erfolgten Friedensschluss zwischen dem Abt und den beiden Ständen gab Bern vereinbarungsgemäß die erbeuteten Klostergüter zurück, während Zürich die Restitution nur zögerlich und unvollständig durchführte und wichtige Teile, namentlich um die hundert früh- und hochmittelalterliche Handschriften, wertvolle Klosterdrucke, Archivalien und den großen Globus, zurückbehielt. Nun fordert St. Gallen (einmal mehr) von Zürich diese Kulturgüter heraus. Dabei stellen sich eine Reihe komplexer Rechtsfragen: War das seinerzeitige Plündern und Beutemachen der reformierten Truppen nach eidgenössischem Bundesrecht und damaligem Völkerrecht rechtmäßig oder nicht? Welche Sonderstellung genossen kirchliche und öffentliche Sachen? Sind die heutigen Kantone St. Gallen und Zürich als Nachfolgestaaten der seinerzeitigen st. gallischen Fürstabtei bzw. der Stadt Zürich aktiv- und passivlegitimiert in einem diesbezüglichen Prozess? Ist der allfällige Restitutionsanspruch St. Gallens verjährt? Wie präsentiert sich die Rechtslage nach modernem Staats- und Völkerrecht? Auf alle diese Fragen gibt das Rechtsgutachten der Verfasser aus deren Sicht eine fundierte, die verschiedenen Rechtsordnungen einbeziehende Antwort und gelangt zum Ergebnis, dass der Anspruch St. Gallens begründet und auch nicht verjährt sei.

 

Basel                                                                                                           Hans-Rudolf Hagemann